Personalmangel in der Kirche Wenn das Kloster dicht macht
Der Personalmangel macht auch der Kirche zu schaffen. So muss nach mehr als 100 Jahren das Franziskanerkloster in Hermeskeil in Rheinland-Pfalz schließen. Die Menschen in der Region verlieren mehr als nur ein Gotteshaus. Von Axel John.
Der Personalmangel macht auch der Kirche zu schaffen. So muss nach mehr als 100 Jahren das Franziskanerkloster in Hermeskeil in Rheinland-Pfalz schließen. Die Menschen in der Region verlieren mehr als nur ein Gotteshaus.
Der Gottesdienst in der Klosterkirche von Hermeskeil in Rheinland-Pfalz am vergangenen Samstag ist sehr gut besucht gewesen. Es gab kaum noch einen Platz - wie so oft. Doch es herrschten Wehmut und Trauer. Die Gemeinde verabschiedete nicht einen verstorbenen Menschen, sondern das Kloster selbst. Das Haus muss schließen - wegen Personalmangels. Es gibt keinen Nachwuchs mehr. Mehr als 100 Jahre Kloster-Geschichte in Hermeskeil findet so ihr Ende.
"Der Abschied ist schmerzhaft"
In der Kirche saß auch Schwester Dorothea-Maria. Sie hat als eine der letzten Franziskanerinnen das Haus bis zuletzt geführt. Jetzt ist damit Schluss. "Der Abschied ist schmerzhaft. Aber das gehört zum Leben dazu. Ich hoffe aber, dass der franziskanische Geist in der Region verwurzelt bleibt."
Das Ende kommt nicht überraschend. Bereits Ende 2016 standen die Franziskaner in Hermeskeil kurz vor dem Aus. Damals gab es nicht mehr genügend Brüder für den Fortbestand des Klosters. Deshalb wurden drei Franziskaner-Schwestern aus Bayern, Baden-Württemberg und dem nördlichen Rheinland-Pfalz nach Hermeskeil entsandt, um die spirituelle Arbeit zumindest noch für ein paar Jahre fortzusetzen.
Aber diese Übergangszeit ist jetzt auch vorbei. Ganz irdische Probleme wie der Wertewandel der Gesellschaft, Demografie, die Missbrauchsskandale und deren schleppende Aufarbeitung setzten der Kirche auch im ländlichen Raum immer stärker zu.
Schon vor einigen Jahren stand das Kloster vor dem Aus. Nun ist es endgültig soweit.
“Wir waren immer ein offenes Haus”
Beim Rundgang durch die Klosteranlage stehen alle Zeichen auf Abschied: Die Räume von der Bibliothek bis zum Musikraum sind menschenleer und schon teils ausgeräumt, die langen Gänge sind mit Umzugskisten vollgestellt. Gleich neben dem Haupteingang führt Schwester Dorothea-Maria in einen Saal, in dem noch ein großes Kreuz hängt. "Das war der zentrale Raum." Einmal die Woche habe hier Yoga stattgefunden, auch die Wochengebete. "Wir waren immer ein offenes Haus." Auch Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge habe es hier gegeben, erzählt sie und lässt ihren Blick gedankenverlorenen über aufgestapelte Stühle in der Ecke wandern.
Auf einem Tisch liegen noch ein paar Notenblätter. "Viele Menschen haben hier mitgemacht. Sie werden sich einen anderen Ort dafür suchen müssen. Das geht mir schon sehr nahe", erzählt die Schwester. Auch ein ukrainische Flüchtlingsfamilie war im Kloster untergekommen. Sie zieht in eine private Unterkunft um.
Die Ordensfrau geht weiter in die Klosterkirche und atmet einmal tief durch. Das Sonnenlicht fällt durch die bunten Glasfenster in das franziskanisch-schlicht gehaltene Gotteshaus. "Noch vor etwa 80 Jahren hatten die Familien fünf oder sechs Kinder. Damals kamen viele zu uns in den Franziskaner-Orden. Das ist leider vorbei", erklärt die Ordensfrau auf die Frage, warum es auch in der Kirche immer weniger junge Leute gibt.
Aber ist die Lage nicht doch paradox? Gerade jetzt in Zeiten zahlreicher Krisen suchen doch viele Menschen nach Orientierung, Halt und Gemeinschaft - und dennoch muss geschlossen werden? Die Schwester nickt. "Ich sehe auch, dass Menschen immer mehr nach Gott fragen und andere sich ganz bewusst von der Kirche, nicht von Gott abwenden. Und das aus nachvollziehbaren Gründen", sagt Schwester Dorothea-Maria. "Bestimmte Sachen, die jetzt hochkommen, wie der Missbrauchsskandal oder Veruntreuungen, das geht alles gar nicht! Das möchte ich klar sagen. Aber auch das trifft uns hier in Hermeskeil."
Mit dem Kloster geht für sie auch ein Stück Gemeinschaft verloren: Annemarie Hell und Martina Wagener wohnen direkt hinter der Kirche.
Kloster fest in der Region verwurzelt
Auch viele Anwohner, die liebevoll vom "Klösterchen" sprechen, treibt die Schließung um - so auch Annemarie Hell und Martina Wagener, die direkt an der Straße hinter der Anlage wohnen. Bei Kaffee und Keksen erzählen die beiden, dass die Franziskaner in der Region nicht nur für Glauben, sondern auch für Gemeinschaft standen: "Das war das Schöne: Es gab hier einen festen Stamm von Leuten, die das Kloster auch unterstützt haben. Wenn Renovierungsarbeiten waren, haben die ehrenamtlich gearbeitet. Auch wenn ein Fest war, kamen Kuchen aus dem ganzen Hochwald. Dass das Kloster jetzt einfach so geschlossen ist, ist schon hart."
Und Martina Wagener ergänzt: "Es gibt viele schöne Erinnerungen. Bei den Klosterfesten waren Zelte aufgebaut, Kinder spielten, es wurde getanzt und Würstchen wurden verkauft für einen guten Zweck - und das fällt weg. Wenn ich jetzt an den letzten Gottesdienst dort denke, dann komme ich mir fast wie auf einer Beerdigung vor."
Etwas außerhalb der Ortschaft hat der kulturgeschichtliche Verein Hochwald seinen Sitz in einer ehemaligen Kaserne. In einigen Räumen tragen Karl-Heinz Kaub und Dittmar Lauer historische Unterlagen zusammen. Vor langen Buchreihen erzählen die Hobbyforscher, dass sie sich grundsätzlich Sorgen um die Zukunft der Kirche machten, und das, obwohl die Franziskaner schon seit dem 15. Jahrhundert in der Region verwurzelt gewesen seien. "Besonders in den Krankenhäusern bei der Betreuung von Patienten war der Orden sehr aktiv", erzählt Karl-Heinz Kaub. "Jetzt schließt das Kloster endgültig. Da entsteht ein Vakuum. Ich wüsste nicht, was an deren Stelle kommen könnte", sagt er ratlos.
"Die Kirche zieht sich immer weiter zurück", pflichtet Dittmar Lauer bei. "Wenn das so weitergeht, wird die Kirche eine Randerscheinung. Es ist erschreckend, wie viele Leute hier im Hochwald und auch in Hermeskeil aus der Kirche austreten, obwohl sie sich weiter zum Christentum bekennen."
Schwester Maria-Dorothea (Mitte) beim Abschlussgottesdienst.
Ein Wanderstock für die Ordensschwester
Beim letzten Gottesdienst hielt der Pfarrer zunächst die Abschlusspredigt und bat Schwester Maria-Dorothea anschließend zum Altar. Für ihren weiteren Lebensweg schenkte er ihr einen Wanderstock. Wohin ihr Weg geht, weiß die Ordensschwester selbst noch nicht. Die Franziskanerin möchte sich zunächst eine Auszeit nehmen.
Mit stockender Stimme wandte sich Schwester Maria-Dorothea nochmal an die Gemeinde: "Natürlich überwiegt bei uns jetzt der Schmerz. In den Jahren ist euch das Kloster zur Heimat geworden. Es begleitet uns aber auch die Zuversicht, dass aus diesem Schatz etwas Gutes werden kann." Alle im Gotteshaus erhoben sich und klatschten.
Was aus dem Gebäude wird, ist noch unklar. Viele fürchten, dass in Hermeskeil weit mehr verloren gehen könnte als nur eine Klosterkirche.