Habeck bei Industrietreffen "Viel getan, aber zu wenig und zu spät"
Aus der Wirtschaft kommen fast täglich Hiobsbotschaften von Jobabbau und Insolvenzen. Viel zu besprechen also mit Wirtschaftsminister Habeck bei einer Industriekonferenz.
Bestehende Unternehmen streichen Stellen. Und selbst Unternehmen, die mit staatlichen Geldern angelockt wurden, schieben ihre Investitionspläne erst einmal auf die lange Bank. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist in Moll, stellt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf einer Industriekonferenz fest. "Der Standort Deutschland und vor allem der industrielle Kern Deutschlands steht unter Druck, unter dem Druck des Wandels."
Über die vergangenen zehn, fünfzehn Jahre sei zu wenig für die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland getan worden, so Habecks Analyse. Die eigene Regierungszeit nimmt der Grünen-Politiker dabei nicht aus. "Wir haben viel getan, aber häufig dann zu wenig und zu spät."
Industriepräsident Siegfried Russwurm beklagt vor allem, dass die Probleme der Wirtschaft von der Politik zu lange kleingeredet worden seien. Die Aussage von Kanzler Olaf Scholz, die Klage sei das Lied des Kaufmanns, hatte Wirtschaftsvertreter wie Russwurm empört. "Der Berg aufgetürmter Probleme ist groß - verschleppte strukturelle Probleme über viele Jahre. Es kommen aber auch ständig neue Belastungen hinzu", sagt der Präsident des Industrieverbands BDI.
Hängepartie durch Neuwahlen befürchtet
Ungeachtet mancher Kritik an der Ampel - in einem Punkt ist sich Rußwurm mit Habeck völlig einig: in der Sorge vor einer monatelangen Hängepartie in der Wirtschaftspolitik. Schließlich dürfte es dauern, bis sich nach den Neuwahlen im Februar eine neue Regierung gebildet hat. "In einer Situation, in der Entscheidungen gegen Investitionen in Deutschland oder zumindest nicht für Investitionen jeden Tag und jede Woche getroffen werden. Also: Wir verlieren mindestens ein halbes Jahr in einem bereits abschüssigen Gelände", so Russwurm.
Trotz des Scheiterns der Ampelregierung müsse es jetzt kurzfristig zu Entlastungen der Unternehmen kommen. Zum Beispiel in Form staatlicher Subventionen für die Netzentgelte, die Teil der Stromkosten sind.
Wirtschaftsminister Habeck hat das mehrfach vorgeschlagen - braucht dafür aber eine Mehrheit im Bundestag. Der Grünen-Politiker appelliert daher an CDU/CSU und FDP, einer Finanzierung über einen Nachtragshaushalt doch noch zuzustimmen.
Auch Gewerkschafter warnen
Dringenden Handlungsbedarf sieht auch IG-Metall-Vize Jürgen Kerner. Vor allem, weil viele Unternehmen aktuell nur noch versuchten, ihre Kosten zu drücken. "Wenn wir zu den Unternehmen schauen, stellen wir fest, dass sie sich von der aktuellen Gestaltung des Wandels, der Zukunft verabschieden." Mit "massivem" Arbeitsplatzabbau sowie Druck auf Löhne und Gehälter werde versucht, über die Runden zu kommen und die Margen kurzfristig zu sichern. Dabei werde aber die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verspielt, so die Warnung des Gewerkschafters.
Sorgenvoller Blick auf US-Zölle
Derweil droht mit den jüngsten Ankündigungen von Donald Trump neues Ungemach: Der künftige US-Präsident hat Zölle auf Waren aus Mexiko und Kanada angekündigt - obwohl es sich um eine Freihandelszone mit den USA handelt. Wenn Regeln für den internationalen Handel so brüchig seien, müsse sich Europa gemeinsam aufstellen, betont Habeck. "Wir können ja nicht zusehen, wie alle ihre Märkte dichtmachen, nur Europa hält seine Märkte immer schön treu - man muss fast sagen treudoof - offen. Zulasten der Unternehmen und der Arbeitsplätze."
Was das genau bedeutet, lässt der Wirtschaftsminister allerdings offen.