Lage bleibt vielerorts angespannt "Noch ist dieses Hochwasser nicht vorbei"
In manchen Hochwassergebieten entspannt sich die Lage - andernorts stehen kritische Momente noch bevor. Einige Talsperren haben die Kapazitätsgrenze erreicht. An der Elbe werden die höchsten Wasserstände im Laufe des Tages erwartet.
In einigen von den Hochwassern betroffenen Landesteilen Deutschlands hat sich die Lage vorerst etwas entspannt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet für heute keine großen Unwetter und keinen Dauerregen. Trotzdem wappnen sich zahlreiche Städte und Regionen weiter für eventuell noch steigende Pegelstände.
Vor allem in den Gebieten rund um die Talsperren in der Landesmitte geben die Behörden noch keine Entwarnung. Einige Talsperren hätten keine Kapazitäten mehr, um die Wassermassen aufzufangen. Die Okertalsperre und die Innerstetalsperre im Harz sind nach Angaben der Harzwasserwerke zu mehr als 100 Prozent gefüllt. Es müsse mehr Wasser in die umliegenden Flüsse abgegeben werden. Auch die Wassermenge in den übrigen Talsperren geht demnach auf 100 Prozent zu.
Städte wie Goslar oder Braunschweig hatten daher vorsorglich Sicherheitsvorkehrungen gegen drohende Überschwemmungen ergriffen. Doch bislang ist das Hochwasser ausgeblieben.
Zu Silvester droht in Niedersachsen erneut starker Regen
Auch an der Weser zeichnet sich etwas Entspannung ab. In Hameln ist der Pegelstand gleich geblieben. Auch in Rinteln und Bodenwerder steigt das Wasser momentan nicht weiter an. In Rinteln können die Bewohner einer zwischenzeitlich evakuierten Straße wieder in ihre Häuser zurückkehren. In Bremen-Borgfeld hingegen holt die Feuerwehr ältere Menschen aus einem überfluteten Gebiet. Das Wasser der Wümme hat einige Wohngebiete überschwemmt.
Nördlich von Hannover wurde auch der Serengeti-Park Hodenhagen stark von dem Hochwasser getroffen. Gebäudekomplexe sind teils von Wasser umschlossen, andere Teile des Parks konnten mit provisorischen Dämmen gesichert werden. Den etwa 1.500 Tieren in dem Park, darunter Elefanten und Giraffen gehe es aber gut, teilte der Inhaber des Parks, Fabrizio Sepe, mit.
Das niedersächsische Innenministerium erklärte, die Lage habe sich nach derzeitigem Stand wegen des nachlassenden Regens beruhigt, könne sich aber an Silvester wieder verschärfen. Für das Jahresende hätten Meteorologen wieder hochwasserrelevante Regenmengen vorhergesagt.
Weil lobt Helferinnen und Helfer
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil lobte das Engagement der Helferinnen und Helfer und die Schutzkonzepte der einzelnen Regionen. "Überall in Niedersachsen sind aus den vorangegangenen Hochwasserlagen erkennbar die richtigen Schlüsse gezogen worden. Es sind die richtigen Hilfsmittel vor Ort und die richtigen Einsatzkonzepte werden verfolgt", sagte der SPD-Politiker. Doch Weil warnte zugleich, dass Niedersachsen "noch nicht über den Berg" sei: "Noch ist dieses Hochwasser nicht vorbei, wir werden einen langen Atem benötigen."
Kritische Lage an der Elbe
An der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt steigen die Pegelstände weiter an - nicht nur aufgrund der hohen Regenmengen in den vergangenen Tagen, auch die Schneeschmelze im Riesengebirge sorgt für mehr Wasser im Fluss. In Dresden wird im Laufe des Tages der höchste Wasserstand erwartet. Die Behörden haben bereits Alarmstufe 3 ausgerufen. Weitere Straßen wurden gesperrt, um zusätzliche Wasserschutztore zu errichten. Ein Sprecher der Feuerwehr zeigte sich trotz des steigenden Wasserstands gelassen: "Bisher gab es nichts Unerwartetes", betonte er. Der Pegelstand steige langsamer als gedacht, "so dass wir hier gut vor der Lage sind".
Laut Hochwasserzentrale gelten für alle Flüsse in Sachsen mit Ausnahme der Oberen Weißen Elster Hochwasserwarnstufen. Für die Zuflüsse der Oberen Elbe wird damit gerechnet, dass die Warnung im Laufe des Tages aufgehoben werden kann.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer versicherte, dass durch die getroffenen Vorkehrungen "ein guter Schutz der Bevölkerung gewährleistet" sei. Er dankte den Einsatzkräften sowie Helferinnen und Helfern. Trotzdem betonte der CDU-Politiker: "Ein Hochwasser ist ein Naturereignis, niemand hat es hundert Prozent unter Kontrolle. Aber das Menschenmögliche, das tun wir hier in Dresden und in Sachsen."
Anhaltend hohe Pegel an Talsperre Kelbra
In Sachsen-Anhalt bleibt die Lage vor allem rund um die Talsperre Kelbra kritisch. Der Stausee hat seine Kapazitätsgrenze erreicht, hier wurde die Alarmstufe 4 ausgerufen. Die Hochwasservorhersagezentrale des Landes geht davon aus, dass die hohen Pegelstände noch über Tage anhalten werden. Es müsse gezielt Wasser aus dem Stausee abgelassen werden.
Um das Hochwasser im Raum Magdeburg abzumildern, soll am Vormittag das Pretziener Wehr gezogen werden. Es sorgt dafür, dass etwa ein Drittel des Elbewassers in einen 21 Kilometer langen Kanal um Magdeburg und Schönebeck herumgeleitet wird, ehe es bei Lostau wieder in den Fluss fließt.
Nach ersten Evakuierungen wegen des Hochwassers im Landkreis Mansfeld-Südharz zeichnet sich keine Zuspitzung der Lage ab. Wie der Kreis am Vormittag mitteilte, sind entlang der Helme keine neuen Überflutungen zu erwarten. Damit würden "auch keine weiteren Evakuierungen notwendig".
Windehausen bleibt für Bewohner gesperrt
In Thüringen gilt derzeit nur noch an der Werra im Wartburgkreis die zweithöchste Warnstufe. Am Wochenende wird in dem Bundesland jedoch erneut Dauerregen erwartet.
Im überfluteten Windehausen in Nordthüringen berät ein Krisenstab, wie es weitergeht. Vor allem gehe es um die Frage, ob und wann die Menschen wieder in ihre Häuser könnten, sagte ein Sprecher. Nach wie vor ist die Stromversorgung dort unterbrochen. Die ersten Aufräumarbeiten haben in dem Ort bereits begonnen - Feuerwehrkräfte konnten erste Keller leerpumpen.
Deiche sichern in Nordrhein-Westfalen
Wie in Thüringen könnte die Regenpause auch in Nordrhein-Westfalen nur ein kurzes Durchatmen bedeuten. Die Pegelstände bleiben hoch, viele Deiche im Bundesland müssen von Helferinnen und Helfern weiterhin verstärkt oder ausgebessert werden. Ein weiteres Problem: Das steigende Grundwasser sickert durch die völlig durchnässten Böden an die Oberfläche, da es nicht wie üblich in die Flüsse abfließen kann. Und schon ab Freitag bis in die erste Januarwoche hinein rechnen Meteorologen mit neuem Regen, wie der WDR berichtet.
Auch der DWD warnt ab Freitag vor neuem Dauerregen im westlichen Bergland mit bis zu 30 Litern pro Quadratmeter, in Staulagen könnten es sogar bis zu 40 Liter pro Quadratmeter werden. Regionen in Nordseenähe und in den Staulagen der westlichen Mittelgebirge müssten ab Samstag mit ähnlichen Regenmengen rechnen.
Grüne fordert umfassenderen Hochwasserschutz
Die Grünen pochen angesichts der derzeitigen Lage in Deutschland auf zusätzliche Investitionen in den Hochwasserschutz. "Wo Städte direkt ans Wasser heranreichen, brauchen wir zusätzliche Investitionen in technischen Hochwasserschutz wie Deiche und Rückhaltebecken", sagte der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jan-Niclas Gesenhues, der "Rheinischen Post".
Vorkehrungen gegen Hochwasser und Anpassungen an den Klimawandel müssten "bei jeglicher Planung" mit einbezogen werden, forderte Gesenhues. Auch in Deutschland würden "Fluten und Überschwemmungen häufiger und heftiger", dafür sei die Bundesrepublik aber noch nicht ausreichend gewappnet. Ein guter Schritt sei das erste deutsche Klimaanpassungsgesetz, welches vor wenigen Wochen vom Bundestag beschlossen worden sei. "Es verpflichtet Bund, Gemeinden und Länder, mehr für die Hochwasservorsorge zu tun", so Gesenhues.