IGeL-Leistungen Kritik an Selbstzahler-Leistungen beim Arzt
Sie sollen etwa helfen, Krebs frühzeitig zu erkennen - die sogenannten IGeL-Leistungen werden aber nicht von den Krankenkassen bezahlt und bringen oft nichts. Politiker fordern ein Verbot bestimmter Behandlungen.
In der Ampelkoalition werden die Stimmen lauter, Patientinnen und Patienten besser vor wissenschaftlich zweifelhaften Selbstzahler-Leistungen beim Arzttermin zu schützen. "Es braucht unübersehbar ein Update des in die Jahre gekommenen Patientenrechtegesetzes", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, der Nachrichtenagentur dpa. Verbessert werden müsse etwa der Schutz vor nicht evidenzbasierten Behandlungen - also vor Behandlungen, bei denen die Wirksamkeit nicht erwiesen ist.
Der Bundespatientenbeauftragte Stefan Schwartze (SPD) forderte sogar das Verbot einiger Selbstzahler-Angebote in Arztpraxen. "Leistungen, die von den medizinischen Fachgesellschaften als schädlich bezeichnet werden, haben in Arztpraxen nichts zu suchen und gehören verboten, auch im Rahmen von IGeL", sagte Schwartze dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Viele Verbesserungen durch Patientenrechtegesetz
Diese sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen und müssen von den Patienten selbst bezahlt werden. Das Patientenrechtegesetz war 2013 in Kraft getreten.
Seitdem wurden einige Verbesserungen erreicht: Patienten dürfen etwa ihre Patientenakte einsehen, Ärzte müssen über alle Maßnahmen aufklären, die während und nach einer Behandlung erforderlich sind, und Krankenkassen müssen beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler den Patienten unterstützen. Trotzdem werden seither auch immer wieder Nachbesserungen gefordert.
Ultraschalluntersuchungen bei Frauenärzten in der Kritik
Schwartze sagte unter Verweis auf Untersuchungen, die große Mehrheit des IGeL-Angebots habe keinen erkennbaren Nutzen. "Einige schaden sogar, weil sie häufig falsch positive Befunde liefern und dadurch unnötige weitere Untersuchungen und Eingriffe nach sich ziehen." Das gelte für die Ultraschalluntersuchung zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter - eine der am meisten verkauften Leistungen. "Hier werden junge Frauen ohne Not in Angst und Schrecken versetzt." Gynäkologische Fachgesellschaften lehnten sie ab, erklärte er.
Tatsächlich fehlt es laut dem IGeL-Monitor des Medizinischen Diensts der Krankenkassen an Hinweisen auf einen Nutzen dieser Ultraschalluntersuchung. Dabei böten fast alle Praxen die Methode an.
Der Berufsverband der Frauenärzte wies die Kritik an der Methode zurück. Es handele sich um eine umfassende Ultraschall-Untersuchung von Gebärmutter, Eileitern, Eierstöcken und Harnblase. "Die generelle Behauptung, ein Ultraschall würde unnütze Operationen nach sich ziehen, ist falsch." Auch Schwartzes Behauptung, gynäkologische Fachgesellschaften lehnten diese Ultraschalluntersuchung ab, treffe nicht zu.
IGeL-Leistungen für Praxen lukrativ
Dahmen sagte: "Es ist besorgniserregend, in welchem Umfang einzelne Praxen sich statt auf die Erbringung bedarfsnotwendiger Angebote entsprechend des Standes der Wissenschaft auf lukrative IGeL-Leistungen fokussiert haben." Damit zögen sie die redliche und wichtige Arbeit der überwältigenden Mehrheit der Arztpraxen in Misskredit.
Bei den Patientenrechten müsse auch die Transparenz für Patientinnen und Patienten erhöht werden. Die Regeln für die inzwischen überwiegend digitalisierte Behandlungsdokumentation müssten aktualisiert werden.
Wichtig sei es zudem, dass das geplante "Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz" nun zügig komme. Mit diesem will die Koalition unter anderem Hausarztpraxen durch den Wegfall von Budget-Obergrenzen stärken. Dahmen verspricht sich von dem Gesetz unter anderem eine bessere Finanzierung der hausärztlichen Versorgung und weniger Bürokratie in den Arztpraxen.
Dahmen sagte, alle Koalitionspartner müssten für eine schnelle Umsetzung des Versorgungsstärkungs- und des Patientenrechtegesetzes "am selben Strang ziehen". Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits vergangenes Jahr Verbesserungen beim Patientenrechtegesetz angekündigt.
Kaum Transparenz für Patienten
Bereits seit Jahren stehen die IGeL-Leistungen in der Kritik. So mahnten die Verbraucherzentralen: "Da die Palette breit gefächert ist und sich ständig erweitert, haben Patientinnen und Patienten kaum eine Chance, den medizinischen Nutzen sowie Qualität und Preis der Angebote zu überprüfen und miteinander zu vergleichen." In der Praxis solle man erst mal um Bedenkzeit bitten und später unabhängige Informationen einholen.
Deutschlands Kassenärzte mahnen aber: "IGeL-Leistungen sollten nicht generell verteufelt werden", wie ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sagte. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz meinte: "Das Verbot von Selbstzahler-Angeboten ist gut gebrüllt, doch praktisch nicht umsetzbar."
Nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zielen Ärztinnen und Ärzte mit IGeL verstärkt auf Versicherte mit höherem Einkommen ab - bei höherem Haushaltseinkommen wurde den Versicherten deutlich öfter eine IGeL-Leistung angeboten als bei niedrigerem Einkommen.