Flüchtlinge gehen in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) in Gießen zu einem wartenden Bus.

Bericht zu Drittstaatenregelung Was aus Asylverfahren in Drittstaaten geworden ist

Stand: 20.02.2025 15:06 Uhr

Vergangenes Jahr wurde vehement gefordert: Asylverfahren sollen in Drittstaaten ausgelagert werden können. Seither prüft die Bundesregierung die Idee - und verschiebt immer wieder einen Bericht. Warum?

Von Philipp Eckstein und Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Der Auftrag der Regierungschefinnen und -chefs der Länder war eindeutig: Nach einem ersten Sachstandsbericht im Juni des vergangenen Jahres sollte die Bundesregierung bis Mitte Dezember "konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transitstaaten" entwickeln. Vorgestellt werden sollte der Bericht bei einem Treffen der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

Nach dem Aus der Ampelkoalition fand das Treffen dann aber nicht wie geplant statt. Das Thema "Drittstaatenregelung" wurde, wie damals vom ARD-Hauptstadtstudio berichtet, von den Ländern nicht mal auf die Tagesordnung gesetzt.

Noch kein Bericht veröffentlicht

Trotzdem war allen Beteiligten klar, dass das die Bundesregierung nicht von ihrer Zusage entbindet. So teilte das aktuelle Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz, das CDU-geführte Sachsen, damals mit, man erwarte "selbstverständlich, dass die Bundesregierung trotz des verschobenen Gesprächs mit dem Bundeskanzler den zugesagten Bericht an die Länder noch in diesem Jahr übermittelt".

Auch das Kanzleramt versicherte im Dezember auf Anfrage: Der "Bericht befindet sich in der Endredaktion und wird zeitnah durch das Bundesministerium des Inneren vorgelegt".

Seither sind mehr als zwei Monate vergangenen. Der fertige Bericht ist allerdings noch immer nicht veröffentlicht worden. Was sind die Gründe für die Verzögerung? Ein Sprecher des Innenministeriums will sich dazu nicht äußern. Auf Anfrage teilt er lediglich mit, der Bericht befinde sich "weiter in der Endredaktion, weitere Informationen zum Zeitplan können derzeit nicht gegeben werden".

Das Bundeskanzleramt, das im Dezember noch eine zeitnahe Veröffentlichung angekündigt hatte, lässt mehrere Fragen dazu unbeantwortet und verweist auf das Innenministerium.

Drittstaaten-Modelle kaum noch öffentlich diskutiert

In den vergangenen Wochen drängte sich so der Eindruck auf, dass die Bundesregierung die Veröffentlichung bewusst auf die Zeit nach der Bundestagswahl schiebt. Fragen dazu bleiben allerdings ebenfalls unbeantwortet.

Anders als noch im vergangenen Jahr wird öffentlich kaum noch über Drittstaaten-Modelle diskutiert. Im Bundestagswahlkampf spielt das Thema keine große Rolle - und das, obwohl CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm ankündigen, dass jeder, der in Europa Asyl beantragt, "in einen sicheren Drittstaat überführt werden" soll, um dort ein Asylverfahren zu durchlaufen und bei Bedarf dort Schutz finden soll. Die Union setzt im Wahlkampf öffentlich vor allem auf die Forderung nach umfassenden Zurückweisungen an der Grenze, was sich ebenfalls im Wahlprogramm findet.

Unklar, welche Länder in Frage kommen

Bislang ist weiterhin unklar, welche Länder überhaupt für ein mögliches Drittstaatenmodell in Frage kämen. Italien scheiterte zuletzt mehrfach mit dem Versuch, Asylverfahren nach Albanien auszulagern.

Ein zweites Land, das häufig als möglicher Partner genannt wurde, ist Ruanda. Im vergangenen Jahr reisten mehrere Unionspolitiker in das Land, um sich vor Ort zu informieren. Auch nachdem Großbritannien im vergangenen Jahr ankündigte, sein Asyl-Abkommen mit Ruanda zu beenden, wurde es von CDU-Politikern weiter als möglicher Partner genannt.

Skepsis vonseiten der Sachverständigen

Aktuell sorgt die Regierung in Ruanda allerdings vor allem durch ihre Unterstützung der Rebellengruppe M23 im Kongo für Schlagzeilen. Das Bundesentwicklungsministerium hat deshalb zuletzt Regierungskonsultationen mit dem Land abgesagt und mitgeteilt, angesichts der Eskalation im Kongo "kann es kein Business as usual geben". Dass in dieser Situation Gespräche über eine Auslagerung deutscher Asylverfahren in das Land aufgenommen werden, ist kaum vorstellbar.

Damit steht die Frage im Raum, welche neuen Erkenntnisse in dem Prüfbericht, sollte er demnächst veröffentlicht werden, überhaupt enthalten sind. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios dürfte sich vieles im Rahmen dessen bewegen, was bereits im Sachstandsbericht im Juni 2024 stand. Das vorläufige Ergebnis vieler der angehörten Experten damals: Eine Auslagerung von Asylverfahren sei zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, die rechtliche und tatsächliche Umsetzung sei aber schwierig. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich skeptisch.

Hält die Union sich nun zurück?

Der Sachstandsbericht vom Juni war dann auch Thema beim Treffen der Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit Bundeskanzler Scholz. Eigentlich hätte man dort im Juni einen Schlusspunkt setzen können. Das wollten aber viele der damals Beteiligten nicht, weshalb ein weiterer Bericht vereinbart wurde. Im Oktober, beim nächsten Treffen, erinnerten die Länder an die vereinbarte Frist bis Mitte Dezember.

Allzu eilig haben es damit aber jetzt anscheinend auch die Länder nicht mehr. Die sächsische Staatskanzlei, die im Dezember noch auf eine rasche Veröffentlichung drängte, teilte im Februar auf Anfrage dazu lediglich mit, ihnen seien keine weiteren Papiere zu dem Thema bekannt. Die nächste reguläre Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler sei für den 5. Juni geplant. "Ob das Thema Drittstaaten dort besprochen wird, können wir derzeit noch nicht sagen."

Eine mögliche Erklärung für die Zurückhaltung: Die CDU könnte die nächste Bundesregierung anführen. Angesichts der praktischen Schwierigkeiten, etwa mit Blick auf mögliche Partnerländer, will man sich deshalb vielleicht nicht in die Verlegenheit bringen, diese zu sehr in Zugzwang zu bringen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Februar 2025 um 11:5300 Uhr.