Rede bei Bauern-Demo Lindner stemmt sich gegen die Buhrufe
Finanzminister Lindner hat bei der Bauern-Kundgebung gesprochen und ist dabei ausgebuht und gestört worden. Die geplanten Subventionskürzungen nahm er nicht zurück, sondern forderte zum Dialog auf.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in seiner Rede vor den protestierenden Bauern in Berlin die Kürzung bei der Dieselsubvention für Landwirte verteidigt. Er zeigte Verständnis für ihren Unmut und gab zu, die Sparpläne hätten zu schnell zu viel von ihnen verlangt. Es sei klar, dass die deutsche Landwirtschaft wettbewerbsfähig bleiben müsse. "Es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben." Deshalb seien die ursprünglich geplanten Kürzungen abgeschwächt worden.
Lindner verwies aber auch auf die aktuelle Haushaltssituation, die von allen einen Beitrag fordere. "Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt", sagte der FDP-Vorsitzende. Die Zinsen seien in den vergangenen Jahren gestiegen und belasteten den Haushalt in Milliardenhöhe, gleichzeitig seien hohe Investitionen in die Infrastruktur und die Sicherheit notwendig. Das Land befinde sich in einer Phase, "in der wir neu über die Aufgaben des Staates miteinander reden müssen". Es treffe auch andere Branchen wie den Luftverkehr, zudem werde es Kürzungen der Leistungen für Asylsuchende und Bürgergeldempfänger geben.
Weniger Bürokratie und "ideologische Bevormundung"
Der Minister betonte in seiner Rede zugleich: "Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen." Es brauche eine Agrarpolitik, die die wirtschaftliche Existenz sichere, sagte er.
Lindner versprach, sich für "mehr Freiheit" und Anerkennung der Leistung der Bauern einzusetzen. Er forderte, die "ideologische Bevormundung" der Landwirte zu beenden und verwies etwa auf die EU-Pläne zur Flächenstilllegung, die infrage gestellt werden müssten. Es sei die richtige Zeit, über die hohen Umweltstandards für Landwirte zu sprechen. Denkbar sei auch, schwankende Gewinne von Betrieben besser bei der Einkommenssteuer zu berücksichtigen. Eine Tarifglättung oder eine steuerfreie Risikorücklage werde von ihm geprüft.
Während seiner Rede wurde Lindner von Pfiffen und Protestrufen begleitet. Bauernpräsident Joachim Rukwied unterbrach Lindners Rede kurz nach dem Beginn und bat die Protestierenden, dem Minister zuzuhören. Dennoch störten die Landwirte die Rede Lindners weiter mit lauten "Hau ab!"-Rufen, Hupen und Pfeifen.
"Es reicht, zu viel ist zu viel"
Rukwied hatte zuvor erneut eine Rücknahme von Mehrbelastungen für die Landwirtschaft verlangt. Die Regierung habe es damit selbst in der Hand: "Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück", sagte Rukwied bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor.
Die Demonstration setze ein Zeichen an die Bundespolitik: "Es reicht, zu viel ist zu viel." Die Branche sei gesprächsbereit, der von der Bundesregierung angebotene Kompromiss sei aber nicht fair, sondern faul. "Den nehmen wir nicht hin", sagte Rukwied.
"So kann es nicht weitergehen"
Rukwied forderte vor von ihm geschätzt 30.000 Unterstützern einen Neuanfang. "So kann es nicht weitergehen." Die Großdemonstration sei ein Signal an die Politik. Der Bauernpräsident betonte mit Blick auf die bundesweiten Proteste der Landwirte, es sei nicht gelungen, das Anliegen in die rechte Ecke zu drängen. Die Bäuerinnen und Bauern seien aufrechte Demokraten und stünden zum Grundgesetz. Rukwied wies darauf hin, dass weiterhin eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln gewährleistet sein müsse. Das sei auch die Grundlage für eine stabile Demokratie.
Die Bauern wehren sich gegen Kürzungen in ihrem Bereich, mit denen Lücken im Haushalt für 2024 gestopft werden sollen. So soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Ursprünglich sollte sie sofort ganz gestrichen werden. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen.
"Weit über 5.000 Fahrzeuge" in Berlin
Tausende Landwirte in ihren Traktoren, unterstützt von Lkw-Fahrern, demonstrieren seit dem Morgen in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung. Laut Polizei waren "weit über 5.000 Fahrzeuge" im Zentrum der Hauptstadt zusammengekommen.
Im Bereich rund um das Brandenburger Tor kam es am Morgen zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen. Sie blieben laut Polizeisprecherin jedoch "im erwarteten Rahmen". Bereits am Wochenende waren Traktorkolonnen aus verschiedenen Regionen nach Berlin gefahren. Weitere Branchen wie das Transportgewerbe, die Fischerei und das Gastgewerbe schlossen sich den Protesten an.
Transportbranche droht mit Protesten
Auch die Transportbranche rief die Bundesregierung zum Umsteuern auf. "Unserer Branche reicht es auch", sagte der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. Er kritisierte deutlich die zum vergangenen Dezember erhöhte Lkw-Maut, die seitdem auch einen Aufschlag für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) enthält. Es heiße, diese Abgabe solle der Transformation zugutekommen, gleichzeitig mangele es aber unter anderem an geeigneten Ladestationen und Stromnetzen, um den Logistikverkehr klimafreundlich umzustellen, kritisierte der Branchenvertreter.
"Unsere Mittelständler halten das nicht mehr durch", warnte Engelhardt und drohte weitere Demonstrationen für den Fall an, dass die Ampel-Regierung der Branche nicht entgegenkommt. Würden zwei oder drei Tage lang keine Güter von den BGL-Mitgliedern transportiert, "dann haben wir das blanke Chaos".