China-Strategie der Regierung Klartext, Bekenntnisse und eine Zauberformel
Die Bundesregierung hat nach der nationalen Sicherheitsstrategie nun auch eine China-Strategie beschlossen. Wessen Handschrift trägt das 64-Seiten-Papier? Wie konkret ist es und wo bleibt viel Deutungsspielraum?
Wer hat sich in dieser ersten aller China-Strategien stärker verewigt - Bundeskanzler Olaf Scholz oder Außenministerin Annalena Baerbock? Das war angesichts der in der Vergangenheit klar unterschiedlichen Haltungen gegenüber dem Wirtschaftsgiganten eine der am heißesten diskutierten Fragen nach Veröffentlichung des 64-Seiten-Papiers.
"Weder der Kanzler noch ich haben irgendein Wort dieser Strategie selber in den Computer eingetippt", antwortete Baerbock dazu auf Nachfrage. Vielmehr hätten ihre "hervorragenden Häuser" Kanzleramt und Außenministerium das mit tatkräftiger Unterstützung anderer Ministerien verhandelt.
"Weder der Kanzler noch ich haben irgendein Wort dieser Strategie selber in den Computer eingetippt" - Annalena Baerbock bei der Vorstellung der China-Strategie.
"China hat sich verändert"
Verhandlungen waren das indes, die dauerten: 83 Wochen - so hat man beim auf China-Forschung spezialisierten Merics-Institut errechnet - sind seit dem im Ampel-Koalitionsvertrag festgehaltenen Strategieverspechen vergangen. Nun ist sie fertig: "China hat sich verändert - und deswegen muss sich auch unsere China-Politik verändern." So lautet eine der zentralen Botschaften der Außenministerin und des Papiers selbst.
Ein außenpolitisch deutlich offensiver auftretendes China versuche "auf verschiedenen Wegen, die regelbasierte internationale Ordnung umzugestalten. Dies hat Auswirkungen auf die europäische und globale Sicherheit." So steht es schwarz auf weiß schon in der Einleitung. Und auch auf den dann folgenden Seiten finden sich durchaus Klartext-Passagen. Etwa wenn die Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerungsgruppe der Uiguren, in Tibet und Hongkong benannt werden oder der Warnhinweis an Peking ergeht, dass eine militärische Eskalation um Taiwan "auch deutsche und europäische Interessen berühren" würde.
"Wir arbeiten weiter mit China zusammen"
Gänzlich neue, überraschende Töne sind das indes nicht. Die deutsche Politik gegenüber seinem wichtigsten Handelspartner war ein Spagat und wird es auch bleiben. "Erstens wollen wir weiter mit China zusammenarbeiten und sprechen dabei auch schwierige Themen an", so eröffnete Scholz‘ Chefsprecher Steffen Hebestreit seine Ausführungen zur China-Strategie.
Ganz ähnlich lautete auch in dem ersten Tweet des Kanzlers nach Veröffentlichung der erste Satz: "Wir arbeiten mit #China weiter zusammen, auch wirtschaftlich oder beim Klimaschutz" – offenbar war es Olaf Scholz ein Anliegen, die Partnerschaft zum asiatischen Riesen noch einmal zu betonen. Trotz allem.
Kanzler Olaf Scholz betonte, dass Deutschland weiter mit China zusammenarbeiten werde.
Kein Abkoppeln, aber weniger Abhängigkeit
Dass man China braucht, zum Beispiel beim Kampf gegen den Klimawandel, weiß man auch in Baerbocks Außenressort. Nur pochte man hier stets eindringlicher auf die Menschenrechtsfrage.
Aber weiß damit die deutsche Wirtschaft, woran sie künftig ist? Hier bleibt zumindest der Strategietext vage: De-Risking - kein De-Coupling, so lautet die breit auslegbare Zauberformel. Heißt: Ein Abkoppeln von China soll es nicht geben, sehr wohl aber will man die Abhängigkeit bei Schlüsseltechnologien und wichtigen Rohstoffen verringern.
Derselbe Fehler wie beim russischen Gas soll Deutschland nicht noch einmal unterlaufen. "Deshalb werden Unternehmen, die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen müssen." Markige Worte der Außenministerin, die jedoch im Text selbst nicht weiter konkretisiert werden. Vielmehr will nun die Politik verstärkt das Gespräch mit der Wirtschaft suchen.
Von Seiten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) signalisiert man schon mal Offenheit: "Wir halten es für angemessen, dass es jetzt diese Strategie gibt", sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner dem ARD-Hauptstadtstudio.
Dass der 64-Seiten-Text klarer und handfester ausfallen würde als die dürren Zeilen zu China in der vor kurzem vorgestellten "Nationalen Sicherheitsstrategie", war zu erwarten. Gleichzeitig lässt er so viel Auslegungsspielraum, dass das Ringen um den richtigen Umgang mit Peking weitergehen dürfte. Zumindest will die Bundesregierung aber dafür sorgen, dass in China selbst keine Missverständnisse aufkommen: Eine Übersetzung des Textes in die Sprache Mandarin sei in Arbeit, so heißt es.