"D-Day"-Papier der FDP Rücktrittsforderung aus den eigenen Reihen
Viel Kritik für das FDP-Papier zum Koalitionsbruch - und was sagen die Liberalen? Präsidiumsmitglied Strack-Zimmermann moniert die "D-Day"-Wortwahl. Der Generalsekretär versucht, sich zu erklären - während der Nachwuchs seinen Rücktritt fordert.
Für ihr Papier zum Ampelausstieg, das gestern öffentlich wurde, muss die FDP viel Kritik einstecken. FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann räumte ein, dass die Verschriftlichung des Schlagwortes "D-Day" kritisch aufgearbeitet werden müsse.
Es sei zwar richtig gewesen, sich mit Ausstiegsszenarien auseinanderzusetzen, sagte die FDP-Politikerin. Aber: "Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar." Sie forderte Selbstkritik und Aufarbeitung, wie sie auf X betonte.
Ausstiegszeitpunkt und Medienstrategien
In dem achtseitigen Dokument spielt die Partei den idealen Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Bundesregierung sowie Medienstrategien durch. In dem Papier heißt es, es "könnte ein Ausstieg zu Beginn der KW 45 erfolgen". In mehreren Treffen wurden vorherigen Medienberichten zufolge seit Ende September Szenarien für ein Ende der Ampelkoalition von der FDP durchgespielt.
Die FDP stellte die Datei gestern selbst online, nachdem das Nachrichtenportal "Table.Briefings" daraus zitiert hatte. Mitte November lösten Recherchen über die Vorbereitungen der FDP auf den Ausstieg bereits Empörung aus.
Kritik an "D-Day"-Begriff
In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff "D-Day" mehrfach auf - als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der gemeinsamen Regierung mit SPD und Grünen. Neben dem Inhalt stößt besonders diese Wortwahl auf viel Kritik - vor allem, weil FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die Nutzung dieses Begriffs bei den ersten Berichten noch verneint hatte.
Djir-Sarai hatte in einem Interview bei RTL/ntv am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die "D-Day"-Formulierung betont: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden."
"Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier"
Nach der Veröffentlichung des FDP-Papiers bemühte er sich nun in der "Welt" um Schadensbegrenzung: "Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier." Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.
Der liberale Nachwuchs hingegen schon: Die Vorsitzende der Jungen Liberalen Franziska Brandmann forderte den Rücktritt des Generalsekretärs. "Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten", schrieb Brandmann auf X.
Generalsekretär kündigt Statement an
Für den späten Vormittag kündigte Djir-Sarai ein öffentliches Statement in der Parteizentrale an. Parteichef Lindner verteidigte seinen Generalsekretär in der "Rheinischen Post": "Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden", sagte Lindner. Generalsekretär Djir-Sarai habe es offensichtlich nicht gekannt.
"Jenseits der Details will ich aber sagen, dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen", führte Lindner aus. Man habe sich monatelang mit allen Optionen beschäftigt, also auch mit der eines Ampel-Bruchs. Den Vorwurf, dass eine Partei ein falsches Spiel gespielt habe, bestritt er. "Denn zu jedem Zeitpunkt ging und geht es uns um den Politikwechsel, den dieses Land braucht."
Faber: "Zeichen von Professionalität"
FDP-Politiker Marcus Faber, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, erklärte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF die Vorbereitungen seiner Partei zum Koalitionsende: "Es ist völlig normal, dass man sich in einem Szenario, in dem die Koalition schon erhebliche Probleme hat, auf alle Szenarien vorbereitet." Das sei ein Zeichen von Professionalität. Nachfragen zur kürzlichen "D-Day"-Verneinung von Djir-Sarai wich er aus: "Das müssen Sie den Generalsekretär fragen."
Miersch: Nutzung des Begriffs "D-Day" ist "zynisch"
Bei den früheren Koalitionspartnern SPD und Grüne löste das "D-Day"-Papier große Empörung aus. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP vor, mit "solch einem verantwortungslosen Handeln" das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen zu zerstören.
Miersch kritisierte es außerdem als "zynisch", dass die FDP für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort "D-Day" benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als "offene Feldschlacht" bezeichnet. "Die FDP-Führung hatte die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten. Sie hat somit die Öffentlichkeit offensichtlich wiederholt getäuscht", sagte Miersch.
"Die FDP organisiert eine 'Feldschlacht' gegen eine Regierung, der man selbst angehört", schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil im Onlinedienst X. "Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können."