Fernwärme für den Klimaschutz 100.000 Gebäude jährlich sollen ans Wärmenetz
Wie kann die Wärmewende gelingen? Nach einem Treffen der Politik mit Branchenvertretern steht fest: Pro Jahr sollen 100.000 Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Verbraucherschützer warnen vor hohen Preisen durch Monopole.
Es soll schneller vorangehen beim Ausbau der Fernwärme. Bei einem Treffen haben sich die Bundesregierung und die Energiebranche auf die Rahmenbedingungen für den Ausbau geeinigt.
Bis 2030 soll die Hälfte der Wärme klimaneutral erzeugt werden, der Fernwärme soll dabei eine besondere Bedeutung zukommen. "Wir glauben, dass Fernwärme ganz häufig eine attraktive Antwort auf die Frage der Dekarbonisierung sein kann", betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck während der anschließenden Pressekonferenz. Pro Jahr sollen mindestens 100.000 Gebäude neu ans Fernwärmesystem angeschlossen werden. Bis 2045 solle sich die Anzahl der angeschlossenen Gebäude damit gegenüber heute verdreifachen, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Teilnehmenden.
Vorbild Dänemark
Deutschland werde sich ein Beispiel an Dänemark nehmen. Dort seien bereits 65 Prozent der Haushalte an Fernwärmesysteme angeschlossen, sagte Habeck. In Deutschland seien es nur 14 Prozent.
Ein weiteres Problem: Die Energie stammt aktuell noch zu rund 70 Prozent aus klimaschädlichen, fossilen Energieträgern, also vor allem Kohle und Gas. Nur knapp 20 Prozent der Fernwärme stammten aus Erneuerbaren Energien, sagte der Wirtschaftsminister. In Dänemark hingegen seien es 65 Prozent. "Wenn wir ungefähr Ähnliches bis 2045 erreichen wollen, müssen wir das, was in Dänemark in den letzten 50 Jahren entstanden ist, in den nächsten 25 Jahren hinbekommen", forderte der Grünen-Politiker.
Bis 2030 solle mindestens die Hälfte der Fernwärme jedes Netzes mit Erneuerbaren Energien oder durch Abwärme produziert werden. Dies solle nun für alle Netze zusammengenommen gelten - und nicht mehr für jedes einzelne. Dennoch sei es keine neue Nachricht, so Habeck: "Wir müssen schneller werden bei allen Entscheidungen und Planungen."
Förderung für Hausanschlüsse
Nach den Plänen von Wirtschaftsminister Habeck und Bauministerin Klara Geywitz sollen Hausanschlüsse gefördert werden. "Wenn Fernwärme ausgebaut wird, werde ich als Hausbesitzer frühzeitig darüber informiert und kann meine Investitionen entsprechend anpassen", sicherte die SPD-Politikerin zu.
Zugleich betonte sie, dass Preise attraktiv und transparent gestaltet werden müssen, um die Anreize für den Anschluss an ein Wärmenetz zu erhöhen. "Wenn ich an einer zentralen Wärmeversorgung bin, muss ich wissen: Wie ist der Preis entstanden für meine Wärmeversorgung?", sagte Geywitz.
Die Bauministerin plädierte dafür, das Potenzial unterschiedlicher Energieträger zu nutzen. Es müsse neue technische Lösungen geben wie zum Beispiel Wärmepumpen, die Seewasser oder Abwasser nutzen oder andere Techniken wie Geothermie.
Unterschiedliche Fernwärmesysteme berücksichtigen
"Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind gewaltig", sagte auch Hansjörg Roll von der AG Wärmegemeinschaft, ein Zusammenschluss von Branchenvertretern. Grüne Wärmenetze müssten ein wichtiges Standbein werden. "Die Fernwärme-Kunden sind schon jetzt am zufriedensten", erklärte Roll. Allerdings gebe es bei Fernwärme deutschlandweit über 3000 Systeme, die regional sehr unterschiedlich seien. "Die Gesetze müssen diese Unterschiedlichkeit berücksichtigen."
Die Wärmelieferverordnung müsse novelliert werden und es müsse bessere Rahmenbedingungen bei der Geothermie geben, forderte der Branchenvertreter.
Verbraucherzentralen mahnen Preistransparenz an
Es reiche nicht aus, den Ausbau der Fernwärme voranzutreiben, mahnte Ramona Pop von den Verbraucherzentralen an. Bereits jetzt heizten Millionen Haushalte in Ballungsräumen mit Fernwärme, doch unregulierte Monopole einzelner Anbieter sorgten stellenweise für hohe Preise. Es brauche eine vernünftige Kontrolle zum Beispiel durch eine bundesweite Preisaufsicht, so Pop. Auch eine Einspeisung Dritter müsse ermöglicht werden. "Und Investitionen müssen fair verteilt werden", erklärte die Verbraucherschützerin.
Außerdem forderte Pop, dass Haushalte auch in Gegenden mit Fernwärmenetzen frei entscheiden sollen, ob sie Fernwärme nutzen wollen oder nicht. Von Kommunen und Betreibern der Netze wird dagegen ein so genannter Anschluss- und Benutzungszwang ins Gespräch gebracht: Nur wenn klar sei, wie viele Nutzer es gebe, würden sich die teuren Investitionen in die Netze auszahlen. Bauministerin Geywitz sagt, dass aus ihrer Sicht "keine Änderung zum jetzigen Status quo notwendig" ist. In der Abschlusserklärung des Fernwärmegipfels bleibt das Thema offen.
Politik und Verbände haben sich darauf geeinigt, in Arbeitsgruppen zu prüfen, was dem Ausbau der Netze entgegensteht und wie der Anschluss für Verbraucher attraktiver werden kann. Ein Folgetreffen soll im Herbst stattfinden.
Mit Informationen von Hans-Joachim Viewegger, ARD-Hauptstadtstudio