Konfliktpolitik Eine Konferenz für den Frieden
Weltweit nehmen Konflikte zu und Lösungen fehlen. Viele Kriege werden vergessen, sobald ein neuer auftaucht. Wie Frieden gelingen kann, untersucht die vielfältig besetzte MOOT-Konferenz in Berlin.
Heute startet in Berlin eine Konferenz unter dem Titel "Reshaping Peace" - übersetzt: den Frieden neu gestalten. Das Ziel: Experten aus der ganzen Welt sollen zwei Tage lang neue Lösungsvorschläge für Friedensprozesse erarbeiten.
Sie wollen über den Tellerrand klassischer Friedens- und Konfliktpolitik hinaus schauen, mit Vertretern aus privater Wirtschaft, aus der Klimapolitik oder auch den Neurowissenschaften.
Andrew Gilmour, Direktor der Berghof Foundation, die die Konferenz "Berlin Moot" organisiert hat, sieht darin eine Ergänzung zur Münchner Sicherheitskonferenz: "Unsere Melodie ist etwas lauter im Bereich des Friedens, die der Münchner im Bereich der Sicherheit."
Friedensprozesse auf dem Prüfstand
Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es keine Zeit gegeben, in der so viele Konflikte gleichzeitig geherrscht hätten, beschreiben die Organisatoren ihre Motivation für die Konferenz. Die Idee entstand vor zwei Jahren.
"Es ist ganz klar, dass die traditionellen Wege, Frieden wieder herzustellen, nicht mehr wirklich funktionieren", sagt Gilmour. Unsere Annahmen, wie Friedensprozesse ablaufen, müssen auf den Prüfstand. Wir suchen nach Verbesserungen."
Der Direktor der Berghof Foundation, Andrew Gilmour, sieht die Melodie der MOOT-Konferenz "lauter im Bereich des Friedens".
Berghof Foundation vermittelt in Konflikten
Die Berghof Foundation wurde 1971 gegründet und ist eine unabhängige Nichtregierungsorganisation, die sich über öffentliche Fördermittel finanziert. Ein großer Geldgeber ist das Auswärtige Amt. Aber auch andere europäische Staaten unterstützen die Arbeit, wie Norwegen oder Finnland. Gefördert werden immer einzelne Projekte, nicht die Stiftung als Ganzes.
Die Organisation hat sich einen Namen als Vermittlerin zwischen Konfliktparteien gemacht. Im Jahr 2023 war die Berghof Foundation unter anderem in Afghanistan, Äthiopien, Irak, Jemen, Libanon und Somalia aktiv - allesamt Konflikte, die nun angesichts der Kriege in der Ukraine und in Gaza in den Hintergrund geraten sind.
Das erfährt Andrew Gilmour immer wieder, wenn er mit Parlamentariern darüber spricht, warum die Arbeit der Stiftung wichtig ist. "Ich war dann immer bereit über fünfzehn andere Konflikte zu sprechen, aber die Menschen wollten mit mir über die Ukraine reden, weil das der Hauptkonflikt war. Heute würde es wohl Gaza sein."
Vergessene Konflikte im Blick
Die Gespräche mit den Abgeordneten oder auch mit Gebern in anderen Ländern sind entscheidend, wenn es um die Bewilligung neuer Gelder geht. Eine seiner Hauptargumentationslinien, so Gilmour, sei immer gewesen: "Wir helfen euch mit unserer Arbeit, denn außerhalb Europas gewinnen Länder den Eindruck, dass ihr euch von vergessenen Konflikten abwendet."
Aber das sei nicht gut, argumentiert er weiter. Man sehe das daran, dass die Europäer einen großen Teil der Welt beim Ukraine-Thema verloren hätten. "Für mich ist es unglaublich traurig, dass es eine solche Kluft zwischen NATO-Mitgliedern und vielen anderen Regionen in der Welt gibt, sowohl wenn es um die Ukraine geht als auch bei Gaza."
Deutsche Politik profitiert
Gerade weil die Berghof Foundation als eine deutsche Organisation zeige, dass sie sich noch für Äthiopien, Somalia oder Afghanistan interessiere, sei das auch gut für die deutsche Politik. "Ich denke, die Politiker akzeptieren dieses Argument", sagt Gilmour.
Friedensarbeit zu finanzieren ist immer wieder eine enorme Herausforderung - gerade in Zeiten wie diesen, wo ein strenger Sparhaushalt alle Ministerien zwingt, ihre Ausgaben zu überdenken. "Die Regierungen in der Europäischen Union finanzieren Projekte wie unsere oft von Jahr zu Jahr", so Gilmour.
Aber Frieden und Versöhnung, die zukunftsfähig sind, bräuchten 20, 30, 40 Jahre, weiß der Berghof-Direktor. "Uns ist voll und ganz bewusst, dass es viel Zeit braucht, um das Bewusstsein der Menschen zu verändern, damit ein langanhaltender Frieden möglich ist."
Experten verschiedener Fachgebiete suchen bei der MOOT-Konferenz neue Ansätze für Friedenslösungen.
Krieg kostet mehr als Frieden
Gilmour kennt die Vorhaltungen unter anderem im Internet, wo Kritiker Investitionen in Friedensprojekte für verschwendetes Geld halten. Denen hält er entgegen, dass die Summen, die für Friedensbemühungen ausgegeben werden, unglaublich klein seien - "wirklich winzig".
Die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende sei großartig, aber "könnten wir einfach ein Prozent des 100-Milliarden Euro-Programms für Frieden ausgeben. Das hätte eine enorme Wirkung. Eine Milliarde Euro für Friedensprozesse im Jemen, Äthiopien, Afghanistan, sogar Palästina, das könnte die Wende bringen, wäre ein 'game changer'."
Mediation gegen Ängste von Konfliktparteien
Charlotte Hamm hat vier Jahre lang im Afghanistan-Team der Berghof Foundation gearbeitet. Sie erklärt, was Mediatoren machen. "Es geht darum herauszufinden, was die Konfliktparteien bewegt, was sie motiviert, was ihre Ängste sind und welche Gemeinsamkeiten man herausarbeiten kann, um dann darauf aufzubauen."
Man müsse geduldig sein, denn es seien lange und zähe Prozesse. "Als Mediatorin muss man offen sein, allen zuzuhören und mit allen zu reden. Auch wenn es teilweise Menschen sind, die Kriegsverbrechen begangen haben." In Äthiopien und im Jemen zum Beispiel waren Mediationen der Berghof Foundation erfolgreich.
Auch in Bezug auf Afghanistan gab es anfangs positive Signale. Der erste innerafghanische Dialog zwischen der Regierung und den Taliban in Doha wurde von Deutschland und Katar organisiert; die Berghof Foundation hat ihn unterstützt.
Als Vertreter der afghanischen Regierung und der Taliban das erste Mal aufeinandertrafen, durften nur die Mitarbeiter der Berghof Fopundation im Raum bleiben. Alle anderen internationalen Akteure mussten raus. Allein schon, dass beide Seiten miteinander ins Gespräch kamen, war damals ein Erfolg, auch wenn es nicht dabei blieb.
Neurowissenschaft gegen Entmenschlichung
Bei der Konferenz in Berlin sollen nun Akteure zu Wort kommen, die bisher in Friedensprozessen nicht beteiligt waren. Die Privatwirtschaft zum Beispiel - oder Neurowissenschaftler.
Auf die Frage, was die Wissenschaft bei Friedensverhandlungen beitragen kann, erläutert Charlotte Hamm, dass Neurowissenschaftler sich intensiv mit der Entmenschlichung des Feindes beschäftigen, etwas, das im Krieg geschehe. "Während Friedensverhandlungen treffen Feinde, die sich entmenschlicht haben, oft das erste Mal aufeinander", so Hamm.
Sie säßen am Verhandlungstisch, äßen zusammen Mittag und wohnten teilweise sogar im gleichen Hotel. "Durch die gemeinsame Zeit und all die kleinen Interaktionen beginnt ein Prozess der Wiedervermenschlichung", sagt Hamm. Was sich abstrakt anhört, ist laut Wissenschaft im Gehirn nachweisbar.
Versammlung mit konkreten Empfehlungen
"MOOT", der Name der Konferenz, ist übrigens ein altes englisches Wort, das eigentlich eine Gemeindeversammlung bezeichnet, in der früher lokale Angelegenheiten diskutiert und dann auch entschieden wurden. Das ist den Organisatoren der Konferenz wichtig: nicht nur reden, sondern Konkretes empfehlen. Von 2026 an hofft Andrew Gilmour, die MOOT-Konferenz jährlich zu organisieren.