Ein Arbeiter verschraubt das Gleis mit den Betonschwellen an der Bahnbaustelle der ICE-Strecke zwischen Nürnberg und Bamberg (Archiv Dezember 2023)

Milliarden für Infrastruktur Wohin könnte das Geld fließen?

Stand: 09.03.2025 09:56 Uhr

500 Milliarden Euro sollen in den nächsten zehn Jahren in die Infrastruktur fließen. Aber wohin genau? Fest steht nur: Es gibt in vielen Bereichen ziemlich viel zu tun.

Von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Kaum kündigt die Politik 500 Milliarden Euro für Infrastruktur an, sind die Begehrlichkeiten geweckt. Verschiedenste Interessenverbände melden sich zu Wort, weil sie meinen, beim neuen Sondervermögen unbedingt berücksichtigt werden zu müssen. Unter den Begriff Infrastruktur fallen schließlich etliche Bereiche.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub hätte gerne bessere Fahrradwege. Sozialverbände mahnen, dass barrierefreie Wohnungen nicht vergessen werden dürfen.

Wissing spricht von hoher Sanierungslast

Der bisherige Infrastrukturminister Volker Wissing sieht die Prioritäten an anderer Stelle: Er will, dass mehr Geld in den Ausbau und die Sanierung von Autobahnen, dem Schienennetz und Wasserwegen fließt.

Wissing spricht im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio von einer ungewöhnlich hohen Sanierungslast: "Wir haben sehr viele Infrastrukturen, die aus den 1960er- und 1970er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen, und die nun zeitgleich in die Jahre und in die Sanierung kommen." Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums sind dafür 220 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 nötig, die nicht über den regulären Haushalt gedeckt werden können.

Aufwändig und teuer ist vor allem die Sanierung von Brücken. Etwa 5.000 sind laut Ministerium dringend reparaturbedürftig oder müssen abgerissen und neu gebaut werden.

Grüne wollen Klimaschutz mitdenken

Die Deutsche Bahn rechnet für das Schienennetz in den kommenden Jahren mit Sanierungskosten von 150 Milliarden Euro. Eine zweistellige Milliardensumme davon sei bisher nicht gedeckt, erklärt Wissing. Diese Summe ist vor allem für das Instandsetzen von zentralen Strecken nötig, die sogenannten Hauptkorridore. Außerdem fehlt Geld für die Digitalisierung der Zugsicherung.

Sollte der Fokus des neuen Sondervermögens auf der Bahn liegen, wären möglicherweise auch die Grünen dazu bereit, der nötigen Grundgesetzänderung zuzustimmen. Auf sie kommt es in der aktuellen Zusammensetzung des Bundestags an, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen.

Die Grünen pochen darauf, dass der Klimaschutz bei neuen Infrastrukturprojekten eine größere Rolle spielt. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge wirft CDU/CSU vor, Klimafragen bei ihren Reformplänen auszublenden und sich keine Gedanken über die Zukunft der jungen Generation zu machen.

Rotes Kreuz fordert Zivilschutz

Damit spielt Dröge auch auf das Thema Bildung an. Den Städten und Gemeinden fehlen rund 55 Milliarden Euro, um Schulgebäude zu sanieren. Auf diese Summe kommt die staatliche KfW-Bank. Für Kitas sind demnach weitere knapp 13 Milliarden Euro nötig.

Das Rote Kreuz fordert 20 Milliarden Euro für den Bevölkerungsschutz. Die Zeitenwende habe in diesem Bereich bisher nicht stattgefunden, sagt DRK-Generalsekretär Christian Reuter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Zivilschutz sei nicht auf den Verteidigungsfall vorbereitet, es fehlten Notfallkapazitäten in Krankenhäusern und eine gesicherte Versorgung mit Antibiotika.

Auch die Energienetze müssen erneuert werden

Die Kommunen stehen noch vor einer anderen gewaltigen Aufgabe. Die Energienetze müssen erneuert werden, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann. Auch das dürfte Milliardenbeträge in dreistelliger Höhe verschlingen.

Die Bauindustrie freut sich. Sie ist gefragt, wenn es darum geht, die Infrastrukturprojekte zu realisieren. Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sagt im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio, an freien Kapazitäten mangele es nicht: "Heute ist unser Personal nicht zu 100 Prozent ausgelastet. Das liegt einfach daran, dass die Politik in den vergangenen Jahren zu wenig investiert hat. Das heißt: Sowohl bei unseren Fachkräften als auch beim Maschineneinsatz können wir ad-hoc viel mehr leisten, als wir heute tun."

Für längere Zeit große Baustellen

Müller plädiert dafür, dass die 500 Milliarden Euro tatsächlich zusätzlich in die Infrastruktur fließen, dass also keine bisherigen Etats dafür gekürzt werden. Sonst werde man in zehn Jahren aufwachen und merken, dass wieder Geld für Investitionen fehle.

Kommt es zur großangelegten Infrastrukturwende, heißt das aber auch: Die Menschen in Deutschland müssen sich für längere Zeit an große Baustellen gewöhnen, an Sperrungen von wichtigen Bahnstrecken oder Autobahn-Routen und damit verbundene Umleitungen.

Damit der Unmut darüber möglichst gering bleibt, fordert der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie eine bessere Koordination von Baustellen. "Ich ärgere mich auch, wenn fünf Mal im Jahr die Straße aufgerissen wird: für die Telefonleitung, für das Wasser und dann für die Glasfaser", sagt Geschäftsführer Müller. "Das versteht kein Mensch. Wir brauchen bessere Planung." Und im Idealfall weniger Bürokratie. Damit aus der geplanten zehnjährigen Infrastrukturwende kein Projekt für die nächsten 20 oder 30 Jahre wird.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. März 2025 um 16:59 Uhr.