Ringen um bessere Tierhaltung Expertengremium stellt Arbeit ein
Eigentlich sollte die sogenannte Borchert-Kommission die Bundesregierung unterstützen, um in Deutschland eine bessere Nutztierhaltung zu schaffen. Doch nun löst sich das Gremium auf - Knackpunkt war der Streit um fehlende Fördermittel.
Nach rund vier Jahren Arbeit hat das "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" - eine Expertenkommission unter Vorsitz des CDU-Politikers und früheren Agrarministers Jochen Borchert - seine Arbeit niedergelegt. Der Entscheidung des Gremiums ging ein langer Streit um fehlende Finanzmittel voraus, um die Schritte hin zu einer besseren Tierhaltung in der Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die Kommission teilte ihren Entschluss in einem eigenen schriftlichen Statement mit. Darin erkennen deren Mitglieder zwar an, "dass in den letzten Monaten erste Schritte in Bezug auf Änderungen im Bau- und Umweltrecht" vorgenommen wurden, um eine bessere Haltung von Nutztieren zu ermöglichen. Auch bei der Kennzeichnung von tierischen Produkten habe es Fortschritte gegeben. Doch schaffe "die gegenwärtige Ausgestaltung für den Großteil der Landwirtschaft keine hinreichende Grundlage für einen Umbau". Das Gremium kritisiert in seinem Statement:
Die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks wurden somit weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen. Auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lässt den notwendigen Durchbruch nicht erkennen. Das Kompetenznetzwerk beendet deshalb seine Arbeit.
Finanzbedarf von bis zu fünf Milliarden Euro pro Jahr
Der Hauptstreitpunkt, der nun letztlich in dem Aus des Expertengremiums gipfelte, ist das Geld. Die Kommission setzte sich den eigenen Worten zufolge dafür ein, die Tierhaltung "schrittweise auf ein hohes und deutlich über EU-Standard hinausgehendes Tierwohlniveau" zu bringen. So empfahlen die Mitglieder der "Borchert-Kommission" unter anderem, den Bestand an Nutztieren zu reduzieren und eine sogenannte Tierwohlprämie einzuführen, also ein Preisaufschlag auf tierische Lebensmittel wie Fleisch.
Doch der Umbau der Nutztierhaltung nach den Plänen des Gremiums wäre teuer geworden - auch für den Bund, zumindest wenn es nach den Ratschlägen der Experten gegangen wäre. In ihren Empfehlungen von 2020 schätzte die Kommission die Kosten für den kompletten Umbau der Tierhaltung in Deutschland auf drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr - etwa für Umbauten und den Neubau von Ställen. Die Berater schlugen damals vor, dass den Erzeugern 80 bis 90 Prozent der entstehenden Mehrkosten ausgeglichen werden sollen.
"Kein Durchbruch" im aktuellen Haushaltsentwurf
In einem ersten Schritt kündigte die Bundesregierung schließlich an, eine Milliarde Euro in die Maßnahmen für mehr Tierwohl investieren zu wollen. Den Bundesländern war das allerdings viel zu wenig, vor allem weil die Förderung nur auf die Schweinezucht begrenzt wurde.
Und auch die Borchert-Kommission drängte wiederholt auf mehr Mittel für eine umfassendere Förderung. Und nun kritisierte das Gremium in seiner Stellungnahme, auch der von Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgelegte Haushaltsentwurf für das kommende Jahr lasse "keinen Durchbruch" erkennen, was die finanzielle Unterstützung des Umbaus angehe.
Özdemir sichert Engagement für weitere Förderung zu
Noch im Mai hatte auch Bundesagrarminister Cem Özdemir gemahnt, die zugesagte Milliarde Euro könne nur der Auftakt an Förderung sein. Und auch nach der Bekanntgabe der Expertenkommission, ihre Arbeit zu beenden, sicherte Özdemir in einer auf der Seite seines Landwirtschaftsministeriums veröffentlichten Stellungnahme zu:
Es ist klar, dass wir für die weiteren Schritte zusätzliche Mittel brauchen und dafür werde ich mich voll einsetzen. Investitionen in die Tierhaltung und in die Landwirtschaft sind Investitionen, die sich gleich mehrfach bezahlt machen, als Investitionen in das Tierwohl, für das Klima und für die Menschen in den ländlichen Räumen. Hier liegt der Ball beim Haushaltsgesetzgeber, dem Deutschen Bundestag.
Der Grünen-Politiker wies aber zugleich auf die bereits erreichten Fortschritte für eine "starke Tierhaltung" hin: die Verabschiedung des Tierhaltungskennzeichens beispielsweise oder die nationale Ausweitung der Herkunftskennzeichnung.
"Schallende Ohrfeige" für Agrarminister
Die von Borchert geleitete Kommission war 2019 unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingesetzt worden und bestand aus Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bedauerte die Entscheidung der Kommission als "falschen Schritt", der Lindner und dessen FDP daran erinnern müsse, den Umbau der Nutztierhaltung nicht weiter auf Kosten der Landwirtinnen und Landwirte zu blockieren.
Von einer "schallenden Ohrfeige" für die Politik Özdemirs sprach der CDU-Politiker Albert Stegemann. Die Regierung müsse ihrer Verantwortung für die Landwirtschaft gerecht werden und nicht nur Sonntagsreden halten.