Zehn Jahre "jugendschutz.net" Eltern sollten wissen, was ihre Kinder im Netz tun
Pornos, Gewalt, Belästigung durch Pädophile - seit zehn Jahren kämpft "jugendschutz.net" gegen jugendgefährdende Inhalte im Internet. Die größte Herausforderung dabei sei die Kontrolle von Community-Plattformen, sagt Justiziar Thomas Günther im Gespräch mit tagesschau.de.
Pornos, Gewalt, Belästigung durch Pädophile - seit zehn Jahren kämpft "jugendschutz.net" gegen jugendgefährdende Inhalte im Internet. Die größte Herausforderung dabei sei die Kontrolle von Community-Plattformen, sagt Justiziar Thomas Günther im Gespräch mit tagsschau.de.
tagesschau.de: Jugendschutz.net gibt es jetzt seit zehn Jahren. Was hat sich in dieser Zeit an Ihrer Arbeit verändert?
Thomas Günther: Grundsätzlich hat sich in dem Bereich des deutschen Internets relativ viel getan. Nehmen wir zum Beispiel den Kampf gegen anzügliche Fotos von Kindern und Jugendlichen, wir nennen das "Posendarstellung": Da hatten wir früher fast keine Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Erst 2003 wurde auch durch unsere Arbeit eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Wir sind gegen die Betreiber vorgegangen und jetzt sind solche Angebote im deutschen Bereich des Internets nicht mehr zu finden. Natürlich gibt es im Bereich Pornographie insgesamt noch immer sehr viele Angebote. Aber auch daran hat sich einiges verändert: Früher waren sie frei zugänglich, heute müssen die Nutzer solcher Seiten ihr Alter nachweisen, um sich einzuloggen. Als wir 1997 mit unserer Arbeit begonnen haben, war es auch völlig normal, dass wir ganz einfach auf rechtsextreme Angebote mit Hakenkreuzen und volksverhetzenden Inhalten gestoßen sind. Das hat sich mittlerweile auch eindeutig gebessert.
tagesschau.de: Aber sicherlich gibt es auch ganz neue Probleme, mit denen Sie am Anfang nicht konfrontiert waren?
Thomas Günther: Es gibt natürlich aktuelle Probleme, die damit zu tun haben, dass sich das Internet ständig und rasend schnell verändert. Am schwierigsten sind Plattformen, die Community-Charakter haben. Dabei stellt ein Anbieter selbst keine Inhalte mehr ins Netz, sondern bietet nur noch eine Plattform, auf die User eigene Inhalte stellen können. Das ist ein neues Phänomen, dass bei uns zu enormen Problemen bei der Kontrolle führt. Nicht nur, weil man die Anbieter der Inhalte schwer ausfindig machen kann, sondern alleine schon wegen der großen Masse, die man da findet.
tagesschau.de: Wie spüren sie in der großen Masse der Internetangebote überhaupt jugendgefährdende Inhalte auf?
Thomas Günther: Zum einen recherchieren wir selbst in Suchmaschinen oder auf großen Plattformen. Es gibt einschlägige Webangebote zum Beispiel im Bereich Rechtsextremismus, die relativ stabil sind und die jeder kennt. Dort schauen wir, ob neue Angebote jugendgefährdend sind. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass wir immer versuchen, aus dem Blickwinkel von Kindern daran zu gehen. Wir benutzen bei der Suche zum Beispiel Begriffe, von denen wir denken, dass sie Kinder und Jugendliche auch benutzen. Oder wenn es bestimmte Themen und Bereiche gibt, die für Jugendliche gerade besonders aktuell sind, dann schauen wir uns die Seiten dazu an. Wir überprüfen, ob sie harmlos sind aber auch, ob sie zum Beispiel auf jugendgefährdende Seiten verlinken. Außerdem haben wir eine Meldestelle. Unter hotline@jugendschutz.net können uns die User selbst Inhalte melden, die aus ihrer Sicht nicht jugendfrei sind.
tagesschau.de: Wie viele Meldungen bekommen Sie im Jahr?
Thomas Günther: Das ist eindeutig mehr geworden. Aktuell bekommen wir im Monat im Schnitt 600 Meldungen, die Mehrzahl aus dem pornographischen Bereich. Das liegt vor allem an der großen Masse der Angebote. Wir gehen allen Meldungen nach und finden im Jahr etwas mehr als 2000 Verstöße.
tagesschau.de: Und was tun Sie, wenn Sie einen Verstoß finden?
Thomas Günther: Wenn wir einen deutschen Verantwortlichen haben, dann ist das relativ einfach. Wir schreiben ihn an und fordern ihn dazu auf, die Inhalte von der Seite zu nehmen. Wenn er das nicht tut, geben wir den Fall an die Medienaufsicht oder die Staatsanwaltschaft ab. Im Ausland ist es deutlich schwieriger, weil wir relativ wenig Möglichkeiten haben, ein strafrechtliches Verfahren gegen jemanden im Ausland einzuleiten. Wir schreiben dann hauptsächlich die Internetprovider an und bitten sie, die Inhalte rauszunehmen. Natürlich verweisen wir dann auch auf deutsches Recht, aber außerdem meistens auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Darin haben viele Provider nämlich geregelt, dass zum Beispiel rassistische Inhalte bei ihnen nicht geduldet werden. Dann kommt es auf den Provider an. Manche unternehmen gar nichts, andere arbeiten gut mit uns zusammen.
tagesschau.de: Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen?
Thomas Günther: Es ist natürlich sinnvoll, zum Beispiel so genannte Filterprogramme auf dem eigenen PC zu installieren. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass es noch kein Filtersystem gibt, das ausreichend funktioniert. Das Internet ändert sich zu schnell. Neben diesen technischen Möglichkeiten sollten Eltern deshalb mit Kindern über die Gefahren des Internets sprechen. Sie dürfen ihre Kinder nicht vor den PC setzen und sich dann nicht mehr darum kümmern, was die Kinder dort machen. Wichtig scheint mir auch, nicht einfach nur zu drohen, nach dem Motto "wenn ihr irgendwelche bestimmten Inhalte seht und wir das mitbekommen, dann nehmen wir euch den PC weg!" Es ist einfach wichtig auch ein Ansprechpartner für die Kinder zu sein und ihnen zu sagen, wenn sie irgendwas Schlimmes sehen und wenn sie zum Beispiel in Chats belästigt werden, dass sie dann Bescheid sagen und die Eltern für sie da sind.
tagesschau.de: Welche, glauben Sie, werden Ihre großen Baustellen in den nächsten Jahren sein?
Thomas Günther: Vorhersagen sind schwierig, weil wir nicht wissen, wie sich das Internet entwickeln wird. Auf jeden Fall wird der ganze Community-Bereich die größte Herausforderung im Bereich des Jugendschutzes bleiben. Denn der wird noch weiter wachsen, das Angebot wird noch größer werden. Die zweite Herausforderung ist die internationale Verflechtung. Wir haben da schon vieles angestoßen und haben schon viele Netzwerke zu Organisationen im Ausland aufgebaut, die auch gegen Rechtsextremismus und Kinderpornographie vorgehen. Aber die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet muss noch weiter wachsen.
Das Interview führte Maren Rehse für tagesschau.de.