Sexualisierte Gewalt Neue Kampagne gegen Kindesmissbrauch
Vor allem im eigenen Umfeld sind Kinder und Jugendliche der Gefahr sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Eine neue Aufklärungskampagne soll Erwachsene dafür sensibilisieren und helfen, Missbrauch im Alltag besser zu erkennen.
Mit einer neuen bundesweiten Kampagne gegen sexualisierte Gewalt an Kindern wollen das Bundesfamilienministerium und die Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Kerstin Claus, mehr Bewusstsein für das Thema schaffen. Die Kampagne trägt den Titel "Schieb den Gedanken nicht weg!" und soll helfen, Missbrauch im Alltag besser zu erkennen.
Viele Menschen würden sexualisierte Gewalt in ihrem Umfeld verdrängen, erklärte Ministerin Paus bei der Vorstellung der Kampagne. Doch genau das dürfe nicht passieren. "Wir Erwachsene haben die Verantwortung, für Kinder da zu sein. Wir haben die Verantwortung, einen Verdacht nicht wegzuschieben, ihn nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern ihm nachzugehen", so die Grünen-Politikerin. Die Kampagne zeige, an wen man sich wenden und wie man helfen könne. Wichtig sei, dass man dafür kein Profi sein müsse.
Die Missbrauchsbeauftragte Claus betonte, die Vorstellung, dass sexualisierte Gewalt woanders stattfinde, diene der eigenen Beruhigung - könne aber auch blind machen. Nur wer Missbrauch als reale Gefahr erkenne, könne auch wirkungsvoll handeln.
"Und wenn es gar kein Fremder ist?"
Die Kampagne soll mit Aussagen wie: "Geh nicht mit Fremden mit! - Und wenn es gar kein Fremder ist?" oder "Mach niemandem die Tür auf! - Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?" gewohnte Denkmuster infrage stellen. Die Motive sind auf Plakaten, in Anzeigen und Spots in den Medien zu sehen.
In der polizeilichen Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 15.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch registriert - ein Anstieg um 6,3 Prozent im Vergleich zu 2020. Paus wies darauf hin, dass das Dunkelfeld, also die Zahl der Fälle, die nicht bekannt oder angezeigt würden, "ungleich größer" sei. Etwa drei Viertel der Fälle spielten sich im engsten sozialen Umfeld ab.
Einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Missbrauchsbeauftragten aus dem Jahr 2021 zufolge halten es 90 Prozent der Bevölkerung für wahrscheinlich, dass sexualisierte Gewalt vor allem in Familien stattfindet. Doch glauben zugleich 85 Prozent, dass es unwahrscheinlich oder ausgeschlossen ist, dass dies in der eigenen Familie passiert. An diesem Widerspruch setzt die Aufklärungskampagne an.
Auch politische Schritte angekündigt
Auch die Politik müsse mehr tun, um betroffene Kinder zu schützen, sagte Paus. Sie werde daher noch in dieser Legislaturperiode das Amt der Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch (UBSKM) auf eine gesetzliche Grundlage stellen, kündigte die Ministerin an. Ziel sei es, die rechtliche Stellung des Amtes und seine Aufgaben verbindlicher zu regeln. Zudem soll Paus zufolge eine regelmäßige Berichtspflicht an den Deutschen Bundestag etabliert werden.
Die neue Kampagne ist als mehrjähriges Projekt angelegt. Nach Angaben der Missbrauchsbeauftragten Claus stehen dafür in diesem und im kommenden Jahr 2023 Haushaltsmittel in Höhe von fünf Millionen Euro zur Verfügung. Ziel sei es, die Finanzierung auch 2024 und 2025 zu erreichen.
Neben der Verbreitung von Informationen sollen lokale Initiativen mit einem Kampagnenbüro gestärkt werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen - ein Forum des Bundes mit mehreren Arbeitsgruppen - soll die Arbeit unterstützen.