Interview

Foodwatch zum Verzehr von Klonfleisch Keine gesundheitlichen, aber ethische Bedenken

Stand: 21.01.2008 14:54 Uhr

Letzte Woche hat die US-Gesundheitsbehörde grünes Licht für den Verzehr von Klonfleisch gegeben, von der EU-Lebensmittelaufsicht kommen ähnliche Signale. Dass auch Verbraucherschützer keine Bedenken gegen dieses Fleisch hegen, dürfte allerdings viele irritiert haben.

Vergangene Woche hat die US-Gesundheitsbehörde FDA grünes Licht für den Verzehr von Klonfleisch gegeben und auch von der obersten EU-Lebensmittelaufsicht in Brüssel kamen ähnliche Signale. Dass allerdings auch Verbraucherschützer keine Bedenken gegen den Verzehr dieses Fleisches hegen, dürfte viele Menschen irritiert haben. tagesschau.de sprach mit Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch, über gesundheitliche Bedenken, ethische Einwände und kritische deutsche Verbraucher.

tagesschau.de: Die Behörden schalten sich zu einem Zeitpunkt ein, zu dem das Klonen von Tieren noch ein überschaubarer Prozess ist. Von welchen Dimensionen reden wir?

Matthias Wolfschmidt: In den USA gibt es zurzeit nach unserer Kenntnis etwa 800 bis 1000 Tiere, die mittels Klontechnik erzeugt worden sein sollen. Im Handel ist das Fleisch dieser Tiere bislang wohl nicht. Selbst wenn es bereits vermarktet worden wäre – man könnte nicht erkennen, welches Fleisch vom geklonten Tier stammt. Eine Kennzeichnung gibt es nicht. Im Augenblick reden wir also über eine sehr hypothetische Fragestellung.

tagesschau.de: Trotzdem wird das Thema recht umfassend behandelt...

Wolfschmidt: Das stimmt. Man fragt sich natürlich, warum die FDA einen 900 Seiten starken Bericht zu Fragen der Verzehrsfähigkeit und der Unbedenklichkeit solchen Klonfleisches auflegt. Und das, obwohl das Thema Klonen bei vielen Menschen die Alarmglocken klingeln lässt.

tagesschau.de: Welche Gründe stecken denn dahinter?

Wolfschmidt: Ich kann da nur spekulieren. Ein Grund ist sicher, dass es Anfragen und Anträge gegeben hat zum Einsatz dieser Klonierungstechniken bei Nutztieren. Und vermutlich gibt es auch erhebliche wirtschaftliche Interessen, diese Techniken einzusetzen – sei es nur, um besonders wertvolle Zuchttiere zu vervielfältigen.

Über Foodwatch

Foodwatch ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin. Geschäftsführer Thilo Bode - früher Chef bei Greepeace - hat die Organisation 2002 gegründet. Foodwatch fordert mehr Transparenz bei Lebensmitteln. Bode spricht in diesem Zusammenhang auch vom unmündig gemachten Verbraucher, dem der Zugang zu Informationen erschwert werde. Foodwatch will nach eigenen Angaben die Rechte der Verbraucher beim Thema Lebensmittel stärken. "Mit Recherchen, Kampagnen und vor Gericht kämpft Foodwatch für die Rechte der Verbraucher - und vor allem für Transparenz im Markt. Damit alle wissen, was sie essen", beschreibt der Verein sich auf seiner Internet-Seite selbst.

tagesschau.de: Auch foodwatch hat vergangene Woche erklärt, dass Sie keine Bedenken gegen den Verzehr von Klonfleisch haben. Viele Verbraucher dürfte das irritiert haben...


Wolfschmidt: Wir haben gesagt, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine gesundheitlichen Bedenken gegen den Verzehr von vervielfältigten Tieren haben. Es gibt unserer Auffassung nach keinen Grund anzunehmen, dass das Fleisch eine andere Qualität haben könnte. Ziel der Klonierungstechniken ist es ja gerade, ein zweites, drittes oder viertes möglichst identisches Exemplar eines Tieres zu erzeugen. Außerdem – und das wissen viele Menschen einfach nicht, die nicht aus der Branche kommen – ist die Tierzucht schon heute weit weg von dem, was sich die meisten Menschen unter natürlicher Fortpflanzung vorstellen.Schon längst befruchtet nicht mehr ein Bulle eine Kuh. Fast überall stehen die Bullen stattdessen auf so genannten Besamungsstationen. Dort wird ihr Samen portioniert und ist, in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad gelagert, nahezu unendlich lange haltbar. Das wird dann den Kühen eingesetzt. Ein Spitzenbulle kommt so heute locker auf etwa 50.000, eher sogar 100.000 Kälber. Mit natürlicher Fortplanzung hat das nicht mehr allzu viel zu tun. Und der Schritt, dann zu sagen, wir vervielfältigen diese Spitzentiere, erscheint gar nicht mehr so groß.

tagesschau.de: Haben Sie ethische Bedenken?

Wolfschmidt: Die haben wir, was den Tierschutz betrifft. Hier müssen wir uns einfach fragen, ob die verschiedenen Klonierungstechniken in der Tierzucht überhaupt vertretbar sind oder ob dadurch nicht mehr kranke Tiere erzeugt werden, die stärker leiden oder größere Schmerzen haben. Dafür gibt es ja durchaus Hinweise: So wird in Publikationen immer wieder darauf hingewiesen, dass bei vielen dieser Tiere bereits nach der Geburt Schäden auftraten – und das ist aus tierethischer Sicht sicher ein ganz wesentlicher Kritikpunkt.

tagesschau.de: In einer tagesschau.de-Umfrage hat vergangene Woche eine überwältigende Mehrheit der Leser geantwortet, sie würden keinesfalls Klonfleisch essen. Ist der deutsche Verbraucher einfach besonders kritisch?

Wolfschmidt: Beim Thema Klonen würden Sie wohl auch in Umfragen in den USA ein relativ ähnliches, ablehnendes Ergebnis bekommen. Das hat etwas mit unserem Weltbild zu tun: Man will einfach nicht akzeptieren oder befördern, dass der Mensch nahezu beliebig Individuen – also unteilbare Wesen! – vervielfältigen kann. Vor allem – auch das scheint mir nicht unwichtig – sieht man gar keine Notwendigkeit dafür. In Deutschland haben wir ja überhaupt kein Problem damit, auf herkömmlichem Wege ausreichend Fleisch zu erzeugen. Insofern ist es vielleicht auch eine ganz rationale Ablehnung der Menschen. Sie fragen sich, wozu wir eine solche Technologie brauchen, die erhebliche ethische und ökonomische Unwägbarkeiten birgt.

tagesschau.de: Auch in der Landwirtschaft oder in der Medizin gibt es Verfahren, in denen Menschen in die Natur eingreifen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel zum Beispiel stoßen in Deutschland nach wie vor auf Ablehnung. Nochmal die Frage: Sind die Deutschen besonders skeptisch?

Wolfschmidt: Ich glaube, man muss da differenzieren. Es wird wohl kaum noch jemand etwas gegen die Erzeugung von Humaninsulin aus gentechnisch veränderten Bakterien sagen. Dieses Insulin hat einfach enorme Vorteile gegenüber dem früher verwendeten Insulin von Schweinen. Andererseits gibt es nach wie vor große Vorbehalte gegen die so genannte Gentherapie. Diese wird uns seit 15 Jahren angepriesen, kann bis heute aber eigentlich keine nennenswerten Erfolge vorweisen. Auch in der Landwirtschaft sind gentechnisch veränderte Pflanzen nach wie vor umstritten. Die Menschen haben wohl verstanden, dass es da noch viele offene Fragen gibt: Was passiert zum Beispiel mit anderen Pflanzen? Was passiert mit Bodenmikroben, die solche veränderten Gene vielleicht in ihr eigenes Genom einbauen? Was passiert, wenn es irgendwann nur noch wenige patentierte Sorten gibt, die dann vielleicht auch noch in den Händen einiger weniger großer Unternehmen sind? Hier gibt es durchaus große Skepsis – da unterscheiden wir uns aber nicht von anderen Europäern.

Das Interview führte Andrea Krüger, tagesschau.de