Besetzung des Dorfes Polizei räumt Lützerath
Die Polizei hat ihr Aufgebot verstärkt und alle Personen aufgefordert, Lützerath zu verlassen. Gleich zu Beginn der Räumung kam es zu Rangeleien. Steine und Pyrotechnik seien in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden, so die Polizei.
Die Polizei hat die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleortes Lützerath begonnen. "Der Bereich wird umzäunt. Personen im abgesperrten Bereich haben aktuell die Möglichkeit, den Ort ohne weitere polizeiliche Maßnahmen zu verlassen", schrieb die Polizei Aachen auf Twitter.
Vor Ort setzte die Polizei den Demonstrierenden Fristen. "Wer will jetzt noch den Ort verlassen? Wer bleibt, muss mit einer Strafanzeige rechnen", sagte ein Polizist zu Aktivisten, wie der WDR berichtet. Es gebe nun noch eine letzte Möglichkeit, den Ort freiwillig zu verlassen. Andernfalls "müssen Sie mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechnen", hieß es laut Nachrichtenagentur dpa in einer Durchsage der Polizei.
Erste Aktivisten folgten der Aufforderung und gingen freiwillig. Sie wurden von Polizisten vom Gelände eskortiert. Viele wollen aber weiter Widerstand leisten. Vor Ort erklärten Klimaaktivisten, unter anderem mit Menschenketten und Barrikaden den Einsatz behindern zu wollen.
Der Polizei Aachen zufolge kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen: Steine und Pyrotechnik wurden in Richtung der Einsatzkräfte geworfen und weitere gelagerte Wurfgeschosse gefunden. "Unterlassen Sie sofort das Werfen von Molotow-Cocktails", schrieb sie auf Twitter. Dort appellierte sie sich friedlich zu verhalten und die Anweisungen der Einsatzkräfte zu befolgen.
Währenddessen hat das Verwaltungsgericht Aachen in zwei Eilverfahren die Rechtmäßigkeit der Verfügung bestätigt, die der Räumung des Weilers für den Braunkohleabbau dienen soll. Damit sind die Klimaschützer erneut mit Eilanträgen gegen das Aufenthalts- und Betretensverbots vor Gericht gescheitert. (AZ.: 6 L 16/23 und 6 L 17/23).
Sirenen und Alarmglocken
Zuvor waren bereits Sirenen und Alarmglocken in dem besetzten Ort zu hören gewesen. Einige Aktivisten kletterten auf hohe Monopods und Tripods - das sind zusammengebundene Stämme mit Plattformen. Sie wurden in den vergangenen Tagen errichtet, um es der Polizei möglichst schwer zu machen, an die Aktivisten heranzukommen.
Am frühen Morgen hatte die Polizei vor Ort das Aufgebot verstärkt. Zuvor sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach zum Einsatz: "Wir planen mit bis zu vier Wochen, hoffen aber, dass es nicht ganz so lange dauert."
Innenminister besorgt um Sicherheit der Polizei
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich in der "Rheinischen Post" besorgt um die Sicherheit der Polizei: "Wir haben in Lützerath einen gewissen Anteil an gewaltbereiten Aktivisten." Ihre Anzahl schwanke aktuell täglich. Daher sei ein solcher Einsatz für die Polizei immer gefährlich.
Zwar seien die Frauen und Männer gut geschult und ausgebildet, Vorsicht sei dennoch das Gebot dieser Tage. "Wir wissen nicht, was die Polizistinnen und Polizisten in den Häusern in Lützerath erwartet", erklärte Reul. Man wisse nicht, ob es Fallen oder andere Barrikaden gebe, die von außen nicht zu sehen seien.
Der Energiekonzern RWE kündigte unterdessen an, mit dem "Rückbau" des Ortes Lützerath zu beginnen. "Als eine der ersten Maßnahmen wird aus Sicherheitsgründen ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt", teilte der Konzern mit. "Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden. Zudem werden Bäume und Sträucher entfernt."
Die Räumung des Protestdorfs ist nach Einschätzung des Polizeipräsidenten Weinspach einer der herausforderndsten Einsätze der vergangenen Jahre. Der Einsatz solle so deeskalierend wie möglich durchgeführt werden, sagte Weinspach bei einer Informationsveranstaltung am Dienstagabend. Die Aachener Polizei erhält dafür Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet.
Blick aufs Podium der Informationsveranstaltung: Etwa 300 Bürger und Aktivisten kamen, Polizeipräsident Weinspach (links) und Landrat Pusch (Mitte) beantworteten Fragen.
Aufgeheizte Stimmung unter Aktivisten und Anwohnern
Bei der Informationsveranstaltung meldeten sich unter den rund 300 Teilnehmern vor allem Vertreter örtlicher Klimaschutz-Initiativen zu Wort, die den Tagebau strikt ablehnen. Sie forderten angesichts des bevorstehenden Räumungsbeginns ein Moratorium und zogen die Gutachten in Zweifel, auf die sich die Inanspruchnahme des Ortes für den Braunkohletagebau stützt. Anwohner der Nachbardörfer beschwerten sich über Hubschrauber der Polizei, die dicht über ihre Häuser flogen. Auch das Auftreten eines privaten Sicherheitsdienstes wurde kritisiert.
Die Stimmung unter den Klimaaktivisten vor Ort war zuletzt aufgeheizt. Die Polizei hatte dort am Dienstag ihre Vorarbeiten fortgesetzt und von den Protestgruppen errichtete Barrikaden auf der Straße zu dem Ort abgeräumt. Dabei habe es sich aber nicht um den Räumungsbeginn gehandelt, schrieben die Einsatzkräfte auf Twitter. Die Klimaaktivisten bildeten Menschenketten und richteten eine Sitzblockade ein. Mehrere Hundert Demonstranten sind vor Ort.
"Wir lassen uns aber nicht wegdrängen"
In Lützerath leben seit Monaten Klimaaktivisten in leerstehenden Häusern. Mit anderen angereisten Aktivisten wollen sie sich der Räumung entgegenstellen. "Die Polizei ist jetzt massiv vorgerückt und hat massiv gedrückt", sagte Johanna Inkermann von der Initiative "Lützerath lebt". "Wir lassen uns aber nicht wegdrängen. Es ist eine extrem dynamische Situation."
Aktivisten haben etwa 25 Baumhäuser errichtet, einige davon in großer Höhe. Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegene Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden.