Vorschlag bei EU-Innenministertreffen in Dresden Schäuble will EU-weite Fahndung mit Gendaten

Stand: 15.01.2007 16:58 Uhr

Die EU-Mitgliedsstaaten wollen bei der Fahndung nach Schwerverbrechern vermehrt auf Gendaten zugreifen. Ein entsprechender Vorschlag von Innenminister Schäuble fand "breite Zustimmung". Schäuble schloss zudem nicht aus, die Gendatenbestände auch US-Behörden zugänglich zu machen.

Die Europäische Union will die Fahndung nach Mördern und Sexualverbrechern künftig über eine Vernetzung ihrer Gendatenbanken verbessern. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble fand bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Dresden nach eigenen Worten eine "breite Zustimmung" für dieses Projekt, das aber noch im Frühstadium ist. Es ist das erste Treffen der EU-Innenminister seitdem Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne hat.

Schäuble schloss zudem nicht aus, dass Deutschland seine polizeiliche Gendatenbank künftig auch für die USA öffnen könne. Ein Anstoß dafür sei im September von US-Vertretern ausgegangen, sagte der Minister. Damit könnten etwa Terrorverdächtige aufgespürt werden, die im Bundesgebiet untertauchen.

"Ein riesiges Meer an Erkenntnismöglichkeiten"

Schäuble unterstrich, eine europaweite Vernetzung von Gendatenbanken biete "ein riesiges Meer an Erkenntnismöglichkeiten und an Präventionsmöglichkeiten". Nach der Vorstellung des Ministers sollen Ermittler aus einem EU-Staat damit erstmals Zugriff auf Gendaten oder digitale Fingerabdrücke von Verdächtigen in allen anderen EU-Staaten erhalten. Voraussetzung dafür wäre ein bereits laufendes Ermittlungsverfahren.

Austausch von Gendaten
Mit Österreich und Spanien tauscht Deutschland seit Ende 2006 Gendaten bei der Verbrechensbekämpfung aus. Mit vier weiteren EU-Staaten - darunter Frankreich und die Niederlande - soll dies möglichst ab dem Frühjahr 2007 geschehen. Vier weitere Länder - darunter Italien und Slowenien - wollen sich anschließen. Nach einem vertraulichen Papier des Bundesinnenministeriums, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, hat der Gendaten-Abgleich zwischen Deutschland und Österreich zu fast 3000 Treffern geführt. Davon entfallen 32 Treffer auf Fälle von Mord und Totschlag und 23 weitere auf Vergewaltigung und andere Sexualdelikte.

EU-Justizkommissar Franco Frattini begrüßte den deutschen Vorstoß und kündigte an, bereits im Februar einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission vorzulegen. Vier EU-Staaten zeigten sich in Dresden dagegen skeptisch über Schäubles Initiative. Großbritannien, Polen, Irland und Tschechien fürchten hohe Kosten für die Modernisierung ihrer Datenbanken.

FDP sieht Freiheitsrechte in Gefahr

In Deutschland stieß Schäubles Idee bei der FDP auf Ablehnung. Die Diskussion bei den EU-Innenministern in Dresden zeige, "welchen geringen Stellenwert Bürgerrechte und Datenschutz in der Innen- und Rechtspolitik der EU einnehmen", kritisierte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar pocht auf einen "hohen Datenschutz-Standard auf europäischer Ebene". Allerdings habe er im Grundsatz keine Bedenken gegen einen verstärkten Austausch personenbezogener Daten zwischen den europäischen Justiz- und Strafverfolgungsbehörden, erklärte er in Bonn.

EU-Staaten wollen Scheidungsrecht vereinfachen

Die Vertreter der 27 EU-Staaten entschieden in Dresden auch, Scheidungen und Erbschaften über die Grenzen hinweg vereinfachen zu wollen. Nur in Details gingen die Meinungen noch auseinander, sagte Justizministerin Brigitte Zypries. Demnach soll es einheitliche Kriterien geben, welches Gericht für eine Rechtssache zuständig ist und welches Recht angewandt werden soll. Bisher sei das bei Scheidungen völlig offen. Ehepartner könnten dies nicht einmal im Ehevertrag vorab festlegen.

Frontex soll gestärkt werden

Frattini appellierte unterdessen an die Mitgliedstaaten, die Grenzschutzbehörde Frontex im Kampf gegen den Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus Afrika stärker zu unterstützen. Bis zur neuen Flüchtlingswelle im Frühjahr brauchten die Grenzschützer unbedingt Schiffe und Hubschrauber, um eingreifen zu können. Deutschland will eine Unterstützung nach Angaben aus Regierungskreisen prüfen.