
Baden-Württemberg Wie sich die Uniklinik Ulm auf einen militärischen Konflikt einstellt
An der Uniklinik Ulm gibt es erste Notfallkonzepte für den Fall eines Angriffs auf NATO-Gebiet. Die Ärzteinitiative "ippnw" hält die Art der Diskussion allerdings für "schädlich".
Die Uniklinik Ulm bereitet sich routinemäßig auf einen Massenanfall von Verletzten vor - auch im militärischen Zusammenhang, wie der Leitende Ärztliche Direktor, Prof. Udo Kaisers, am Freitag bestätigte. Im Stuttgarter Innenministerium wurde zeitgleich über die "Zivile Verteidigung" und die "Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik" diskutiert. Es gibt jedoch auch Mediziner, die die verwendete Rhetorik für gefährlich halten.
Damit machen wir den Krieg aber wieder wahrscheinlicher. Dr. Martin von Wachter, Aalener Regionalsprecher der ippnw, über die Diskussion um "Kriegstüchtigkeit"
Nein, eine konkrete Vorbereitung auf den Verteidigungsfall gebe es nicht an der Universitätsklinik Ulm, sagte der Leitende Ärztliche Direktor, Prof. Udo Kaisers, am Freitag im SWR-Interview. Aber: Die Unikliniken müssen auf "alle Eventualitäten" vorbereitet sein. "Und das können auch Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts sein, von dem wir alle hoffen, dass er nicht eintritt."
Vorbereitung auf den Ernstfall: Im Innenministerium haben sich am Freitag Vertreter der Bundeswehr, der Kommunen und des Verteidigungsministeriums getroffen:
Operationsplan für den Verteidigungsfall in BW
Udo Kaisers spricht in diesem Fall nicht nur für sein eigenes Haus, sondern für alle vier Unikliniken im Land. Routinemäßig werde der sogenannte Massenanfall von Verletzten, kurz: MANV, geübt. "Es gibt richtig praktische Übungen zu den Themen", so Kaisers. "Da gibt es Klinik-Alarmpläne, mit denen das Personal aktiviert wird, um dann in einer großen Anzahl betroffene Patienten zu versorgen".

Routinemäßig bereitet sich die Universitätsklinik Ulm auf den MANV vor, den Massenanfall von Verletzten. Im Zuge dieser Szenarien werden auch "Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts" durchgespielt.
Unikliniken wappnen sich auch gegen Cyberangriffe
Zur Vorbereitung auf Katastrophenfälle gehört indessen mehr als die medizinische Versorgung. Es gehe auch um die Widerstandsfähigkeit des Systems der Unikliniken, meint Kaisers. Stichwort: Digitaltechnik. "Sie werden verfolgt haben, dass auch Krankenhäuser zum Beispiel von Cyberangriffen betroffen sind." Dies sei eine "Frage, die uns in der Zukunft sehr stark beschäftigen wird".
Das können auch Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts sein, von dem wir alle hoffen, dass er nicht eintritt. Udo Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik Ulm
Dr. Martin von Wachter ist Leitender Oberarzt für Psychosomatik am Ostalbklinikum in Aalen, Autor und Regionalsprecher der Ärzteorganisation "ippnw". Als Sprecher dieser Vereinigung hält er die aktuelle Rhetorik für fatal:
"Es gehört ja zur 'Kriegstüchtigkeit', dass die zivilen Krankenhäuser den Militärfall unterstützen. Und damit machen wir den Krieg aber wieder wahrscheinlicher", sagt von Wachter. Die Kriegssprache, die man in den Medien höre, Begriffe wie "kriegstüchtig werden", befördere die Eskalation.
"ippnw"-Sprecher weist auf "Kriegslogik" hin
Die ippnw hingegen setze auf Deeskalation, auf Verhandlung, auf diplomatische Lösungen. Von Wachter kritisiert auch, dass Krankenhäuser militärische Konfliktszenarien durchspielen. "Es gibt durchaus die Gegenposition, die sagt: nein! Die Krankenhäuser bleiben zivile Einrichtungen und lassen sich nicht reinziehen in diese Kriegslogik."
Der Aufmarsch - der stattfinden muss, bevor es zum ersten Schuss kommt, damit es abschreckend wirkt - der wird zu 99 Prozent durch Deutschland gehen. Landeskommandeur Michael Giss
Kommandeur: 800.000 Soldaten für wirkungsvolle Abschreckung
Der Chef des Landeskommandos Baden-Württemberg, Kapitän zur See Michael Giss, betrachtet das Thema aus militärischer Sicht. Sollte es zu einer Eskalation an der Nato-Ostflanke kommen, hätte dies nach Einschätzung von Giss auch spürbare Auswirkungen auf Baden-Württemberg.
"Der Aufmarsch, der stattfinden muss, bevor es zum ersten Schuss kommt, damit es abschreckend wirkt, der wird zu 99 Prozent durch Deutschland gehen", so Giss. "Um eine wirkungsvolle Abschreckung gegen die russische Armee darzustellen, rechnen wir als Hausnummer mit 800.000 Soldaten in relativ wenigen Wochen."
ippnw sieht Verhandlungschance
Die "ippnw" hält dagegen: "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, Öl ins Feuer zu schütten, sondern zu gucken, wo kriegen wir noch Verhandlungen hin?", sagt von Wachter. Im aktuellen diplomatischen Geschehen sieht der Aalener Arzt eine Chance: "Es gibt Annäherung. Ob die nun zum Ziel führt, können wir gar nicht beurteilen. Aber es gibt diese Gespräche, und das müssen wir nutzen."
Sendung am Fr., 4.4.2025 16:30 Uhr, SWR4 BW Studio Ulm