Bayern Live um 16.00 Uhr: Streit um Asylrecht - Bund vs. Länder
Die Messerattacke von Aschaffenburg hat die Abschiebe-Debatte wieder angeheizt. EVP-Chef Weber fordert eine europäische Lösung. Der Bund pocht dagegen auf nationales Recht - während die Länder Aktionismus beklagen. Dazu um 16.00 Uhr ein BR24live.
Aus Sicht der Christdemokraten in Europa braucht es dringend eine europäische Lösung im Umgang mit Migranten aus Afghanistan. Das hat EVP-Chef Manfred Weber deutlich gemacht - nach der Messerattacke von Aschaffenburg mit zwei Toten, verübt durch einen psychisch kranken Afghanen.
Weber: "Zeit der Debatten muss endlich vorbei sein"
Die EU müsse jetzt umgehend mit afghanischen Behörden sprechen, sagte Weber der "Welt"(externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Nach seinen Worten müssen Asylsuchende, die schwere Straftaten begangen haben, und auch Gefährder konsequent abgeschoben werden, auch nach Afghanistan.
Die Zeit der Debatten müsse endlich vorbei sein, verlangt der EVP-Chef: "Wir brauchen schnellstmöglich Abschiebezentren und eine verbindliche Abschiebeverordnung."
Mützenich warnt vor Stimmungsmache im Wahlkampf
Webers Ausführungen folgen auf Forderungen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder nach weitreichenden Verschärfungen in der Asylpolitik. In der SPD schüttelt man darüber eher den Kopf. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Rolf Mützenich, sagte der "Augsburger Allgemeinen"(externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt): "Punktekataloge, vermeintlich starke Worte, schnelle Forderungen werden weder dem Leid der Opfer noch den trauernden Eltern, Angehörigen und Freunden gerecht."
Er warne davor, "vollmundige Ankündigungen zu machen", so Mützenich weiter, "die nicht nur praxisuntauglich sind, sondern auch gegen internationales Recht verstoßen".
Der SPD-Politiker verwies darauf, dass die Gesetze "erst vor kurzem verschärft" worden seien - als Konsequenz auf die Messerattacke von Solingen. "Wenn sich dennoch herausstellen sollte, dass rechtlich nachgeschärft werden muss, dann können wir das noch vor der Wahl tun."
Reul beklagt "Nebelkerzen-Aktionismus"
Auch dem CDU-Mann Herbert Reul missfällt offensichtlich so manche politische Reaktion auf das Geschehen in Aschaffenburg. Der nordrhein-westfälische Innenminister spricht von "Nebelkerzen-Aktionismus, der keinem was bringt". Es mache ihn fassungslos, "wenn sich kurz danach hoch dotierte Amtsträger hinsetzen und am polierten Besprechungstisch irgendwelche Maßnahmen besprechen", sagte Reul dem "Kölner Stadt-Anzeiger"(externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).
Nach seinen Worten ist jetzt erst einmal "Zeit der Ermittlerinnen und Ermittler, die den Fall bis ins Kleinste aufarbeiten werden". Diese Zeit müsse man der bayerischen Polizei lassen, um danach zu sehen, was man ändern könne, so Reul. Er betont allerdings auch: In Sachen Abschiebungen habe die Politik "in den letzten Jahren geschlafen und wichtige Maßnahmen nicht angepackt".
Frei: Notfalls nationales über europäisches Recht stellen
Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) verteidigt derweil die von Friedrich Merz angekündigte härtere Gangart bei der Migration. Es nutze nichts, wenn in Deutschland Grenzkontrollen erfolgten, "aber jeder, der das Wort Asyl sagt, dann trotzdem nach Deutschland kommt", sagte Frei am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Nötig seien Zurückweisungen. Dies ist nach Freis Ansicht vom Grundgesetz gedeckt. Notfalls, so Frei, müsse auch nationales Recht über EU-Recht gestellt werden. Die sogenannte Dublin-III-Verordnung sei "dysfunktional". Deutschland sei "das einzige für Migration relevante Land in Europa, das sich noch daran hält". Frei weiter: "Wenn europäisches Recht offensichtlich nicht funktioniert, dann muss nationales Recht gelten".
Wüst: "Das Dublin-System ist dysfunktional"
Dem pflichtete Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) teilweise bei, als er erklärte: "Das Dublin-System ist dysfunktional". Wüst verlangte europaweite Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik. Das Dublin-Abkommen, das Rückführungen von Flüchtlingen in das EU-Land ihrer ersten Registrierung ermöglicht, müsse konsequenter angewendet werden, sagte er in Düsseldorf. "Ziel muss sein, dass die europäischen Systeme funktionieren", erklärte der Ministerpräsident. Bislang gebe es Probleme sowohl bei der Rückführung, weil es zu viele Hindernisse für Abschiebungen gebe, als auch Lücken bei der Registrierung von Flüchtlingen, die von der EU-Außengrenze einreisen wollten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon gestern erklärt, dass das Dublin-System nicht mehr funktioniere.
Am Montag soll es nun eine Sonder-Innenministerkonferenz geben. Nach Angaben eines Sprechers der Bremer Innenbehörde, wo derzeit der Vorsitz für die Innenministerkonferenz liegt, soll das Gespräch der Ressortchefs und -chefinnen von Bund und Ländern in Form einer Videoschalte stattfinden.
Linke kritisiert Abschiebedebatte
Grundsätzliche Kritik an der aktuellen Abschiebe-Debatte kommt dagegen aus der Partei "Die Linke". Deren Co-Parteivorsitzender Jan van Aken merkte im Sender phoenix an, es dürfe nach Ereignissen wie in Aschaffenburg in der öffentlichen Diskussion nicht um Abschiebungen gehen: "Das ist doch keine Asylfrage. Das ist doch eine Frage, wie gehen wir mit psychisch kranken Gewalttätern um." Statt Lösungen für den Umgang mit hochtraumatisierten Menschen aus Kriegsgebieten zu entwickeln, werde das Thema politisch ausgenutzt, "um gegen Ausländer zu hetzen". Van Aken dazu: "Das ist völlig verfehlt." Denn: "Gegen psychisch kranke Gewalttäter hilft kein Abschiebegewahrsam."
Mit Informationen von dpa, epd und AFP.
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Quelle: BR24 im Radio 24.01.2025 - 07:30 Uhr