
Berlin Berlin: Mitarbeiter der landeseigenen Theater fürchten Privatisierung
Noch hat Berlin fünf landeseigene Bühnen, doch damit könnte bald Schluss sein. Aktuell wird über eine Neuorganisation gesprochen. Die Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs. Von Nathalie Daiber, Tina Friedrich und Anne Kohlick
An den Berliner landeseigenen Bühnen geht die Angst um. Es geht dabei vor allem um die Volksbühne, das Deutsche Theater, das Maxim-Gorki-Theater und das Theater an der Parkaue. Für diese Bühnen wird derzeit ein Wechsel der Rechtsform diskutiert, wie aus einer E-Mail der Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson (parteilos) hervorgeht. Die Mail liegt dem rbb vor.
Auf eine rbb-Anfrage zu diesem Schreiben antwortet die Senatskulturverwaltung verhalten. Weder wird die Existenz der E-Mail bestätigt, noch wird sie dementiert. Aktuell laufe der Kulturdialog zwischen Senat und den Theatern, heißt es in der Antwort an das Kulturrecherche-Team und die Redaktion rbb24 Recherche. Die Gespräche dauerten an.

Bühnen als gGmbH oder Stiftung
Adressiert ist die brisante E-Mail von Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson nicht nur an die Leitungen aller vier Schauspielbühnen, die sich noch im Besitz des Landes Berlin befinden. Angeschrieben wurden auch die Chefs des Berliner Ensembles und der Schaubühne, die beide als rechtlich selbstständige gemeinnützige GmbH geführt werden.
Aktuell soll nach Informationen des rbb auch die Überführung der vier landeseigenen Schauspielbühnen in solche gemeinnützige GmbH oder in eine Stiftung diskutiert werden. Auch für das landeseigene Konzerthaus soll ein Wechsel der Rechtsform im Gespräch sein.

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Zusammenlegung von Werkstätten und Verwaltung
Laut der E-Mail der Kulturstaatssekretärin soll auch geprüft werden, wo für die Theater sogenannte "Shared Services" möglich sind - also Abteilungen zusammengelegt werden könnten.
Denkbar wäre ein Zusammenschluss aller Theaterwerkstätten im bereits bestehenden "Bühnenservice". Er gehört zur Stiftung "Oper in Berlin" und bündelt die Werkstätten der Berliner Opernhäuser und des Staatsballetts.
Auch das Deutsche Theater und das Theater an der Parkaue lassen dort bereits große Teile ihrer Kostüme und Bühnenbilder herstellen. Damit stünde die Existenz der bislang hauseigenen Werkstätten an der Volksbühne und am Maxim Gorki Theater zur Debatte. Auch für Depots, Logistik und die Verwaltung der Theater soll eine Zusammenlegung im Gespräch sein.

Beschäftigte fürchten um ihre Jobs
Was diese Veränderungen konkret für die Theaterbeschäftigten bedeuten würden, ist noch unklar. Eine Beschäftigte, die an einem der landeseigenen Theater arbeitet und die Debatte verfolgt, fürchtet, dass es vor allem darum gehe, die Angestellten "aus den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes" herauszulösen. Die Beschäftigte möchte anonym bleiben, ihre Identität ist dem rbb bekannt. "Ich werde mich wohl daransetzen, Bewerbungen zu schreiben, dabei liebe ich meinen Job beim Theater", sagt sie.
Sie kritisiert, dass bisher noch niemand mit den Personalvertretungen der landeseigenen Theater über die Reformpläne gesprochen habe: "Warum ist die Politik so intransparent? Wann wird mit uns geredet, die wir an den Bühnen arbeiten?"

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Personalvertretungen außen vor
Bisher sind an den vier landeseigenen Theatern sowie am Konzerthaus rund 1.100 Mitarbeitende nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) beschäftigt. Wie die Gewerkschaft Verdi bestätigt, hat mit deren Personalvertretungen tatsächlich bislang niemand gesprochen. Bezirksleiterin Andrea Kühnemann kritisiert eine mangelhafte "Kommunikation und Transparenz" und befürchtet "betriebsbedingte Kündigungen und sich verschlechternde Arbeitsbedingungen", sollten die Theater aus dem Landeseigentum entlassen werden.
Arbeitsrechtlich gebe es jedoch einige Hürden, Menschen, die bisher nach TV-L beschäftigt sind, einfach aus diesen Verträgen zu entlassen, sagt Arbeitsrechtsanwalt Sebastian Baunack. So müssten bei einem regulären Betriebsübergang die bestehenden Verträge übernommen werden. Andernfalls muss das Berliner Abgeordnetenhaus ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten. "Darin würden dann der Übergang und auch die Übernahme der Beschäftigten geregelt", sagt er. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Verdi mit dem Senat einen Überleitungstarifvertrag verhandelt.

Opposition erwartet keine Effizienzsteigerung
Die aktuelle Diskussion wird vor dem Hintergrund der drastischen Sparmaßnahmen geführt, die der Senat der Berliner Kulturlandschaft verordnet hat. Auf rbb-Anfrage betont die Senatskulturverwaltung, der Kulturdialog zwischen dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und den Bühnen sei ein "offenes Gesprächsformat, in dem unterschiedlichste Ideen angesprochen werden". Noch gebe es keine Ergebnisse.
Dass ein Wechsel der Rechtsform - weg vom landeseigenen Theaterbetrieb - zu mehr wirtschaftlicher Effizienz führen würde, bezweifelt Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. "Wir kennen in Berlin Bühnen, die nach der Landeshaushaltsordnung organisiert sind. Wir kennen welche, die privatrechtlich organisiert sind. Wir kennen Stiftungen", sagt er. "Sie alle machen einen guten Job." Es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Rechtsform und der Frage der Wirtschaftlichkeit.
Kulturpolitikerin Manuela Schmidt (Linke) kritisiert den Senat dafür, die landeseigenen Bühnen auslagern zu wollen. "Es wäre genau das Gegenteil von einem Kulturverständnis der Teilhabe, das wir in Berlin aufgebaut haben", sagt sie. Niemand von den Landesbeschäftigten an den Theatern könne gezwungen werden, den öffentlichen Dienst zu verlassen. Das sei schon 1993 so gewesen, als Berlin das landeseigene Schillertheater abwickelte. "Wir haben heute noch Mitarbeitende aus dem Schillertheater bei uns, die damals nicht zu freien Bühnen wechseln wollten", sagt Manuela Schmidt.
Immer weniger Theater als öffentliche Eigenbetriebe
Seit dem Beginn der 1990er Jahre hat sich die Anzahl öffentlicher Theater in Deutschland, die privatrechtlich organisiert sind, mehr als verdoppelt: Von 20 Prozent stieg der Anteil auf 45 Prozent im Jahr 2022. Parallel dazu nahm die Zahl der Bühnen ab, die sich in öffentlichem Besitz befinden und von der Kommune oder dem Land in der Rechtsform Regie- oder Eigenbetrieb geführt werden.
Die Umwandlung von Theatern in GmbH hat in Berlin eine unrühmliche Geschichte. Das Metropol, damals ein Operetten-Theater, war 1996 aus dem Landesbesitz an den Sänger René Kollo übergeben worden. Schon im Folgejahr war die GmbH pleite – und die Rechtsform bei Berliner Theatern seitdem mit Insolvenzgefahr konnotiert.

Kurswechsel in der Kulturpolitik
Dass die schwarz-rote Koalition nun wohl wieder über Privatisierungen von Bühnen im großen Stil nachdenkt, bedeutet einen radikalen Kurswechsel in der Kulturpolitik. Der damalige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) strebte 2023 noch eine unmittelbare Trägerschaft des Landes Berlin für das als GmbH geführte Berliner Ensemble an. Dazu kam es jedoch nicht: Die rot-grün-rote Koalition wurde vorher durch die heutige schwarz-rote abgelöst.
In der kommenden Woche soll nach Angaben des Senats bei einem weiteren Termin zwischen den Theaterleitungen und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) besprochen werden, wie es mit den landeseigenen Bühnen weitergehen soll.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Beitrags hatten wir in der Überschrift davon gesprochen, dass Berlin eine Privatisierung von landeseigenen Theatern prüft. Laut einer aktuellen Mitteilung der Senatskulturverwaltung wird eine Privatisierung landeseigener Theater derzeit nicht geprüft. Richtig sei aber, dass mögliche Rechtsformen wie öffentliche Stiftungen im Gespräch seien.
Sendung: rbb24 Abendschau, 04.04.25, 19:30 Uhr