Bar Jeder Vernunft: Tim Fischer singt Hildegard Knef – Na und © Tine Acke

Berlin Interview: Tim Fischer und seine Faszination für "die Knef"

Stand: 12.03.2025 11:45 Uhr

Der Berliner Chansonnier Tim Fischer singt Hildegard Knef in der Bar Jeder Vernunft. Im Gespräch erzählt er, warum ihre Musik nicht nur ihn selbst bis heute fasziniert - und was die Künstlerin gewissermaßen unsterblich macht.

rbb: Tim Fischer, wie hat das bei Ihnen mit Hildegard Knef angefangen?
 
Tim Fischer: Meine erste akustische Begegnung mit Hildegard Knef hatte ich mit ungefähr fünf Jahren. Damals kamen unsre neuen Nachbarn auf einen Begrüßungsdrink vorbei. Ich saß auf dem Sofa, kurz vor dem Zubettgehen, und fand meine Nachbarin mit ihrem blondgefärbten Haar so toll, dass ich danach oft zu ihr rübergegangen bin. Eines Tages hat sie gesagt, "so Tim und jetzt bringe ich dir bei, wie man Walzer tanzt", und hat eine Platte von Hildegard Knef aufgelegt. Es lief das Lied "Eins und Eins das macht Zwei" und wir fegten dazu durch die Stube. Dieses Lied hat mir so imponiert, dass ich dann begonnen habe, mich für Hildegard Knef zu interessieren und habe dann festgestellt, dass sie ihre besten Songtexte selbst geschrieben hat, dass sie Autorin war, eine tolle Schauspielerin und auch eine tolle Interpretin. Also habe ich eigentlich schon in jungen Jahren den Hut vor ihr gezogen.

Ella Fitzgerald soll angeblich gesagt haben, Hildegard Knef sei die beste Sängerin ohne Stimme.
 
Ich glaube, Beweise dafür gibt es nicht. Aber es kann durchaus sein, dass sie das gesagt hat. Die Künstler damals haben sich ja auch in kleinen Clubs getroffen, genau wie es heute noch der Fall ist, und die Knef hat sehr, sehr lange am Broadway gespielt, in dem Cole Porter Musical "Silk Stockings", und hat da viele Berühmtheiten kennengelernt.

Wie nähern Sie sich ihr als Interpret?

Auf ganz unterschiedliche Weise. Jeder hat bei ihr ein ganz anderes Bild im Kopf. Sie ist eine Frau mit sehr vielen künstlerischen Gesichtern. Aber neben diesem wahnsinnigen Erscheinungsbild des Stars Hildegard Knef hat mir besonders an ihr imponiert, dass sie offen zu ihren Niederlagen gestanden hat. Ich hatte sogar das Gefühl, dass ihr dieser menschliche Aspekt immer sehr wichtig geblieben ist. Das hat mich berührt. Und das ist eigentlich das, was wir auch in unserem Konzert, ihr zu Ehren, rüberbringen wollen.

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Wenn wir noch einen kleinen Moment beim Musikalischen bleiben: Hildegard Knef hat mit dem Chanson und auch dem Schlager ein Genre bedient, das damals noch große Namen kannte, das aber heute eigentlich fast vergessen ist.
 
Leider Gottes. Bei Knef waren wirkliche Meister unterwegs, Kurt Edelhagen, Charly Niesen, vor allem auch der Haus- und Hofkomponist der Knef, Hans Hammerschmid, da gab es noch große Arrangements. Heutzutage funktioniert das Radio eben halt auch auf eine gewisse Mainstreamweise, aber muss es immer nur das sein? Abwechslung ist ja die Würze auch fürs Ohr.

Sie haben sich schon einmal mit Hildegard Knef beschäftigt…

Ungefähr zehn Jahre müssten das her sein. Damals habe ich im Tipi am Kanzleramt einen Abend mit Hildegard Knef und ihren selbstgeschriebenen Songs und Gedichten gemacht.
 
Damals sind Sie noch nicht im Knef-Outfit aufgetreten?
 
Ja, genau, ich habe die Knef nicht optisch dargestellt, würde ich sagen, sondern im Anzug. Und das war für diesen ernsten Abend auch passend. Aber die Knef hat eben auch einen ganz prägnanten Modestil gehabt. Diese Optik wollen wir jetzt auch auf die Bühne bringen. Ich habe zwei wunderschöne Abendkleider, im ersten Teil ein nachtblaues, geschlitztes Pailletten-Kleid und im zweiten Teil ein echtes Showkostüm, was wirklich sehr dicht an ihr originales herankommt. Also alles glitzert und ist auf große Show ausgelegt.

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Hildegard Knef hat ganz viele ihrer Texte selbst geschrieben

Sie war da sehr kreativ, hat über 400 Texte geschrieben und hat das Schreiben auch wahnsinnig ernst genommen. Dafür hat sie sich regelrecht verbarrikadiert, hat dann in einem Zimmer Wäscheleinen aufgespannt und hatte da einzelne Zettel hängen, die sie dann collagenartig zu Songtexten verarbeitet hat.

Wie hat sie in ihren Texten die Zeit abgebildet? Welche Beziehung hatte sie zu ihrer Heimatstadt Berlin?

Das war wohl eine Hassliebe, das geht ja den meisten Berlinern so. Ich glaube, dass sie auf das Deutsche nicht so gestanden hat, das war ihr zu spießig. In Amerika hat man da eine ganz andere Freiheit gespürt. Und trotzdem hat man hier so was Kesses und Frisch-von-der-Leber-weg-mäßiges, das findet man nirgends anders auf der Welt. Ihr berühmtes Lied "Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen", zeigt ja, dass die Stadt einen Schönheitsfehler hat, was sie aber wiederum auch wieder ausmacht.

Sie hatte das gewisse Etwas, sie hatte diese Berliner Schnodderigkeit, sie hatte aber auch so eine bestimmte Illusionslosigkeit, die neben dem starken Gefühl ihre Songs charakterisieren.
 
Absolut. Ja, aber diese berühmte Schnodderigkeit zeichnet sie für mich aus, genau wie Udo Lindenberg dann später einen ganz anderen Slang angesprochen hat und man versteht den Text trotzdem. Bei ihr sollte es ganz natürlich klingen, so als wenn wir uns normal unterhielten. Darin erleben wir auch diese ernsthaftere Knef, die sich sehr tiefe Gedanken macht, über Zweisamkeit, über Einsamkeit und über Verlust.

Tim Fischer, Chansonier performet als Hilde Knef. (Quelle: rbbKultur)

Tim Fischer singt Hildegard Knef in der Bar Jeder Vernunft in Berlin

Warum fasziniert uns Hildegard Knef bis heute - in einer musikalischen Welt, die ganz anders aussieht? Ist das reine Nostalgie?
 
Nein, ich glaube eben nicht. Man spürt regelrecht bei den alten Songs von Hildegard Knef, dass das eben ein Handwerk ist, dass echte Menschen die Instrumente bedient haben. Und das Handgemachte, das Echte scheint in Zeiten von KI und Smartphones, wo man per Knopfdruck einen Song generieren kann, bei den jungen Leuten ein Revival zu haben.

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Gibt es unter all ihren Liedern eins oder mehrere, das für Sie die Knef auf den Punkt bringt?

Für mich wäre das zum Beispiel "Die Herren dieser Welt". Es ist in gewisser Weise ein sehr politisches Lied, in dem sie sich Gedanken um die Zukunft der Welt macht. Und da finde ich sie auch ganz groß. Zunächst muss man so einen Text überhaupt erst aufschreiben, dann wird er vertont und dann musst du aber wirklich als Interpretin auch die "Hosen runterlassen" und Eins-zu-eins zu deiner Aussage stehen und dafür kämpfen. Auf ihrem letzten Konzert in Hamburg hat sie diesen Song mit einer enormen Kraft performt. Man hatte den Eindruck, sie kämpft sich wirklich ab, um diese Message zu verbreiten. Und das ist eigentlich das, was von Hildegard Knef übrigbleibt, und was sie unsterblich macht: Ihr Wille, die Welt zu verbessern und den Menschen zum Nachdenken anzuregen, und das aber eben nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern einfach, weil sie sich nach einer harmonischeren Welt sehnt. Das ist ihre Message.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview mit Tim Fischer führte Andreas Lueg für rbbKultur - das Magazin, zusammengefasst von Hendrik Matter.

Sendung: rbbKultur – das Magazin, 08.03.2025, 18:30 Uhr