Berlin Komödie am Kurfürstendamm: "Theaterleute wollen Theater machen und kein Geld verdienen"
Die Komödie am Kurfürstendamm feiert ihr 100. Jubiläum - in einem Ausweichquartier. Im Interview erzählen die Theatermacher Martin und Jürgen Wölffer, wie sie mit der langen Übergangsphase seit dem Abriss ihres historischen Stammhauses umgehen.
rbb: Martin Wölffer, den 100. Geburtstag feiern Sie nicht am Kurfürstendamm, sondern in einem Zwischenquartier, im Theater am Potsdamer Platz. Wie haben Sie 2004 reagiert, als Sie zum ersten Mal erfahren haben, dass der Abriss der beiden historischen Theater, also des Theaters am Kürfürstendamm und der dazugehörigen Komödie am Kurfürstendamm, drohen könnte?
Martin Wölffer: Das war schrecklich. Wir haben dann 15 Jahre lang darum gekämpft, dass das nicht passiert. Aber es wurde klar, dass die Theater weichen sollten, damit hier mehr Rendite gemacht werden kann. Zum Schluss ist der Kompromiss daraus geworden, dass immerhin ein neues Theater am Kurfürstendamm gebaut wird, also der Kulturstandort wenigstens nicht verloren geht. Obwohl es natürlich nach wie vor eine Schande ist, dass die alten Theater aus Renditegründen abgerissen wurden.
Der Theaterneubau im Ku'damm-Karree sollte eigentlich längst eröffnet sein. Doch zwischenzeitlich drohte dem Bauprojekt die Insolvenz und die Bauarbeiten standen ein Jahr lang komplett still. Jetzt heißt es, das neue Theater werde Ende 2026 fertiggestellt. Sie mussten in den vergangenen Jahren immer wieder Ausweichquartiere suchen. Anfang dieser Woche kam die Info, dass sie derzeit für 2025 wieder ein Neues suchen. Wie erleben Sie dieses Hin und Her?
Es war natürlich sehr nervenaufreibend und anstrengend. Eigentlich sollten wir uns auf unsere Hauptaufgabe konzentrieren und das ist, Theater zu machen. Das musste fast nebenher passieren. Dieses ganze politische Ringen, die Diskussionen mit Investoren, immer wieder neue Räume zu suchen als Übergangslösungen - all das war und ist natürlich schwierig. Auch weil wir hier einen Investor nach dem anderen begrüßen und auch wieder verabschieden durften. Insgesamt sieben oder acht waren es. Aber wir haben es super geschafft, und die Leute sind uns überall hin gefolgt. Es sind sogar noch mehr Zuschauer gekommen als zuvor.
Jürgen Wölffer, Sie haben die Intendanz von Ihrem Vater Hans übernommen. Sie wiederum haben die Direktion an Ihren Sohn Martin 2004 übergeben, genau in dem Jahr, in dem bekannt wurde, dass der Abriss droht.
Jürgen Wölffer: Ja, bis 2004 war ich der alleinige Chef. Er hat mir zwar auch vorher schon geholfen, aber zum hundertsten Geburtstag meines Vaters, habe ich ihm die Direktion übergeben.
Martin Wölffer: Ich war damals natürlich 20 Jahre jünger - und wollte es wissen! Ich wollte gegen die Großkapitalisten antreten. Dass alles sich am Ende so lange hinziehen würde, das hätte ich damals nicht gedacht. Und ich dachte nie, dass wir überhaupt eine Chance haben. Es war sehr nervenaufreibend und geht an die persönliche Substanz, da muss man sich gar nichts vormachen.
Was haben Sie in diesen 20 Jahren für sich gelernt?
Martin Wölffer: Möglichst im Moment zu bleiben, nicht ständig an die Zukunft zu denken, aber auch nicht immer nach hinten zu schauen. Ich habe auch gesehen, dass so ein Familienbetrieb, der immer an die nächste Generation denkt, für Investoren, die immer nur das schnelle Geld machen wollen, sehr schwer zu greifen ist. Die verstehen nicht, warum man nicht mit einem großen Scheck kommen kann - und das Problem ist gelöst.
Jürgen Wölffer: Theaterleute wollen Theater machen und kein Geld verdienen. Natürlich braucht es auch Geld zum Leben und wenn es ein bisschen mehr ist, ist es auch schön. Aber im Grunde genommen will man Theater machen und dafür ist man einfach da.
Ausweichquartier Schillertheater
Wie ist es für Sie beide, jetzt die Baustelle zu besichtigen, an der die neue Komödie am Kurfürstendamm bald eröffnen soll?
Martin Wölffer: Es ist super, dass es scheinbar wirklich in die Zielgerade geht, dass hier nach dem langen Baustopp wirklich gearbeitet wird. Das war eine schwierige Phase für uns, in der wir keine Heimat hatten und immer irgendwo in Berlin ein Theater finden müssen, in dem wir spielen können.
Jürgen Wölffer: Es kommen nicht nur die Berliner, sondern auch viele Touristen zu uns. Die haben uns richtig die Bude eingerannt und wir hatten gar nicht genug Karten, um den Ansturm zu bedienen.
Der Abriss war für uns Theaterleute einer der traurigsten Tage überhaupt. Wenn wir diese Wunde heilen und wieder hier stehen und sagen so, jetzt sind wir wieder da, dann haben wir etwas geschafft.
Wie viele Plätze wird es in der neuen Komödie am Kurfürstendamm geben?
Martin Wölffer: 670.
Jürgen Wölffer: Vorher hatten wir mehr, weil wir ein Theater mit 600 Plätzen und eins mit 800 hatten.
Martin Wölffer: Das Ziel hier war, beim Neubau ein intimes Theater zu schaffen, das trotzdem viele Leute beherbergen kann, denn das ist wichtig für die Einnahmen. Aber gleichzeitig ist es eben kein riesiges Schauspielhaus, wo man schreien muss, sondern man hat trotzdem diese Intimität von der Bühne zum Zuschauerraum. Ich freue mich auf den Tag, wenn wir hier eröffnen. Dann ist endlich das Trauma dieses Abrisses überwunden. Das war für uns Theaterleute einer der traurigsten Tage überhaupt. Wenn wir diese Wunde heilen und wieder hier stehen und sagen, jetzt sind wir wieder da, dann haben wir etwas geschafft.
Jürgen Wölffer: Mein Sohn hat das toll gemacht, wie er diese Zeit überbrückt hat und ich bin stolz auf ihn. Und er hat ja auch zwei Kinder, die sich vielleicht dafür interessieren. Wer weiß, vielleicht geht es ewig weiter.
Was sagen Ihre Kinder dazu?
Martin Wölffer: Denen geht es so wie uns in dem Alter damals. Auch wir waren uns nicht sicher, ob wir die Theater übernehmen wollen. Ich fand zum Beispiel vieles sehr spießig, was hier passierte. Ich wollte vieles umarbeiten. Mein Sohn hat Kulturwissenschaften studiert und legt unter anderem als DJ auf. Meine Tochter studiert Gesang, Popular Music. Beide sind nicht abgeneigt. Aber noch können sie sich nicht damit anfreunden, wirklich mal so einen Familienbetrieb zu übernehmen. Vielleicht wird es ihnen eines Tages so wie mir gehen. Mir wurde nie gesagt, dass ich das machen muss. Sondern es gab dann tatsächlich den Tag, an dem es aus mir selbst herauskam, und ich die Entscheidung getroffen habe. Und das wünsche ich mir bei meinen Kindern auch, dass es kein Druck ist, sondern vielleicht mal eines Tages eine Freude.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Vera Drude.
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