Robert Pattinson Mickey 17 von Bong Joon Ho  USA, KOR 2024, Berlinale Special  © 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved

Berlin "Mickey 17" auf der Berlinale: lustvoll überdreht mit Pattinson als Maschinenmensch

Stand: 16.02.2025 09:11 Uhr

Bong Joon-ho legt sechs Jahre nach dem Oscar-Hit "Parasite" einen neuen Film vor: "Mickey 17" ist eine lustvoll überdrehte Science-Fiction-Geschichte mit Robert Pattison als immer wieder neu erzeugtem Maschinenmenschen. Von Fabian Wallmeier

Es rattert und hakt ein bisschen, dann kommt der Neue aus dem Drucker geglitten. Nackt liegt er nun da: Der 17. Mickey ist nach dem Tod der vorangegangenen Nummer 16 gleich einsatzbereit. Bong Joon-hos neuer Film, der am Samstag auf der Berlinale seine Deutschlandpremiere gefeiert hat, zeigt eine Zukunft, in der sogenannte Expandables produziert werden: Alle Erinnerungen und Wesensmerkmale eines Menschen werden auf einer Art rotem Ziegelstein gespeichert - und ist der Expandable tot, ist ein Körperdrucker dazu in der Lage, aus aufbereitetem Bioabfall und Leichenteilen eine exakte Kopie zu erstellen.

Robert Pattison spielt in "Mickey 17" die verschiedenen Mickeys. Der erste Mickey war ein etwas tumber Jedermann, der nicht so genau aufgepasst hat, als man ihm erklärte, was sein neuer Job von ihm verlangte. Als Expandable ist er nun auf dem Weg zu einer Kolonie auf einem fernen Planeten. Er stirbt auf meist enorm brutale Art bei Menschenexperimenten: Man setzt ihm einem tödlichen Virus oder radioaktiver Strahlung aus, um zu beobachten, wie er reagiert.

Mickey Nummer 17 landet nun in einer Gletscherspalte auf einem fremden Planeten, und weil er für tot gehalten wird, gleitet nun Nummer 18 aus dem Körperdrucker. Als beide Mickeys aufeinander treffen, bricht die Hölle los.

Hingabe an die Übertreibung

Der Koreaner Bong Joon-ho hat sechs Jahre keinen Film mehr gedreht. Die Bürde war natürlich hoch: "Parasite" gewann die Goldene Palme in Cannes und war der erste nicht-englischsprachige Film, der den Oscar für den besten Film erhielt. Er hat sich für eine Science-Fiction-Geschichte mit vornehmlichen amerikanischen Figuren entschieden. Es ist nicht das erste Mal, dass er außerhalb von Korea dreht - schon der an Bord eines der Apokalypse enteilenden Zuges spielende Action-Thriller "Snowpiercer" war eine internationale Produktion mit Stars wie Tilda Swinton. Was beide Filme verbindet, ist die lustvolle Ausstattung und die unbedingte Hingabe an die Übertreibung.

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Pattinson etwa darf diese Übertreibung voll auskosten. Seinen Mickey stattet er mit einem absurden Südstaaten-Twang aus, und wenn die beiden Mickeys dann doch ihre Unterschiede offenbaren, ist das freudvollster Slapstick und herrliches Over-Acting.

Doch der Meister in dieser Kategorie ist hier ein anderer. Mark Ruffalo hat in konsequenter Fortführung seiner Darstellung des pompösen, windigen Anwalts in "Poor Things" seine Paraderolle gefunden: Hier spielt er den selbstverliebten Kenneth Marshall, der die geplante Kolonie leitet. Für diese Karikatur eines Egomanen verschneidet er Trumpsche dümmliche Aufgeblasenheit mit Muskscher linkischer Gefährlichkeit - mit ziemlicher Sicherheit schon jetzt die lustigste darstellerische Leistung dieser Berlinale.

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Versuchsanordnung - ähnlich wie in "Parasite"

Doch auch mit "Parasite" hat Bongs neuer Film etwas gemeinsam. Der Oscar-Hit, in dem eine arme Familie versteckt in einem unteren Stockwerk des Hauses einer reichen lebt und beide Welten sich schließlich blutig kreuzen, funktioniert am ehesten als eine Versuchsanordnung. Auch "Mickey 17" ist eine Versuchsanordnung - wenn auch in einem weitaus größeren Ausmaß: Es geht nun um das Erforschen des menschlichen Sterbens und Wiedergeborenwerdens.

Und es geht um das Aufeinandertreffen mit einer außerirdischen Lebensform. Die kommt dem 17. Mickey schon zu Beginn des Films entgegen, als er in der Gletscherspalte den sicheren Tod erwartet. An eine Kreuzung aus Kellerasseln und Armadillo erinnern diese Tiere, das Muttertier ist mindestens dreimal so groß wie Mickey. Auch wenn sie letztlich für den moralisch-humanistischen Kern des Films verantwortlich sind (mehr zu sagen, wäre ein zu großer Spoiler), sind diese Wesen zusätzlich noch furchteinflößend und haben sogar etwas Putziges - nur ein Beispiel für das ideenreiche Artwork und Produktionsdesign, das "Mickey 17" ausmacht.

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Der Humor in "Mickey 17" ist mitunter derb

Auch für eine im Lauf des Films immer lebendigere Liebesgeschichte findet der Film Platz: Mickey findet in Nasha (Naomi Ackie) eine Verbündete, die jede neue Version aus dem Körperdrucker anzunehmen bereit ist. Und auch ein paar weitere Seiten- und Nebenstränge nimmt "Mickey 17" auf. Ein bisschen vollgestopft wirkt er dadurch, auch wenn er mit seinen 137 Minuten nicht gerade kurz ist.
 
Der Humor in "Mickey 17" ist mitunter derb, herrlich derb. Umso erstaunlicher, dass der Film dennoch - im Rahmen des überdrehten Settings - glaubhaft eine unwahrscheinliche Entwicklung nehmen kann: Erst ist er böse Menschheits-Satire, dann buntes Science-Fiction-Abenteuer und schließlich ein tief moralisches Märchen, das den Glauben an das Gute im Menschen nicht aufgibt. Wie und warum genau? Sie ahnen es: Das wäre ein Spoiler und wird nicht verraten.
 
Schön, dass Bong Joon-ho zurück ist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.02.2025, 08:10 Uhr