![223730956 | dpa Schaufenster einer Thaimassage-Praxis mit dem Hinweis "Keine Erotik-Massage" (Quelle: dpa)](https://images.tagesschau.de/image/de21c507-b8b0-40bf-b868-11bfe8639e45/AAABlQ2fTc0/AAABkZLrr6A/original/rbb-223730956-100.jpg?overlay=fed2b0f9-111a-4432-99ab-1c3fb121cf2f&overlayModificationDate=AAABjb04dkw)
Berlin Sexuelle Belästigung in Thai-Massagesalons: "Man sieht an ihrem Körper, dass sie etwas anderes wollen"
Einige Menschen verbinden mit Thai-Massagen nicht nur Entspannung, sondern Erotik. Zwei Masseurinnen berichten, wie sie bei der Arbeit in Berlin von Kunden sexuell belästigt wurden. Und davon, wie sich das System selbst bestätigt. Von Anna Bordel
N.* schminkt sich nicht für die Arbeit, zieht sich nicht schön an. Sie arbeitet als Masseurin in verschiedenen Berliner Thai-Massagesalons. So möchte sie vermeiden, dass Kunden auf die Idee kommen, dass sie noch etwas extra anbietet.
Vorgekommen ist das schon öfter, wie sie erzählt: Einmal griff ein Kunde während der Massage ihre Hand, versuchte sie festzuhalten. Er fragte sie nach einem "besonderen Angebot", er würde mehr Geld dafür bezahlen. "Dein Geld ist mir scheißegal", antwortete sie ihm. Als N. im Nachhinein diese Geschichte erzählt, muss sie sehr lachen. Vielleicht weil sie normalerweise nicht so vulgär ist. Vielleicht, weil sie eigentlich wenig Deutsch spricht, aber in diesem Moment trotzdem schlagfertig sein konnte.
Thai-Massage für Entspannung und zur Linderung von Beschwerden
Thai-Massage mit Erotik assoziieren, das tun nicht wenige. Das bestätigt auch der Deutsche Wellness Verband. "Wir wissen von unseren Mitgliedern, dass es immer wieder zu solchen Anfragen, Wünschen und Erwartungen in Bezug auf sexuelle Dienstleistungen seitens der männlichen Kundschaft kommt, verbunden mit Nötigung und Übergriffen", sagt ein Sprecher auf rbb-Nachfrage. Der Verband vermutet, dass das Mitarbeiterinnen in Thai-Massagesalons deutlich häufiger betrifft als Mitarbeiterinnen aus anderen Wellness-Bereichen. Zahlen hat der Verband dafür nicht.
Nicht nur bei Männern gibt es die Vorstellung, dass sich hinter dem konventionellen Massageangebot noch mehr verbergen könnte: eine Massage mit einem sogenannten Happy End etwa, von attraktiven asiatisch aussehenden Masseurinnen, von denen man sich womöglich noch eine aussuchen kann. Ein zwielichtiger Ruf also, gegen den sich viele Salons wehren. In Berlin gibt es zahlreiche Thai-Massagesalons. Unvollständige Antworten einer Abfrage der Bezirke ergaben mehr als 200 solcher Einrichtungen in Berlin. Viele von ihnen schreiben auf ihren Webseiten ausdrücklich, dass sie keine Erotik anbieten. Lediglich ein Bruchteil ist laut Bezirken als Erotiksalon angemeldet.
Für N. ist Thai-Massage etwas ganz anderes als Erotik. Genauso auch für S.* S. arbeitet seit mehreren Jahren in einem Thai-Massagesalon in Berlin. Beide sind in Thailand geboren. Sie beschreiben die thailändische Massageform als eine, die Entspannung zum Ziel hat oder Beschwerden lindern kann. Ihre häufigsten Kunden seien Büroangestellte, die viel Zeit vor dem Computer verbringen und deshalb Rückenverspannungen hätten. Die allermeisten Kunden fragen nicht nach Extra-Behandlungen, berichtet S..
"Viele schämen sich und gehen"
Dass manche etwas anderes wollen, bemerkt S. schon daran, wie sie den Salon betreten, wie sie berichtet. "Daran, dass sie nur 30 Minuten für eine Ganzkörpermassage buchen. Oder daran, dass sie fragen, wie viele Frauen hier arbeiten und ob sie sich eine aussuchen können." Solche Kunden schicke sie gleich wieder weg, sagt S.
Schwieriger sei es, wenn die Männer erst während der Massage danach fragten. Dann drehen sie sich zum Beispiel vom Rücken auf den Bauch "und dann sieht man schon an ihrem Körper, dass sie etwas anderes wollen", so S. Auch sie erzählt von Fällen, in denen Kunden ihre Hand ergriffen haben.
Wenn S. ablehne, würden das die meisten akzeptieren. "Viele schämen sich dann und gehen", erzählt sie. Andere weigern sich daraufhin, den Preis für die Massage zu bezahlen, dann bespricht sie die Fälle mit ihrer Vorgesetzten, sagt sie. Die Polizei gerufen hat S. noch nie. Bedroht fühlte sie sich von den beschriebenen Situationen noch nicht, wie sie sagt. Eher aufgewühlt.
Ursprung der Erotik-Assoziation aus Kriegszeiten
Die Verbindung von Thai-Massage und Erotik hat ihren Ursprung möglicherweise in der Zeit, als US-Soldaten während des Vietnamkriegs (1955 - 1975) in Thailand stationiert waren. Prostitution war zwar verboten, boomte aber in Bars und Massagesalons. So ist es in einigen wissenschaftlichen Historik-Essays nachzulesen, die sich mit der Geschichte von Prostitution in Thailand beschäftigen. Irgendwann gingen dann die Soldaten, das Gewerbe blieb.
Die Kundschaft kommt mittlerweile aus dem thailändischen Inland, aber auch in westlichen Ländern zirkuliert Thailand als Top-Ziel für Sextourismus. Damit beschäftigte sich ein NDR-Rechercheteam in mehreren Dokus [ndr.de]. Aber auch in einschlägigen deutschsprachigen Foren ist das Interesse einiger potenzieller Kunden nachzulesen. Und das nicht nur an Etablissements in Thailand - auch über Thai-Massagesalons in Berlin wird sich dort ausgetauscht.
![bahn7 | rbb/David Donschen Lilli in der Berliner U-Bahn. (Quelle: rbb/David Donschen)](https://images.tagesschau.de/image/d7ffb10a-468c-414f-b1e7-4736bcd7da2b/AAABlQ2fV3c/AAABkZLngyM/1x1-256/rbb-bahn7-100.jpg)
Nicht alle Masseurinnen sagen: Stopp
Einige Forumseinträge deuten an, dass die Frage nach Erotik in den Salons nicht immer von den Kunden ausgeht. Offenbar machen auch einige Masseurinnen dahingehend Angebote. "Da auch?" ist den Einträgen zufolge eine typische Frage, die Masseurinnen ihren Kunden stellen. Einige User beschreiben die Frage als demütigend, anderen ist sie willkommen.
Dass einige Masseurinnen in Thai-Massagesalons dem nicht abgeneigt sind, berichten auch S. und N. Beide kennen Masseurinnen, die auch erotische Zusatzmassagen anbieten. Anreiz sei für sie die finanzielle Seite daran. Für Extra-Jobs gibt es Extra-Geld.
Extra-Geld für Extra-Job
S. sagt, genau diese Kolleginnen seien Mitverursacherinnen des schlechten Rufs der Thai-Massage. "Masseurinnen, die erotische Massagen anbieten wollen, sollten in entsprechenden Salons arbeiten, die solche Dienstleistungen offiziell anbieten, dann gäbe es kein Problem", findet sie.
Das wirft das Licht auf eine weitere Dynamik des Problems: Wenn jemand deswegen in Schwierigkeiten kommt, sind es die Masseurinnen. Sie werden beschuldigt, Verbotenes zu tun, nicht der Kunde. In wie vielen Farben die Facette der Schuldzuweisung schillert, wird deutlich, als N. erzählt, dass die Masseurinnen bei der Einstellung ein Papier unterschreiben müssten, dass sie keine erotischen Dienstleistungen anbieten. Erwünscht sei das in der Praxis von den Inhabern dann aber doch. "Damit die Kunden wiederkommen", so berichtet es N.
![daniela-mechow | rbb/A. Severinenko Daniela Mechow hat in diesem Sommer entschieden, dass sie Diskriminierungen satt hat. Deshalb bedient sie in ihrem Friseursalon in Berlin-Neukölln keine Männer mehr. (Quelle: rbb/A. Severinenko)](https://images.tagesschau.de/image/77cebd5d-4c6d-4b7e-b9aa-f47f45ed74f1/AAABlQ2fVKw/AAABkZLngyM/1x1-256/rbb-daniela-mechow-100.jpg)
Einige Bezirke bestätigen auf Anfrage, dass sie teilweise Razzien in Thai-Massagesalons durchgeführt haben. Statistiken darüber zu führen, wie häufig Thai-Massagesalons auf illegale Prostitution hin überprüft werden, führt die Polizei Berlin eigenen Angaben zufolge nicht. Grundsätzlich werde das nur gemacht, wenn es konkrete Hinweise darauf gebe. Treptow-Köpenick ist der einzige Bezirk, der auf Nachfrage konkrete Zahlen dazu liefern kann. 2024 hätte es in drei Thai-Massagesalons Razzien gegeben, in einem Fall konnte illegale Prostitution festgestellt werden, hieß es.
Als sie damals den Kunden, der ihre Hand nahm und mehr wollte, mit einem "scheißegal" abwatschte, blieb dieser er höflich, wie N. erzählt. Deshalb hätte sie ihn damals zu Ende massiert.
* Hinweis der Redaktion: Die beiden Masseurinnen möchten anonym bleiben.