Brandenburg Interview mit neuem Intendanten des Cottbuser Staatstheaters
Das Cottbuser Staatstheater bekommt mit Berthold Schneider einen neuen Intendanten. Im Interview spricht er darüber, wie er in die Lausitz gekommen ist, über die Pläne für das Theater und wo er die Stärken und Schwächen sieht.
rbb24: Herr Schneider, wie sind Sie zum Cottbuser Staatstheater gekommen? Hat die zuständige Kulturstiftung bei Ihnen angeklopft? Oder Sie bei der Stiftung?
Berthold Schneider: Es war eine Ausschreibung, wie das immer so ist. Man sieht die, wird von Freunden darauf aufmerksam gemacht - und das Erste, was man tut, ist zum Telefon zu greifen und ein paar Leute anzurufen. Ich kenne Menschen im Cottbuser Theater und habe mit denen gesprochen. Ganz wichtig ist, dass nicht nur ich Menschen im Theater kannte, sondern dass die mich auch kannten. Die haben gesagt, das könnte was für mich sein. So ist die Entscheidung gefallen.
Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Ich kannte das Theater von Vorstellungsbesuchen. Ich weiß, dass dieses Theater leistungsfähig ist. Sowohl auf der Bühne, mit den Darstellenden, dem Orchester, aber eben auch in den technischen Bereichen, dass es ein grundsätzlich funktionierendes Haus ist, das ein künstlerisches Potenzial hat. Fehlt das, macht da auch ein Intendant erstmal nichts dran.
Natürlich reizt auch dieses wunderschöne Haus. Das ist eines der allerschönsten Theater in Deutschland und das für sich ist ein echter Reiz. Als Drittes möchte ich anführen, dass mich die Situation in der Lausitz interessiert. Das ist eine Region im Umbruch. Das bringt auch viel Reibung mit sich - es gibt natürlich Leute, denen dieser Umbruch schwerfällt. Aber es entsteht natürlich eine Dynamik, in der man als Theater ein guter Partner sein kann. In der man vielleicht Dinge aufgreift und die dann auf der Bühne künstlerisch wirksam macht. Das zu begleiten, vielleicht ein bisschen identitätsstiftend zu wirken - das ist super spannend.
Haben Sie über das Theater hinaus weitere Gründe für die Lausitz, für Cottbus gehabt?
Was ich aus meiner Berliner Zeit [als Leiter der freien Spielstätte "Spielbankberlin", Anm.d.Red.] kannte, war diese Naturschönheit, die mit dem Spreewald verbunden ist und dann weiter in die Lausitz reingeht. Auch die Stadt selbst. Cottbus ist wirklich eine zauberhafte Stadt. Die Begegnungen, die ich bisher mit Menschen hatte, waren sehr positiv, sehr offen. Es gibt eine sehr gesunde Bodenständigkeit und auch Verbundenheit mit der Region.
Und dann fahren eben alle nach Berlin, alle wissen: Es dauert eine Stunde, dann bin ich da - das heißt, man ist nicht abgeschlossen. Es ist nicht dieses Gefühl einer Sackgasse, einer Grenzregion, in der es nicht mehr weitergeht.
Währenddessen ist die Grenze nach Polen offen. Das hat mich schon in Berlin immer interessiert. Ich war viel in Polen. Ich liebe diese Kulturbegegnungen, dafür bietet die Lausitz ein gutes Sprungbrett.
Sie übernehmen im Sommer 2026 - solche langen Übergangsphasen sind im Theater nicht unüblich. Was machen Sie noch bis dahin?
Diese Fristen sind nicht nur nicht unüblich, sondern die sind sogar ideal. Sie müssen sich vorstellen, eine Opernaufführung braucht teilweise zwei Jahre Vorbereitung. Wenn Sie ein Stück komponiert haben wollen, eine Uraufführung machen wollen, dann können Sie da noch mal zwei Jahre drauflegen. Das heißt, die Vorlaufzeiten sind sehr groß.
Diese Möglichkeit jetzt anderthalb Jahre zu planen, die ist Gold. Da kann man wirklich einen Aufbruch orchestrieren und muss nicht einfach Dinge ausführen, die andere geplant haben. Ich glaube, da kann sehr schnell klar werden, wie wir uns programmatisch aufstellen wollen, was uns interessiert, wie wir uns mit der Stadt verzahnen wollen. Da bin ich sehr dankbar, dass die Politik da umsichtig gehandelt hat und diese Interimsintendanz mit Hasko Weber noch eingeschaltet hat, weil sonst der Vorlauf wirklich zu kurz gewesen wäre.
Das Cottbuser Theater hat gerade drei Intendanten: den amtierenden Intendanten Stephan Märki, in der kommenden Spielzeit für ein Jahr Hasko Weber und 2026 beginnen Sie. Wie wollen Sie mit den beiden anderen zusammenarbeiten?
Das ist natürlich schon eine etwas kuriose Situation und ich versuche da auch mit den Mitarbeitenden offen umzugehen, damit die jetzt nicht irritiert sind - wer ist denn nun eigentlich wofür ansprechbar. Das kriegen wir schon hin. Mit Hasko Weber verbindet mich eine lange Zusammenarbeit, eine freundschaftliche Verbundenheit. Wir haben ein Opernforum gegründet, in dem sich 30 deutsche Opernhäuser zusammengeschlossen haben, die Intendanten sich regelmäßig treffen. Ich moderiere diese Treffen. Das heißt, da gibt es ein stehendes Arbeitsverhältnis, was wir natürlich jetzt sehr gut nutzbar machen können. Ich bin sicher, dass wir einen ganz tollen Übergang hinkriegen.
Mit Stephan Märki werde ich natürlich auch zu tun haben, aber das ist dann schon mittelbarer, mit einer Spielzeit dazwischen. Aber selbstverständlich werde ich ihn treffen, mit ihm sprechen und wir werden schauen, wo es Berührungspunkte gibt. Da mache ich mir auch keine großen Gedanken.
Das Staatstheater in Cottbus ist ein Mehrsparten-Haus: Schauspiel, Musiktheater, Orchester und Ballett finden unter einem Dach statt. Was lässt sich aus dieser Fülle machen?
Sehr viel. Das ist ja eine deutsche Eigenart, diese Kultur der Mehrspartenhäuser. Diese Häuser haben eine einzigartige Kultur, weil sie eben die verschiedenen Künste unter einem Dach verbinden. Wenn es gelingt, in gegenseitiger Solidarität und Achtung miteinander zu arbeiten, kann das unglaubliche Synergien bringen, weil man eben Stücke zusammen machen kann. Man kriegt es auch mit, was die anderen machen. Auch das ist schon befruchtend, weil ein Sänger, eine Sängerin wirklich etwas ganz anderes ist als eine Schauspielerpersönlichkeit oder eben ein Tänzer, eine Tänzerin. Und das wirkt zurück.
Und natürlich diese Enge, die inspiriert auch einfach. Man ist zusammen und sagt, warum machen wir nicht was zusammen? Immer, wenn man es tut, ist das unglaublich befruchtend und das Publikum liebt es. Und wenn ich das noch hinzufügen darf, wofür ich stehe, ist eine Öffnung des Hauses. Natürlich geht es um Qualität, natürlich geht es um Innovation, aber es geht auch darum, ein Haus durchlässig zu machen für die Menschen der Stadt, der Region, damit die kommen und sich einbringen können.
Wo sehen Sie weitere Stärken des Cottbuser Theaters?
Ich sehe, dass der Tanz über die letzten Jahre eine schöne Aufwärtsbewegung gemacht hat. Das ist toll, da würde ich auch gerne weiter unterstützen. Ein Orchester ist immer so gut wie der Ort, in dem es spielt. Das heißt, wenn ich ein solches Theater habe, in dem ich auftrete und musizieren kann, ist das inspirierend.
Der neue Kammermusiksaal ist inspirierend, also diese ganze, ich nenne es mal Hardware, die ist sehr gut. Man denkt, naja, das ist ja dann nur der Arbeitsplatz. Das stimmt nicht. Theater sind magische Orte. Theater können strahlen, sie können aufgeladen werden. Und da hat Cottbus die besten Voraussetzungen mit einem guten Orchester, einem tollen Chor und schon sehr leistungsfähigen Ensembles. Der technische Bereich stützt das. Und darauf werden wir aufbauen können.
Wo sehen Sie eventuell Schwächen?
Also ich glaube, wir können uns noch auf eine ganz andere Art und Weise international und national vernetzen. Also dafür stehe ich auch mit meiner Biografie. Ich habe ein internationales Opernstudio initiiert, in Nordrhein-Westfalen. Das gibt es sonst gar nicht, dass vier Theater ein solches Opernstudio machen. Wir haben uns vernetzt im Bereich Kinder- und Jugendtheater. Das würde ich mir unbedingt wünschen für das Theater in Cottbus, weil das eine andere Kultur schafft.
Jeder Euro, den Sie gemeinschaftlich ausgeben, ist ein doppelter Euro. Das ist ganz wichtig in diesen Zeiten, wo sich ja das Geld nicht einfach vermehrt. Aber auch diese Zusammenarbeit mit anderen Häusern, mit anderen Partnern in der Stadt - egal ob Wissenschaftler oder Laienchor - das bringt wirklich Theater nach vorne. Theater alleine für sich sind nicht lebensfähig. Theater brauchen die Community.
Sie kommen aus dem Opernbereich, aus dem Musiktheater. Wie wollen Sie in Cottbus ihre eigene Handschrift hinterlassen?
Ich werde ja Operndirektor sein. Das ist in Einheit mit der Funktion als Intendant. Das heißt, ich kann mich da programmatisch sehr einbringen. Ich kann mich insgesamt in der Kultur der Öffnung des Hauses einbringen. Und das würde ich bitte nicht zu gering schätzen, ich glaube dieses Inspirieren in einem Haus, sich kümmern in einem Haus, das kann eine Kultur schaffen, die man sicherlich merken wird. Ich inszeniere auch, aber ich mache das eher selten, weil ich meine wirkliche Aufgabe eher darin sehe, dass ich anderen eine Möglichkeit biete, in einem guten Umfeld zu arbeiten und dort künstlerisch exzellent wirksam zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dirk Schneider für Antenne Brandenburg. Für die Onlinefassung wurde es gekürzt und redigiert, inhaltlich aber nicht verändert.
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.11.2024, 15:15 Uhr