Hessen Kind stirbt in Zahnarztpraxis in Kronberg - Narkosearzt zu langer Haft verurteilt
Ein Anästhesist soll nach dem Tod eines Kindes in einer Kronberger Zahnarztpraxis für zehneinhalb Jahre in Haft. Der Mann wurde wegen mehrerer Fälle verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Strafe beantragt.
Mehr als drei Jahre nach dem Tod eines vierjährigen Mädchens in einer Zahnarztpraxis in Kronberg (Hochtaunus) ist am Freitag das Urteil gegen den damaligen Narkosearzt gesprochen worden.
Er wurde zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt, wegen Totschlags und dreifachen versuchten Totschlags sowie Körperverletzung mit Todesfolge und dreifacher Körperverletzung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Staatsanwaltschaft pocht auf Mordvorwurf - Revision offen
Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess gegen den 67-Jährigen am Frankfurter Landgericht eine lebenslange Haft wegen Mordes durch Unterlassen gefordert. "Wir gehen davon aus, dass er es unterlassen hat, die Kinder in ein Krankenhaus zu bringen, um vorher von ihm verursachte Hygiemängel zu vertuschen", sagte der Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Dominik Mies nach der Urteilsverkündung.
Nach Auffassung der Anklagebehörde hatte sich der Mediziner auch des versuchten Mordes an drei weiteren minderjährigen Patienten schuldig gemacht. Die waren am selben Tag wie das vierjährige Mädchen in der Kronberger Zahnarztpraxis narkotisiert worden und hatten ebenfalls eine Sepsis erlitten - zwei von ihnen überlebten nur knapp.
Die Behörde prüft, ob sie Revision einlegt. Auch Olaf Langhanki, der Anwalt des Anästhesisten, sagte, man werde das Urteil nun in Ruhe prüfen.
Richterin: "Schlampig und unhygienisch" gearbeitet
Das Gericht ist überzeugt, dass der Narkosearzt damals in der Zahnarztpraxis bei allen Patienten verunreinigtes Narkosemittel aus ein und demselben Fläschchen verwendet hat. Das darf auf keinen Fall getan werden, weil sich in dieser Lösung sehr schnell Pilze oder Bakterien ansiedeln. Für diesen groben Fehler wurde der Anästhesist am Freitag wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen.
Totschlag beging er nach Überzeugung des Gerichts, weil er nicht rechtzeitig den Notarzt rief und so den Tod des Mädchens billigend in Kauf nahm. "Spätestens um 22 Uhr hätte er die Einweisung ins Krankenhaus veranlassen müssen", sagte die Vorsitzende Richterin des Schwurgerichts, Anke Wagner. Das Kind starb gegen 2 Uhr morgens in der Zahnarztpraxis.
Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass der 67-Jährige bei den Behandlungen in Kronberg Ende September 2021 eine Vielzahl von Fehlern gemacht hat. So habe er die Narkosen ohne Assistenzkraft durchgeführt und den Aufwachprozess nicht angemessen begleitet. Er habe "schlampig, nachlässig und unhygienisch" gearbeitet, sagte Richterin Wagner. Und sie fügte hinzu, man müsse nach den Erkenntnissen aus dem Prozess davon ausgehen, "dass das zu seinem üblichen Umgang und vielleicht auch zu seinem Wesen passt".
Trotz Urteils vorerst keine Haft
Weil das Gericht keine Fluchtgefahr und keine Verdunklungsgefahr sieht, wird ein bereits während des Prozesses verfügter Haftbefehl auch weiterhin nicht vollzogen. Der Narkosearzt bleibt auf freiem Fuß, bis die Strafe rechtskräftig ist. Das kann sehr lange dauern.
Im Fall einer Revision landet das Verfahren beim Bundesgerichtshof (BGH). Und bis zu einer Entscheidung des BGH würden voraussichtlich mehrere Jahre vergehen. Angehörige des getöteten Mädchens äußerten nach der Bekanntgabe ihr Unverständnis darüber, dass der 67-Jährige nicht sofort ins Gefängnis muss.