
Niedersachsen Nordenham: Firma produziert Stahl-Giganten für Offshore-Windparks
Die Energiewende ist ein gigantisches Transformationsprojekt, sagen sie bei Steelwind Nordenham. Riesig sind auch die Fundamente, die das Unternehmen in Nordenham (Landkreis Wesermarsch) herstellt.
An der Kaimauer, die das Werksgelände von Steelwind Nordenham von der Weser trennt, schaut Steven Büchner-Stelljes in rund 25 ausgeschlafene Gesichter. Der stellvertretende Terminal-Manager geht mit dem Team, das nur aus Männern besteht, die Sicherheitsregeln durch: "Jeder hat das Recht, 'Stopp und Aus' zu rufen, wenn er eine Gefahrensituation feststellt." Ein Kollege wiederholt alle Regeln auf Englisch. Der Selbstschutz des Teams, das überwiegend aus deutschen und polnischen Mitarbeitern besteht, steht an oberster Stelle: Niemand darf unter den sogenannten Monopiles stehen, sobald die riesigen Stahlrohre verladen werden.
Fundamente werden nach Polen transportiert
Projektleiter Dirk Lankenau hat das Load Out, wie das Verladen der Rohre genannt wird, akribisch vorbereitet. Der 59-Jährige hat alle Lasten berechnet, die Mitarbeiter für ihre Aufgaben eingeteilt und viele Dokumente ausgefüllt. Es ist bereits das fünfzehnte Verladen von Fundamenten für den Windpark Baltic Power in der polnischen Ostsee. Beim heutigen Load Out werden drei Stahlrohe auf eine Barge verladen. Das ist der Fachausdruck für den Lastkahn ohne eigenen Antrieb, der von einem anderen Schiff zum Windpark geschleppt wird. Die Monopiles wiegen diesmal zwischen 1.480 bis 1.535 Tonnen und sind zwischen 75 und 78 Metern lang. Die größten Monopiles, die das Unternehmen Steelwind Nordenham im Werk in Nordenham-Blexen bisher hergestellt hat, hatten ein Gewicht von 2.100 Tonnen und waren mehr als 110 Meter lang.
Kräne werden per Fernsteuerung gelenkt
Die Stahlgiganten werden mit zwei Stahlkränen angehoben, die noch einmal deutlich größer als die Rohre sind: Die Kräne heben die Monopiles simultan an beiden Enden an und werden von zwei Mitarbeitern per Fernbedienung gesteuert. Es sitzt also niemand in den Kränen, sondern die Mitarbeiter steuern alles mit einem kleinen Bedienpult, das sie sich umgehängt haben - ungefähr so groß wie eine Lenkertasche am Fahrrad. Die Kranfahrer und ein sogenannter Liftvizer, der sie anleitet und den Gesamtüberblick über die Aktion hat, sind die einzigen, die sich den Monopiles nähern dürfen, während diese angehoben werden. Das Verladen auf den Lastkahn geht behutsam vonstatten - Hektik gibt es hier nicht. Nach rund 45 Minuten ist das erste Monopile passgenau auf der Barge abgeladen.

Mehr als 70 Stahlrohre produziert Steelwind Energy für den Windpark Baltic Power in der polnischen Ostsee.
Viele Aufträge kommen aus dem Ausland
So gigantisch die Dimensionen der Windräder und ihrer einzelnen Komponenten sind, so riesig sind auch die Herausforderungen, vor denen die Offshore-Branche steht. Andreas Liessem, einer von zwei Geschäftsführern von Steelwind Nordenham, sagt, die Auftragslage sei gut. Allerdings werde das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren keine Monopiles produzieren, die in der deutschen Nordsee installiert werden. Liessem hofft, dass die neue Bundesregierung nicht vom Ausbauziel von 70 Gigawatt an Leistung aus Offshore-Windparks bis zum Jahr 2045 abweicht. Aktuell sind rund 9,2 Gigawatt Offshore-Windenergie vor der deutschen Küste installiert.
Neue Jobs sollen entstehen
Steelwind Nordenham will zu seinen 360 Beschäftigten in den kommenden Jahren 140 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Dafür erwartet der Geschäftsführer aber auch eine Gegenleistung von der Politik: "Firmen, die in die Energiewende investieren, brauchen Planungssicherheit, weil sich diese Investitionen nur über Jahrzehnte rechnen." Allein in Nordenham investiere das Unternehmen innerhalb von fünf Jahren 100 Millionen Euro.
Branchen-Stiftung: Offshore-Ausbauziel wird verfehlt
Auch Karina Würtz von der Denkfabrik Stiftung Offshore Windenergie fordert von der Politik Kontinuität bei der Umsetzung der Energiewende. Würtz hält es allerdings nicht für realistisch, dass das nächstliegende Ausbauziel von 30 Gigawatt Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2030 noch erreicht werden kann: Es sei versäumt worden, rechtzeitig schwerlastfähige Seehafenflächen auszubauen und die Kapazitäten in der Produktion auszuweiten. Auch die dafür erforderlichen Finanzierungsmodelle gebe es nicht.
Schuldenpaket vom Bund weckt Hoffnungen
Doch auch, wenn die Ausbauziele zunächst wohl nicht erreicht würden, wäre es aus Sicht von Karina Würtz falsch, wenn eine neue Bundesregierung diese in Frage stellen würde. Die Stiftung Offshore Windenergie hofft vielmehr auf Impulse durch die 100-Milliarden-Euro Sonderschulden, die dem Klimaschutz zugutekommen sollen. Würtz sieht in den 100 Milliarden "ein sehr ermutigendes Zeichen". Teile des Geldes könnten dann auch dazu genutzt werden, die Hafeninfrastruktur auszubauen.
76 Monopiles für Offshore-Windpark in Polen
Zurück nach Nordenham: Nach gut fünf Stunden Arbeit - unterbrochen von einer kurzen Mittagspause - hat das Team von Projektleiter Dirk Lankenau die drei Stahl-Fundamente ohne Zwischenfälle auf den Lastkahn verladen. In den kommenden Wochen folgen weitere Load Outs, bis alle 76 Monopiles von der Weser auf dem Weg zum Windpark Baltic Power sind.
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NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 04.04.2025 | 19:00 Uhr