Nordrhein-Westfalen Zu wenige Bunker und Schutzräume - was tun im Ernstfall?
Einsatzbereite Schutzräume und Bunker sind in Deutschland Mangelware. Wie wir uns dennoch für den Ernstfall vorbereiten können.
In Deutschland stehen derzeit keine einsatzbereiten öffentlichen Schutzräume zur Verfügung. Diese Analyse der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben lässt aufhorchen. Denn: Der Katastrophenfall ist durch den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr komplett auszuschließen.
Das sind die wichtigsten Fragen rund um Bunker und Schutzräume in Deutschland:
Zu den öffentlichen Schutzräumen zählen Hoch- und Tiefbunker ebenso wie alte Stollenanlagen. Bunker und Stollen wurden meist während des Zweiten Weltkrieges zu Luftschutzzwecken errichtet. Laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mit Sitz in Bonn sind die meisten öffentlichen Schutzräume inzwischen neu errichtete sogenannte Mehrzweckanlagen.
Ein Schlaf- und Aufenthaltsraum im ABC-Bunker unter dem Nürnberger Hauptbahnhof. Der zivile Atomschutzbunker wurde während des "Kalten Krieges" gebaut.
Gemeint sind zivile Bauwerke wie Tiefgaragen oder Bahnhöfe, die nach dem Krieg errichtet wurden. Sie wurden so ausgestattet, dass sie nicht nur ihrem eigentlichen Zweck, sondern im Krisenfall auch als Schutzraum für die Bevölkerung dienen konnten.
In Deutschland sind aktuell (Stand Februar 2024) rund 579 öffentliche Schutzräume gewidmet. Gewidmet bedeutet in dem Zusammenhang, dass diese Schutzräume formell für den Zivilschutz gedacht sind und nicht zum Beispiel privat anderweitig genutzt werden. Nach Angaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) könnten dort knapp 580.000 Menschen Schutz finden. Also rund 0,5 Prozent der Bevölkerung Deutschlands.
Die 579 gewidmeten Schutzräume sind laut BBK „akut nur sehr begrenzt nutzbar“. Die BImA geht in seiner Analyse noch einen Schritt weiter. Demnach stehen in Deutschland aktuell "keine einsatzbereiten öffentlichen Schutzräume zur Verfügung". Begründung: „Die funktionale Erhaltung öffentlicher Schutzräume wurde aufgrund der geänderten Sicherheitslage nach Ende des Kalten Krieges bereits im Jahr 2007 eingestellt.“
Viele ehemalige Bunker wurden nach dem kalten Krieg anderweitig genutzt. Der ehemalige Hochbunker in Köln-Kalk diente lange als Jugendwerkstatt, nach 2016 wurde der Luftschutzbunker zu Wohnraum umgebaut.
Mit Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat das Bundesinnenministerium (BMI) im März 2022 die BImA und das BBK beauftragt, eine Bestandsaufnahme aller noch gewidmeten öffentlichen Schutzräume durchzuführen. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob, in welcher Zeit und mit welchem Aufwand die noch gewidmeten wieder funktionstüchtig gemacht werden können.
Ergebnis: Eine Reaktivierung der 579 noch gewidmeten öffentlichen Schutzräume ist grundsätzlich möglich. Zeit- und Kostenaufwand der Reaktivierung hängen vom Schutzniveau ab, das die Schutzräume bieten sollen. Der Bericht unterscheidet vier Schutzniveaus: vom Trümmer- und Splitterschutz als geringstem bis hin zum Schutz auch vor atomaren Gefahren als höchstem Schutzniveau.
Experten empfehlen, dass neben den bestehenden Schutzräumen auch in deutschen Gebäuden Schutzräume eingerichtet werden. Wie die aussehen könnten, hat eine Arbeitsgruppe aus Experten des BMI, des BBK und der BImA erarbeitet. Der sogenannte „Sachstandsbericht zur Entwicklung eines modernen Schutzraumkonzeptes“ für die Innenministerkonferenz entstand im Mai 2024 und ist 25 Seiten lang.
Darin ist bspw. von eigens eingebauten und aufwendigen „Hausschutzräumen“ oder einfacheren „baulichen Selbstschutzräumen“ etwa in Kellern die Rede. Die Experten befürchteten im Ernstfall keine flächendeckenden Bombardements und großflächigen Zerstörungen. Möglich seien aber Angriffe „mit modernen, äußerst präzisen Waffen wie Raketen oder Drohnen“, bei denen Gefahr durch Kollateralschäden entstehe.
Die in Deutschland gute und überwiegend massive Bausubstanz biete beste Voraussetzungen für einen Schutz vor solchen Schäden, hieß es in dem Papier weiter. Demnach schützen innenliegende Räume oder solche unter der Erdoberfläche bereits ohne Umbau vor einem Teil der anzunehmenden Gefahren. Auf freiwilliger Basis könne mit einfachen Maßnahmen eine „Härtung“ insbesondere von Kellerräumen erreicht werden.
Langfristig empfiehlt der Bericht, den Gebäudebestand in Deutschland eher durch sogenannte „Hausschutzräume“ zu ergänzen. Dabei geht es um aufwendigere Schutzräume in Wohn- oder Geschäftshäusern, Betriebsgebäuden oder öffentlichen Gebäuden. Die nötige Förderung für den flächendeckenden Ausbau solcher Räume beziffern die Experten auf 131 Milliarden Euro. Wohl wissend, dass dies nur als „langfristiges Ziel“ machbar sei.
Grundsätzlich ist Katastrophenschutz ein Gemeinschaftsprojekt. Heißt: Jede und jeder Einzelne kann sich auf Unglücke und (Natur-)Katastrophen vorbereiten. Das Innenministerium NRW hat dafür eine Art Leitfaden zusammengestellt. Aufgelistet wird hier, wie man sich richtig verhält, etwa wenn Sirenen ertönen. So sollte man zum Beispiel Ruhe bewahren, das Radio einschalten und nicht den Notruf blockieren.
In erster Linie gehe es darum, einen Grundvorrat an Lebensmitteln immer im Haus zu haben. Als Ziel gibt das BBK aus, zehn Tage ohne Einkaufen überstehen zu können. Neben Nahrung sollte auch jede und jeder eine Grundausrüstung an Hygieneartikeln, Verbandsmaterial und Medikamenten vorrätig haben.
Ein möglicher Grundvorrat an Lebensmitteln könnte so aussehen:
- Wasser (20 Liter)
- Reis, Nudeln, Getreide, Brot (3,5 kg)
- Gemüse, Hülsenfrüchte in Konserven (4 kg)
- Obst, in Konserven (1,8 kg)
- Obst, frisch und lagerfähig (0,7 kg)
- H-Milch (2 Liter)
- Hartkäse (500 g)
- 8 Eier
- Fisch, Fleisch, in Konserven (1,2 kg)
- Öl, Butter, Margarine (357 g)
Und nach Belieben:
- Jodsalz
- Kaffee (180 g), Tee (90 g)
- Zucker, Honig, Marmelade
- Fertiggerichte, Schokolade, Hartkekse, etc.
Außerdem essentiell: eine Hausapotheke
- Verbandskasten
- Haut- und Wunddesinfektionsmittel
- Schmerzmittel
- Mittel gegen Durchfall
- Fieberthermometer
- persönliche Medikamente
- Salben, Pinzette, etc.
Notgepäck:
- Wolldecke oder Schlafsack
- Unterwäsche
- strapazierfähige und warme Kleidung
- feste Schuhe
- Gummistiefel
- Kopfbedeckung
- Handschuhe
- Schutzmaske
- Schutzhelm
Hygiene:
- Seife
- Zahnpasta und Zahnbürste
- Toilettenpapier
- Tampons/Binden
Hilfreich können noch sein:
- Camping-Toilette
- Taschenmesser
- Dosenöffner
- Thermoskanne
- Einweggeschirr
- Haushaltspapier
Auch sollte man für Notfälle wie einen Stromausfall oder ein Feuer, das nach einem Katastrophenfall ausbrechen kann, gewappnet sein.
Eine komplette Einkaufsliste gibt es auf der Seite des BBK als pdf, eine noch detailliertere Vorratstabelle hier. Mit Broschüren zur Notfallvorsorge in bestimmten Katastrophensituationen und gezielten Kampagnen will das BBK die Menschen in Deutschland stärker für das Thema sensibilisieren.