
Rheinland-Pfalz "Second Stage" Koblenz hilft gewaltbetroffenen Frauen zurück ins Leben
Plätze in Frauenhäusern sind rar. Auch weil viele Betroffene für die Zeit danach keine Wohnung finden und deshalb länger bleiben. In Koblenz schafft das Projekt "Second Stage" Abhilfe.
Lisa (Name geändert) schließt die Tür zu ihrer Wohnung auf. Sie atmet ein wenig schneller, wegen der vielen Treppenstufen. Die Wohnung ist klein und mit dem Nötigsten möbliert. Aber für Lisa bedeutet ihr neues Zuhause vor allem eins: Freiheit.
"Als ich nach Koblenz kam, konnte ich atmen. Ich habe wieder Luft gekriegt", sagt sie. Man merkt ihr an, dass es ihr schwer fällt, darüber zu sprechen, wie sie aus ihrer Beziehung geflohen ist. 15 Jahre lang war sie mit einem Mann zusammen, der sie immer wieder erniedrigte und ihr das Gefühl gab, dass sie nichts richtig machen könne, erzählt sie.

Lisa (Name geändert) lebt übergangsweise in einer "Second Stage"-Wohnung des SkF Koblenz. Nach fünf Monaten im Frauenhaus hat sie hier jetzt ihr eigenes Reich und lernt Schritt für Schritt, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.
Erniedrigungen und Gewalt sind für viele Frauen Alltag
"Man wird irgendwo am Straßenrand stehengelassen und 'Guck, wie du nach Hause kommst!' Und dann stehst du da, ohne Geld und Fahrschein." Demütigungen wie diese waren für Lisa früher an der Tagesordnung. Nach einem gewalttätigen Angriff ihres Ehemanns ertrug sie es nicht länger. Sie floh in ein Frauenhaus in der Nähe, konnte dort aber nur kurz bleiben. Sie hatte nur einen Notfallplatz. Mitte Mai 2024 kam sie dann nach Koblenz.
Die Frauen brauchen Unterstützung, um ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen zu können. Katja Maur, Sozialarbeiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen Koblenz
Geschichten wie diese hört Sozialarbeiterin Katja Maur vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Koblenz immer wieder: "Die Frauen haben vor ihrem Aufenthalt im Frauenhaus vielfältige Formen von Gewalt erfahren. Auch Unterdrückung oder, dass sie gar nicht auf die Straße durften." Eigenständigkeit und Selbstvertrauen müssten viele Frauen erst mühevoll zurückerlangen. "Die Frauen brauchen Unterstützung, um ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen zu können", sagt Maur.
Projekt "Second Stage" schafft Übergangswohnungen für die Zeit nach dem Frauenhaus
Darum hat der SkF in Koblenz drei Wohnungen angemietet, in die Frauen wie Lisa nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus einziehen können, um sich nach und nach an ihr neues Leben zu gewöhnen. Dabei werden sie auch weiterhin von Katja Maur betreut. Die Maßnahme ist Teil des Modellprojekts "Second Stage", das die Landesregierung 2022 ins Leben gerufen hat.
Koblenz war einer der ersten beiden Standorte, an denen das Projekt ausgerollt wurde. Mittlerweile nehmen insgesamt sechs Frauenhäuser daran teil. Laut dem neuen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention der Landesregierung soll bis 2030 jedes Frauenhaus in Rheinland-Pfalz über "Second-Stage"-Wohnungen verfügen.
Die Wohnungen sollen vor allem den Aufenthalt in den Frauenhäusern verkürzen, sagt Sozialarbeiterin Katja Maur. Seit Jahren sei zu beobachten, dass viele Frauen immer länger in den Frauenhäusern blieben, weil sie keine neue Wohnung fänden. Mütter mit Kindern ohne oder nur mit niedrigem Einkommen hätten es schwer auf dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt. Aber früher oder später müssen sie das Frauenhaus wieder verlassen. Denn es gibt ohnehin zu wenig Plätze.
Betroffene haben wieder mehr Kontrolle über das eigene Leben
Für Lisa ist das Projekt ein großes Glück: "Einfach wieder so ein bisschen Kontrolle über sein eigenes Leben zu bekommen und wieder Vertrauen in sich zu haben und zu sagen: Ich schaffe das. Egal, wie schwierig das auch wird."
Ich schaffe das. Egal, wie schwierig das auch wird. Lisa (Name geändert), Betroffene von häuslicher Gewalt
Und sie kann jetzt auch ihre Tochter wiedersehen, die sie bei ihrer Flucht nicht mitnehmen konnte. Während ihres Aufenthalts im Frauenhaus ging das nicht, weil die Adresse geheim gehalten werden muss, um die Frauen vor ihren gewalttätigen Ex-Partnern oder Familienmitgliedern zu schützen.
Eigene Wohnung hilft zurück in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben
In den "Second Stage"-Wohnungen sei das anders, sagt Sozialarbeiterin Katja Maur: "Die Frauen dürfen da Besuch empfangen und sie dürfen auch darüber sprechen, wo sie sind." Das Leben in einer eigenen Wohnung gebe den Frauen das Gefühl, selbstwirksamer zu sein. Anders als im Frauenhaus müssten sie nicht mehr mit anderen Frauen zusammenleben und hätten mehr Platz. Kinder könnten dann auch mal Spielkameraden einladen. Das alles helfe, sich ein neues Umfeld aufzubauen, sagt Maur.
Für Lisa hat der Weg in ihr neues Leben schon begonnen. Langsam baut sie sich eine neue Existenz auf. "Schritt für Schritt, sage ich immer." Sie hat Arbeit gefunden und fühlt sich wieder sicherer. Koblenz sei ihr neues Zuhause geworden, sagt Lisa: "Und deswegen bleibe ich auch hier."
Sendung am Fr., 14.2.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz