Eine Nahaufnahme des braunen Auges einer Frau. Die Universtitätsmedizin Mainz testet seit März eine neue Therapiemethode, die Elektrostimulation verwendet um den Grünen Star aufzuhalten.

Rheinland-Pfalz Wie Elektrostimulation beim Grünen Star helfen soll 

Stand: 12.03.2025 11:33 Uhr

Das Auge mit Stromimpulsen schützen - die neue Therapie gegen den Grünen Star wird nun in einer klinischen Studie in Mainz getestet. Wie vielversprechend ist die Therapie? 

Betroffene merken es anfangs oft nicht - die Augen werden langsam immer schlechter. Doch unbehandelt kann die Glaukom-Erkrankung, auch als Grüner Star bekannt, zu vollständiger Blindheit führen, denn bei der Krankheit sterben nach und nach Zellen im Auge ab.

In Zukunft sollen kleine Stromimpulse die Augenkrankheit aufhalten - das ist das Ziel einer neuen Behandlung, die an der Uniklinik Mainz seit März 2025 getestet wird. 

Wie Elektrostimulation das Auge schützen sollen

Die Krankheit entsteht durch einen zu hohen Druck im Auge. Normalerweise kann die Augenflüssigkeit in der Augenkammer problemlos zirkulieren und abfließen. Bei der Glaukom-Erkrankung bleibt jedoch zu viel Wasser in der Kammer, der Druck im Auge steigt. Auf der Netzhaut im Auge sterben dann Zellen ab.  

Dieses Absterben möchte die neue Behandlung möglichst stoppen. Bei dem transkornealen Elektrostimulationsverfahren (TES) geben kleinen Metallfäden Stromimpulse ab.

Diese schwachen Stromimpulse fließen dann durch die Hornhaut und das Auge. Die elektrischen Impulse stimulieren dabei die bedrohten Nervenzellen und sollen so ein weiteres Absterben verhindern. 

“Dadurch werden dann Schutzmechanismen in den Zellen angeregt und auch die Mikrozirkulation verbessert, weil hier die Durchblutung im Auge eine wichtige Rolle spielt,” sagt Katrin Lorenz, die Studienleiterin und Oberärztin der Augenklinik an der Universitätsmedizin Mainz: “Wir erhoffen uns natürlich, dass die Funktion in den verbliebenen Zellen dadurch verbessert wird.” 

Das Gerät mit welchem an der Universität Mainz die Elektrostimulation als Therapie für grünen Star erprobt wird.

Mit diesem Gerät wird an der Universität Mainz die Elektrostimulation als Therapie für Grünen Star erprobt.

Grüner Star tritt zwar häufig auf, bleibt aber oft lange unbemerkt

Die Glaukom-Erkrankung ist eine Erkrankung des Sehnervs und eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Zu den Risikofaktoren gehört erhöhter Augeninnendruck, aber auch Diabetes und Herzkreislauferkrankungen können zu einem Grünen Star führen. Etwa 900.000 Menschen leben in Deutschland mit der Erkrankung - bei etwa der Hälfte von ihnen ist die Krankheit unerkannt.  

Mehrere Studien rechnen aufgrund der demografischen Alterung der Bevölkerung mit einem deutlichen Anstieg in den nächsten Jahren. Bis zum Jahr 2040 könnten in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen sein. Ein Glaukom kann in jedem Alter auftreten, aber vor allem sind Menschen über 40 Jahre betroffen. Von den 75 bis 89-Jährigen sind etwa vier bis sieben Prozent betroffen. 

Betroffene erkennen die Krankheit nur schleichend. “Man sieht die Ränder nicht. Man sieht rechts und oben und unten nicht mehr richtig”, sagt Sybille Schmelzenbach-Ziegelmeyer, die selbst Glaukom-Betroffene ist. Doch häufig wird die Krankheit erst wahrgenommen, wenn die Ausfälle schon deutlich fortgeschritten sind.

Auch ihre Schwester Olivia Bell ist erkrankt und hat ihre Sehverluste beim Autofahren bemerkt: “Ich habe es auch mit zwei kleinen Autounfällen praktisch erfahren, dass ich jetzt nicht mehr Auto fahren sollte. Es ist nicht viel passiert, aber ich habe dann die Autos nicht gesehen, die von der Seite kamen.”  

 

Eine Person tropft sich Augentropfen in ihr Auge. Während Tropfen beim Grünen Star zwar helfen, könnte die Elektrostimulation den weiteren Zerfall der Zellen womöglich stoppen.

Während Augentropfen beim Grünen Star zwar helfen, könnte die Elektrostimulation den weiteren Zerfall der Zellen womöglich sogar ganz stoppen.

Bisherige Therapien verlangsamen häufig nur die Krankheit

Durch bisherige Therapien kann der hohe Augendruck nur durch Augentropfen oder eine Operation verringert werden. Häufig wird die Krankheit so nur verlangsamt, aber nicht aufgehalten.  

Die neue Behandlungsmethode wird an der Uniklinik Mainz in den nächsten zweieinhalb Jahren im Rahmen einer Studie getestet. Einmal in der Woche sollte die Therapie für 30 Minuten angewendet werden, sagt die Studienleiterin Katrin Lorenz:  “Zuerst findet ein Training in der Klinik statt. Wenn die Therapie dann eingeübt wurde, dann können die Patienten die Therapie zu Hause durchführen.” 

Noch ist die neue Therapie für den Grünen Star nicht zugelassen, sie wird gerade erst getestet. Bei einer anderen unheilbaren Erbkrankheit der Netzhaut - Retinitis pigmentosa - wird die Therapie bereits in der Praxis regelmäßig eingesetzt. Hier konnten mehrere Studien durch die Therapie eine deutliche Verbesserung feststellen.

Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt. Manche Patienten klagen über trockene Augen, in vereinzelten Fällen auch über Augenschmerzen. Noch muss sich erst zeigen, wie gut die Elektrostimulation beim Grünen Star wirkt. Die neue Therapie könnte die Behandlung aber deutlich verbessern.  

 

Ein Patient trägt das Gerät zur Elektrostimulation beim grünen Star auf dem Gesicht. Dabei verläuft über dem Auge ein feiner Drat, der die Elektroimpulse durch Kontakt mit dem Auge an die Nervenzellen schickt.

Die Elektrostimulation wird als Therapiemethode bislang bereits bei Retinitis pigmentosa eingesetzt. Für die Behandlung des Grünen Stars mit der Methode ist noch eine Zulassung notwendig.

Heilung ist nicht möglich, Krankheit soll aber gestoppt werden

Die Hoffnungen sind groß, aber auch die Elektrostimulation kann Schäden im Gesichtsfeld der Betroffenen nicht reparieren. Vorhandene Schäden und Ausfälle im Auge können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Deshalb muss die Krankheit bei Betroffenen möglichst früh erkannt werden.    

Aufgrund der vermutlich hohen Zahl unerkannter Erkrankungen, empfiehlt der Verband der Augenärzte für Risikopatienten daher eine jährliche Früherkennung - vor allem, wenn bereits in der Familie Angehörige am Grünen Star erkrankt sind.

“Es ist wichtig, dass hier regelmäßige augenärztliche Kontrollen stattfinden, wo man den Augeninnendruck kontrolliert, aber auch Gesichtsfeld Untersuchungen durchführt und den Sehnerv kontrollieren lässt, insbesondere wenn Risikofaktoren vorliegen, wie zum Beispiel eine familiäre Vorbelastung”, sagt Katrin Lorenz von der Uniklinik Mainz. 

Die Früherkennung muss jedoch selbst bezahlt werden und kostet bis zu 45 Euro und wird selten so umfassend angeboten. Es ist allerdings umstritten, für welche Patientengruppen solch eine Früherkennung nötig ist.  

Früherkennung eines Grünen Stars (Glaukoms)
Häufig wird das sinnvolle Glaukomscreening mit einer einfachen Augendruckmessung gleichgesetzt. Doch diese Untersuchung allein übersieht etwa die Hälfte der Fälle von Grünem Star, sagt der Berufsverband der Augenärzte. Ein augenärztliches Glaukomscreening besteht immer aus der Kombination einer Augeninnendruckmessung und einer Untersuchung des sogenannten Sehnervenkopfes, denn bei einem Grünen Star ist genau diese Struktur des Auges geschädigt. Der Bundesverband der Augenärzte empfiehlt die Durchführung einer Glaukom-Vorsorgeuntersuchung ab dem 40. Lebensjahr alle 2–3 Jahre und ab 60 Jahren alle 1–2. Mehr Informationen zur sinnvollen Früherkennung von Grünem Star hier.

Sendung am Mi., 12.3.2025 16:05 Uhr, Wissen aktuell - Impuls, SWR Kultur