Sachsen-Anhalt Mordprozess wegen toter Zweijähriger in Halle: Angeklagter Vater äußert sich
Vor dem Landgericht Halle wird seit dem 11. November der Fall eines getöteten zweijährigen Mädchens verhandelt. Angeklagt sind der Vater, die Mutter und die Großmutter des Kindes. Der Hauptangeklagte ist zum Prozessauftakt in Hand- und Fußfesseln vom Sicherheits-Personal in den Gerichtssaal geführt worden. Am zweiten Prozesstag hat der angeklagte Vater eine Erklärung abgegeben. Die Zweijährige war infolge großflächiger Verbrühungen im Mai gestorben.
- Der Prozess im Fall des toten zweijährigen Mädchens in Halle ist mit einer Erklärung des Angeklagten fortgesetzt worden.
- Dem Vater wird Mord durch Unterlassung vorgeworfen, Mutter und Großmutter sind wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
- Die Obduktion hat ergeben, dass das Kind infolge einer Entzündung durch die Verbrühungen gestorben ist.
Am Landgericht Halle ist am Mittwoch der Prozess um den Tod eines zweijährigen Mädchens fortgesetzt worden. Am zweiten Prozesstag ließ der angeklagte Vater über seinen Anwalt eine Erklärung verlesen. Anschließend ist er befragt worden. In der Erklärung hat der Angeklagte eingeräumt, die Schwere der Verletzungen seines Kindes falsch eingeschätzt zu haben.
Seine Tochter habe eine körperliche Besonderheit von ihm geerbt, hieß es: Er habe demnach kein Schmerzempfindung und seine Tochter habe diese Eigenschaft auch. Der Mann habe zudem ein schweres Drogen- und Alkoholproblem.
Der Vater bestritt den Vorwurf, er habe die Verletzungen absichtlich herbeigeführt, um das Verhalten des Kindes zu ändern. Nach seinen Angaben sei die Verbrühung ein Unfall gewesen, da es bereits länger Probleme mit dem Boiler gegeben habe. Nach dem Vorfall habe er Blasen am Rücken des Kindes bemerkt, sich jedoch keine größeren Sorgen gemacht.
Großmutter berichtet von Gewaltausbrüchen
Gemeinsam mit der Mutter und der Großmutter habe er beschlossen, am Montag einen Kinderarzt aufzusuchen. Sonntags starb das Kind – erst danach wurde ein Notarzt alarmiert, der jedoch erfolglos versuchte, das Mädchen zu reanimieren.
Die Mutter der toten Zweijährigen hat schon am Montag ausgesagt und den Kindsvater schwer belastet.
Auch die 64 Jahre alte Großmutter des Kindes sagte am Mittwoch aus. Sie berichtete, dass der Vater schon früher Probleme mit dem Jugendamt gehabt habe. Er soll seit längerer Zeit unter Alkohol- und Drogenproblemen gelitten haben, was gelegentlich zu Gewaltausbrüchen führte – jedoch nicht seinen Kindern gegenüber. Die Eltern der toten Zweijährigen leben den Angaben zufolge getrennt.
Die 36 Jahre alte Mutter hatte bereits am Montag eine Erklärung über ihren Verteidiger verlesen lassen. Darin gab sie an, sie habe den Vater mehrfach aufgefordert, ärztliche Hilfe für die Tochter zu holen. Dieser habe dies jedoch abgelehnt.
Prozess unter strengen Sicherheitsvorkehrungen gestartet
Am Montag startete der Prozess gegen die Eltern und die Großmutter eines an Verbrühungen gestorbenen Kindes am Landgericht Halle unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Der Angeklagte war zum Auftakt in Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt worden. Dem Richter zufolge waren die intensiven Sicherheitsmaßnahmen notwendig geworden, weil es in der Woche zuvor in der Justizvollzugsanstalt (JVA) zu einem Zwischenfall gekommen war.
Das leblose Kind war in einer Wohnung im halleschen Paulusviertel gefunden worden. (Archivfoto)
Im Laufe des ersten Prozesstages hatte der Vater angekündigt, dass er sich zu den Vorwürfen äußern will – allerdings ohne Öffentlichkeit. Diesen Antrag hatte das Gericht abgelehnt. Der angeklagte Vater hatte nach Angaben anwesender Reporter sichtlich aufgewühlt gewirkt. Zu Beginn des Prozesstages hatte der Mann eine Papier-Mappe gegen den Kopf eines Journalisten geschnippt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater Mord durch Unterlassung sowie gefährliche Körperverletzung vor. Der Mutter und der Großmutter des Kindes wird fahrlässige Tötung durch Unterlassung zur Last gelegt. Die Verhandlungen sind auf mehrere Termine im November und Dezember angesetzt.
Schwere Verbrühungen der Haut
Der 37 Jahre alte Vater soll im Mai das Kind in eine mit heißem Wasser gefüllte Badewanne getaucht haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass der Mann dem Kind damit eine Lektion habe erteilen wollen. Das Mädchen erlitt großflächige Verbrennungen und hätte dringend medizinische Hilfe benötigt.
Stattdessen soll der Vater seine gleichaltrige Partnerin und die Großmutter informiert haben. Gemeinsam sollen sie aus Angst vor Konsequenzen entschieden haben, die Verbrühungen nur mit Hausmitteln zu behandeln. Zwei Tage später starb das Kind.
Eine Obduktion hatte ergeben, dass das Mädchen infolge einer entzündlichen Reaktion aufgrund der Verbrühungen starb. In der Folge wurden Ermittlungen gegen die Eltern sowie die Großmutter eingeleitet. Wegen Fluchtgefahr wurde ein Haftbefehl gegen den Vater erlassen. Seither sitzt er im Gefängnis. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe – der Mutter und der Großmutter eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
dpa, MDR (Daniel Salpius, Cornelia Winkler, Susanne Liermann, Stefan Bringezu, Hannes Leonard) | zuerst veröffentlicht am 29.10.2024