Bundestag berät über Sicherheitspaket "Die notwendigen Konsequenzen ziehen"
Nach dem Anschlag von Solingen hat die Regierung mehrere sicherheitspolitische Maßnahmen vorgestellt. Nun berät der Bundestag. Innenministerin Faeser bekräftige die Vorhaben, der Union gehen die Vorschläge nicht weit genug.
Der Bundestag hat erstmals über ein Asyl- und Sicherheitspaket beraten, das die Regierung nach dem mutmaßlich islamistischen Messer-Anschlag von Solingen vorgelegt hatte. Aus der Gewalttat müssten die notwendigen Konsequenzen gezogen werden, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Parlament. "Das tun wir mit dem heutigen Gesetzespaket." Dieses erfülle "das fundamentale Versprechen eines demokratischen Staats, für Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen".
Die Ministerin betonte: "Wir dürfen und wir werden nicht zulassen, dass dieses Versprechen infrage gestellt wird durch extremistische Gewalttäter." Faeser stellte aber zugleich klar, dass es "hundertprozentige Sicherheit in einem freien, offenen Staat" nicht geben könne.
Teile des Pakets müssen auch durch den Bundesrat
In den beiden eingebrachten Gesetzentwürfen der Bundesregierung sind drei Säulen enthalten: Zum einen sollen Sozialleistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber gekürzt und mitunter sogar gestrichen werden. Zweitens sollen die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den radikalen Islamismus gestärkt werden, vor allem bei Ermittlungen im Internet. Und drittens soll das Waffenrecht mit Blick auf Messer verschärft werden.
Wann die Gesetze vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden, ist noch unklar. Teile des Pakets müssen dann noch vom Bundesrat verabschiedet werden. Die umstrittene Frage von Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern wird in den Vorlagen nicht behandelt.
Ein Vorstoß der Unionsparteien für umfassende Zurückweisungen von Schutzsuchenden an allen deutschen Landgrenzen wurde von der Mehrheit der Ampel-Koalition zu weiteren Beratungen in die Ausschüsse verwiesen.
Gemeinsame Gespräche von Union und Regierung über die Migrationspolitik waren diese Woche gescheitert. CDU-Chef Friedrich Merz hatte dabei umfassende Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze gefordert - auch von Asylbewerbern. Die Regierung hat rechtliche Bedenken und verwies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Faeser betont Gesprächsbereitschaft gegenüber Union
"Wir hatten sehr gute Gespräche", sagte die Innenministerin an die Union gerichtet - und fügte hinzu: "Die Tür ist jederzeit offen". Die Gespräche hätten jedoch offenbar "nicht das widergespiegelt, was bei Herrn Merz im Drehbuch gestanden hat". Maßnahmen müssten "rechtlich möglich und auch tatsächlich umsetzbar" sein, betonte Faeser. Wenn sie nicht durchsetzbar seien, "machen wir den Menschen etwas vor".
Die beiden eingebrachten Gesetzentwürfe enthielten "viele vernünftige Maßnahmen, die wir durchaus unterstützen können", sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) im Anschluss an Faesers Rede. Die Union werde diese deshalb "konstruktiv begleiten". Frei betonte: "Wir haben ein Interesse, dass die Teile, die wirklich für mehr Sicherheit in Deutschland sorgen, zügig durchs Parlament gehen."
Merz macht Regierung neues Angebot
Der Unionspolitiker sparte aber zugleich auch nicht an Kritik: Im Gesetzespaket stehe "viel Wichtiges drin, aber wichtig ist eben auch, was fehlt". Notwendig sei es, "die illegale Migration nach Deutschland möglichst zu stoppen", sagte Frei weiter. Dafür seien Zurückweisungen an der Grenze "das einzige probate Mittel".
Gleichzeitig machte CDU-Chef Friedrich Merz der Ampel-Regierung ein neues Angebot: Er schlage vor, Zurückweisungen ab dem 1. Oktober drei Monate lang vorzunehmen, sagte der Oppositionsführer der Funke-Mediengruppe. Dies hätte eine Signalwirkung und würde den Zustrom nach Deutschland in kürzester Zeit stark reduzieren. "Nach den drei Monaten ziehen wir dann Bilanz." Die Bundesregierung werde vielleicht dann erkennen, dass dies der richtige Weg sei.
Faeser rechtfertigt Grenzkontrollen gegenüber EU-Kommission
Unterdessen wurde bekannt, dass Faeser in einem Schreiben an die EU-Kommission die Ausweitung der Kontrollen auf alle deutschen Grenzen mit der Migrations- und Sicherheitslage gerechtfertigt hat. Die Ressourcen von Bund und Ländern zur Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen seien "nahezu erschöpft" und stießen "an die Grenzen des Leistbaren", schrieb Faeser darin.
Eine "Überforderung des (solidarischen) Gemeinwesens" müsse verhindert werden. "Die Schaffung zusätzlicher Unterkünfte ist nicht unbegrenzt möglich", schrieb Faeser in dem Schreiben, das auf den Montag datiert ist, als die Ministerin die Ausweitung der Grenzkontrollen angekündigt hatte. "Kein Staat der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen." Und der Migrationsdruck werde voraussichtlich "unvermindert hoch bleiben".
In bestimmten Fällen können andere Länder aber die Durchführung der Asylverfahren übernehmen - etwa aus humanitären Gründen. Das Dublin-Abkommen gilt seit dem 1. September 1997.
"Neben Gefahren durch den islamistischen Terrorismus" hätten "zuletzt Vorfälle von Messer- und Gewaltkriminalität durch Geflüchtete zu einer massiven Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls und des inneren Friedens geführt", fuhr Faeser fort. Sie kritisierte dabei auch "die zunehmende Dysfunktionalität" des sogenannten Dublin-Systems in Europa - also die Vereinbarung, dass Flüchtlinge in dem Land ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie als erstes europäischen Boden betreten.
Die Ministerin appellierte an Brüssel, "dass wir gemeinsam weiterhin energisch und kraftvoll daran arbeiten, hier sichtbare und rasche Fortschritte zu erzielen".