foodwatch-Report Süße Gefahr
Die Deutschen lieben ihre Coca-Cola. Auch wenn jeder weiß, dass die Zuckerbombe ungesund ist. Süßgetränke fördern Übergewicht, Diabetes und Karies. Eine Zuckersteuer könnte helfen.
Ein Zischen. Der Kronkorken wirbelt in Zeitlupe durch die Luft. Eine prickelnde braune Flüssigkeit in Großaufnahme. Dann wird eine eiskalte Flasche Coca-Cola an rot geschminkte Lippen geführt. So oder so ähnlich wirbt Coca-Cola für seine Produkte und schafft es seit Jahrzehnten wie kaum ein anderer Konzern ein positives Image zu kreieren - vor allem bei jungen Leuten.
"Taste the feeling" - lautet einer der Slogans: Coca-Cola macht glücklich, ist die Botschaft dahinter. Doch genau das Gegenteil ist laut der Verbraucherorganisation foodwatch der Fall. Regelmäßiger Konsum von Süßgetränken macht krank, lautet eines der Ergebnisse ihres umfangreichen Coca-Cola-Reports.
Übergewicht, Diabetes, Karies
Zuckerhaltige Getränke befördern demnach nachweislich Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Zahnkrankheiten wie Karies. Zudem werden sie mit einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten, Gicht oder einer Fettleber in Verbindung gebracht. Was foodwatch hier feststellt, ist nicht besonders überraschend oder neu. Auch die WHO hat längst auf die Schädlichkeit von Zucker und Süßgetränken aufmerksam gemacht und empfiehlt, nicht mehr als 25 Gramm Zucker pro Tag. Diese Menge ist mit einem Glas Coca-Cola (250ml) bereits überschritten: Darin stecken gut 26 Gramm Zucker, das entspricht etwa neun Stück Würfelzucker.
Zuckerhaltige Getränke seien für die Ernährung besonders bedenklich, weil sie quasi nur Kalorien, jedoch keine Nährstoffe enthielten. Sie sättigen also nicht und können so den ganzen Tag verzehrt werden. foodwatch, die Weltgesundheitsorganisation WHO und verschiedene Zusammenschlüsse von Ärzten und Experten fordern deshalb schon länger eine Zuckersteuer.
WHO: 20 Prozent Steuer auf Süßgetränke
Zuckerhaltige Getränke sollten mit einer Sondersteuer von mindestens 20 Prozent des Verkaufspreises belegt werden, empfiehlt die WHO. In Frankreich, Ungarn, Finnland und Mexiko gibt es bereits Sondersteuern auf Süßgetränke. Großbritannien führt Ende dieser Woche ebenfalls eine ein: Etwa 20 Cent pro Liter werden dort künftig für alle Getränke fällig, die mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten.
Diese Maßnahme zeigte schon vor Inkrafttreten ihre Wirkung: Coca-Cola hat bereits jetzt den Zuckergehalt von zwei seiner Limonaden in Großbritannien verringert: für Fanta und Sprite. Eine Unternehmenssprecherin wies zudem darauf hin, dass der Konzern sich gemeinsam mit anderen Getränkeherstellern verpflichtet habe, in der EU bis 2020 den Zuckergehalt in seinen Limonaden um durchschnittlich zehn Prozent zu verringern. Und auch der zweitgrößte Hersteller in Großbritannien, Britvic, Orangina-Hersteller Lucozade Ribena Suntory und Lidl und Tesco änderten bereits den Zuckergehalt ihrer Getränke. Der Nestlé-Konzern will bei drei seiner Limonaden den Zuckergehalt auf weniger als fünf Gramm senken.
Effekt bislang ungewiss
Die Steuer zwingt die Unternehmen zu raschem Handeln, was freiwillige Selbstverpflichtungen vorher so nicht vermochten. Welchen Effekt solche Abgaben allerdings tatsächlich auf die Ernährung und Gesundheit der Menschen haben, ist noch nicht ausreichend untersucht. Immerhin, die Absatzzahlen von Süßgetränken sind nach Einführung der Steuer beispielsweise in Mexiko und Ungarn bereits gesunken. Unklar ist aber, was die Leute stattdessen trinken und ob sie sich insgesamt dadurch tatsächlich gesünder ernähren.
Auch Coca-Cola selbst will den Zusammenhang von zuckerhaltigen Getränken und ungesundem Übergewicht nicht ohne weiteres sehen: "Übergewicht ist ein komplexes Phänomen. Einfache Antworten sind verlockend, aber sie lösen das Problem nicht. Es braucht vielmehr den Willen zu gemeinschaftlichen Lösungen. Dabei gilt: Man kann Übergewicht nicht wegbesteuern", sagt Patrick Kammerer, aus der Geschäftsleitung von Coca-Cola Deutschland.
Dass eine solche Steuer aber auch in Deutschland einen starken Effekt haben könnte, zeigt die Verbreitung von zuckerhaltigen Getränken: 64,8 Prozent des Absatzvolumens machen sie bei Coca-Cola aus, wie der foodwatch-Report unter Berufung auf Angaben des Konzerns berichtet. Und Coca-Cola sei in Deutschland - so wie auch weltweit - Marktführer bei den Erfrischungsgetränken. Mit 3585 Millionen Litern pro Jahr, verkauft der Konzern fast das Dreifache des Branchenzweiten "Mitteldeutsche Erfrischungsgetränke" (1350 Liter).
Zuckersteuer in Deutschland?
Die Politik steht einer Zuckersteuer in Deutschland allerdings skeptisch gegenüber. "Wir arbeiten an einer gesunden Ernährung mit einer Gesamtstrategie", heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Einzelne Rohstoffe sollten dabei nicht im Fokus stehen. Auch im Koalitionsvertrag findet sich dazu nicht viel Konkretes: Für die "Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten" soll bis 2018 ein Konzept erarbeitet werden. Und zwar "mit allen Beteiligten", das heißt auch mit der Lebensmittelindustrie. Und dass die nichts von Abgaben auf Verkaufsschlager wie zuckerhaltige Lebensmittel hält, versteht sich von selbst. Doch auch die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen eine solche Steuer: 49 Prozent lehnen sie einer Umfrage zufolge ab, nur 44 Prozent befürworten sie tendenziell.
Auch einer Ampelkennzeichnung für Zucker, Fett und Salz, wie sie von Verbraucherschützern seit Jahren gefordert wird, hat die neue Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereits eine Absage erteilt. "Eine vereinfachte Ampelkennzeichnung bringt Verwirrung", sagt sie. Und nennt das Beispiel von frisch gepresstem Orangensaft, der Zucker enthalte und so eine rote Kennzeichnung bekommen müsste. Eine Light-Limonade bekäme hingegen eine grüne Ampelkennzeichnung. "Ist das Naturprodukt wirklich ungesünder?", fragt Klöckner.
Dennoch soll es laut Koalitionsvertrag eine "verständliche und vergleichbare Lebensmittelkennzeichnung" geben. Allerdings nicht in den einfachen Kategorien "gesund" oder "ungesund". Stattdessen schwebt den Koalitionären eine erweiterte und transparente Nährwerttabelle vor. Das Modell dazu soll mit Verbraucherschützern und freilich auch mit der Lebensmittelindustrie erarbeitet werden.