Unterschiedliche Speichermedien liegen auf einem Tisch.
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IT-Dienstleister ResQ Zweifelhafter Datenretter im Auftrag des Staates

Stand: 05.03.2025 05:02 Uhr

Der IT-Dienstleister ResQ hat sich auf die Rettung von Daten spezialisiert. Zu den Kunden zählen auch deutsche Ermittlungsbehörden. Doch SR-Recherchen zeigen, dass der Datenretter bei Privatkunden offenbar mit zweifelhaften Methoden arbeitet.

Von Katja Hackmann, Niklas Resch, Caroline Uhl, SR

Schrottreife Smartphones, kaputte Festplatten, demolierte USB-Sticks: Bis zu 4.000 Geräte kommen nach eigenen Angaben pro Jahr bei "ResQ Data and Repair" auf den Werkstatt-Tisch im saarländischen Blieskastel. Der kleine, inhabergeführte Betrieb beschreibt sich selbst als bundesweiten Spezialisten für komplizierte Datenrettungen. Fast alle Aufträge drehten sich darum.

Diese Arbeit schätzen nach SR-Recherchen auch Ermittlungsbehörden. Landeskriminalämter, die Bundespolizei und mehrfach auch das Bundeskriminalamt zählten schon zu den Kunden. Doch Recherchen zeigen: Beim Geschäft mit Privatkunden gibt es Unregelmäßigkeiten. In internen Firmen-Unterlagen, die dem SR zugespielt wurden, finden sich mehr als 70 Fälle, in denen sich Kunden hintergangen fühlen.

Es geht um möglicherweise untergeschobene Rechnungen von meist rund 900 Euro für eine Datenrettung. Die betroffenen Privatkunden erklären, so ein Angebot nie angenommen zu haben. Der Anbieter widerspricht, betont häufig, ResQ selbst könne keine Angebote für Kunden akzeptieren. Doch das stimmt mutmaßlich nicht. Dem SR liegt ein Video vor, das zeigt, wie ein ResQ-Mitarbeiter ein Angebot als "vom Kunden akzeptiert" markiert. Dass es diese Möglichkeit mindestens bis Mitte 2024 gab, bestätigt ein Insider, der die internen Betriebsabläufe kennt. Diese Person will anonym bleiben. Der Redaktion ist sie bekannt.

Absichtlich beschädigt?

Der Insider erzählt außerdem: Wenn ein Kunde statt einer Datenrettung sein Handy zurück wollte, sei dessen Gerät in der ResQ-Werkstatt mitunter beschädigt worden, "und zwar so, dass eine andere Firma eben nicht mehr die Daten retten kann". Wegen solcher und ähnlicher Streitigkeiten mit Privatkunden hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bereits acht Mal gegen den Eigentümer von ResQ ermittelt. Vorwurf: Betrug, Unterschlagung oder Sachbeschädigung.

Ein Fall landete vor dem Amtsgericht, das stellte das Verfahren wegen geringer Schuld ein. Andere Ermittlungen wurden eingestellt mangels hinreichendem Tatverdacht. Eines läuft aktuell wieder, ob es dort tatsächlich zu einer Anklage kommt, ist offen. Ungeachtet der wiederkehrenden Auseinandersetzungen vertrauen Strafverfolgungsbehörden aus ganz Deutschland auf den Anbieter. Dem SR liegen rund 30 Rechnungen an Behörden vor, im Gesamtwert von rund einer Viertelmillion Euro.

Sensible Verfahren

Für das Geld hat der Anbieter etwa Mitarbeiter der Bundespolizei geschult oder kaputte Smartphones zur Datenrettung aufbereitet. Letzteres zum Teil für sensible Ermittlungsverfahren, etwa bei Terrorermittlungen: Wie der ResQ-Inhaber selbst dem SR bestätigte, hatte er einen Auftrag im Rahmen der Aufarbeitung von möglichen Terrorplanungen an Weihnachten 2023 in Köln. Zugang zu Ermittlungsakten hatte der Dienstleister den Behörden zufolge nie. Mit seinen Leistungen zeigten sich die Ermittler auf SR-Anfrage zufrieden.

Ein Experiment soll klären, was es mit den Vorwürfen von Insider und Privatkunden auf sich hat: Experten des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit präparieren Smartphones, die der SR als Privatkunden getarnt einschickt. Bei zwei von vier Geräten treten Unstimmigkeiten auf: Eines der Geräte war bei Einsendung intakt, das andere nur minimal beschädigt. Dennoch diagnostiziert der Anbieter beide Male einen Totalschaden und bietet eine Datenrettung für zunächst 899 Euro an.

Jedoch: Auf einem der Geräte ist eine versteckte App installiert. Diese sendet den Akkustand. Der Anbieter informiert im Kundenchat über den angeblichen Totalschaden. Später präzisiert er: Bauteile des Smartphones seien "entlötet und vermessen", das bedeutet, Bauteile wurden angeblich entfernt, um sie zu prüfen. Doch das Gerät sendet weiter seinen Akkustand. Die Botschaft vom Totalschaden und den entlöteten Bauteilen ist in diesem Fall also nachweislich falsch. Beide Testhandys werden ohne Datenrettung zurückgefordert.

Plötzlich Totalschaden

Debatten um ein angeblich angenommenes Angebot gibt es im Verlaufe des Experiments zwar nicht. Dafür kommen die zwei Smartphones am Ende tatsächlich kaputt aus der ResQ-Werkstatt zurück. Die Fraunhofer-Wissenschaftler analysieren die Geräte und kommen zu dem Schluss: Beide haben vermutlich einen Kurzschluss. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", so sagt es Wissenschaftler Andreas Korb, sei dieser Schaden nicht beim Transport entstanden, sondern bei ResQ, versehentlich oder mit Absicht.

Der Inhaber von ResQ hält hingegen Transportschäden für möglich. Sein Anwalt ergänzt, dass auch Fehler in der Werkstatt nicht ganz auszuschließen, aber unwahrscheinlich seien. Bei ResQ würden aber keine Geräte vorsätzlich beschädigt. Er zweifelt zudem Methoden und Ergebnisse des Experiments an. Bei ResQ würden außerdem keine Kostenvoranschläge ohne vorherige Diagnose erstellt und keine Rechnungen untergeschoben.

Die Ermittlungsbehörden, die schon Kunde bei ResQ waren, teilen mit, von den eingestellten Ermittlungsverfahren gegen ihren Dienstleister nichts gewusst zu haben. Einzig die Staatsanwaltschaft Saarbrücken: Sie hatte im vergangenen Jahr einen Auftrag an ResQ vergeben - während sie zeitgleich in mehreren Fällen gegen den Inhaber ermittelte. Sie verweist darauf, dass der Inhaber nicht rechtskräftig verurteilt sei.

Fast 300.000 Geräte

Nach Angaben des BKA hatten Landeskriminalämter und Strafverfolgungsbehörden des Bundes allein 2023 fast 300.000 digitale und elektronische Beweismittel auf dem Tisch. Der Professor für digitale Forensik, Dirk Labudde, betonte, zwar gebe es auch innerhalb der Behörden gute IT-Fachleute, aber: "Jetzt kommen wir leider zu dem ernsten Punkt: Reicht die Anzahl der Mitarbeiter, die das können, innerhalb der Behördenwelt aus?" Und wenn die nicht ausreiche, kämen eben auch externe Dienstleister wie ResQ ins Spiel. Doch angesichts des Fraunhofer-Experiments findet Labudde, "sollte man die Frage stellen, sind das wirklich Partner auf Augenhöhe?" Hier gehe es immerhin um nichts weniger als den "Rechtsfrieden in unserer Demokratie".