
Ermittlungen Neuer Sabotageverdachtsfall bei der Marine
Bundeswehr und Polizei ermitteln wegen eines weiteren möglichen Sabotagefalls - diesmal an der Fregatte "Hessen" in Wilhelmshaven. Das ergaben Recherchen von WDR, NDR und SZ. Laut diesen geht es um die Verunreinigung des Trinkwassersystems.
Die "Hessen" ist ein mächtiges Schiff: 143 Meter lang, 17,4 Meter breit. Die Fregatte aus der "Sachsen"-Klasse ist vor allem dafür bestimmt, Angriffe aus der Luft zu bekämpfen. Mit ihrem Radar kann sie etwa den Luftraum über der gesamten Nordsee überwachen. Sie hat eine Motorleistung von 50.000 PS.
Im vergangenen Jahr half die "Hessen" dabei, im Roten Meer die Seewege entlang der jemenitischen Küste vor Angriffen der Huthi-Milizen zu schützen. Die Besatzung wurde dafür mit der Gefechtsmedaille ausgezeichnet. Zurück im Heimathafen an der niedersächsischen Küste geriet das Schiff nun womöglich ins Visier von Saboteuren.
Trinkwasser sollte offenbar verunreinigt werden
Nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hat es in dieser Woche einen mutmaßlichen Sabotageakt auf die "Hessen" gegeben, die derzeit in Wilhelmshaven im Marinestützpunkt am Pier liegt. Den Informationen zufolge besteht der Verdacht, dass versucht worden sein könnte, das Trinkwassersystem der Fregatte mit Dutzenden Litern Altöl zu verunreinigen. Nur durch aufmerksame Marineangehörigen konnte wohl Schlimmeres verhindert werden.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, dass am Donnerstag ein "möglicher sicherheitsrelevanter Vorfall im Marinearsenal Wilhelmshaven" festgestellt wurde. Dort befinde sich derzeit unter anderem auch die Fregatte "Hessen" - für eine planmäßige Instandsetzung. Der Sprecher erklärte weiter: "Die Umstände des Vorfalls werden derzeit durch die zuständigen militärischen und zivilen Ermittlungsbehörden untersucht." Zum Stand der Ermittlungen und zu weiteren Details wollte er sich nicht äußern.

Im Februar 2024 war die "Hessen" vom Marinestützpunkt Wilhelmshaven zu ihrem mehrmonatigen Einsatz im Roten Meer aufgebrochen.
Polizei bestätigt Ermittlungen
Auch die Polizei in Wilhelmshaven bestätigte, dass es ein Ermittlungsverfahren gebe: "Wir ermitteln mit der Bundeswehr im Zusammenhang mit einem Vorfall bezüglich eines Marineschiffes." Den Informationen zufolge ist zudem das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) in die Aufklärung einbezogen.
Bislang ist wenig über den Vorfall bekannt: Der Recherche zufolge soll eine private Firma aus Niedersachsen mit dem Befüllen des Trinkwassersystems beauftragt gewesen sein. Auf Anfrage hieß es aus dem Unternehmen, dass man sich nicht äußern wolle. Insider schließen eine unbeabsichtigte falsche Befüllung der Trinkwassertanks aus.
Angeblich soll sich der entstandene Schaden in Grenzen halten, da Marineangehörige frühzeitig auf die Verunreinigung aufmerksam geworden sein sollen. Dadurch konnte offenbar eine umfangreiche Verschmutzung verhindert werden. Die Reinigung aller Systeme des Schiffs hätte sehr lange gedauert.
"Hessen" war im Roten Meer im Einsatz
Welche Bedeutung die "Hessen" für die Marine hat, zeigte sich im vergangenen Jahr - und zwar beim ersten Kampfeinsatz der Marine nach Ende des Zweiten Weltkrieges: Das Schiff mit der Besatzung von 240 Männern und Frauen trug dazu bei, im Roten Meer die Handelsschifffahrt vor den Angriffen der Huthi-Milizen zu schützen. Die Bilanz: Insgesamt eskortierte sie 27 Handelsschiffe und wehrte vier Angriffe ab, wie es nach dem Einsatz für die EU-Militärmission "Aspides" aus dem Verteidigungsministerium hieß.
Erst in der vergangenen Woche hat der Inspekteur der Marine Jan Christian Kaack selbst öffentlich erklärt, dass die Marine mittlerweile Angriffsziel von Saboteuren sei. Kaack sprach davon, dass "wir auf mehr als einer Einheit Zerstörung, also Sabotage, gesehen haben". In den Werften seien deshalb entsprechende Maßnahmen getroffen worden. Solche Sabotageversuche würden nicht nur Marineschiffe betreffen. Es würde, so Kaack, auch Versuche geben, auf Marinestützpunkten einzudringen. Damit werde möglicherweise der Grundstein für spätere militärische Aktivitäten gelegt.
Mutmaßlicher Sabotagefall auch auf der "Emden"
Mitte Januar hatte es nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung einen mutmaßlichen Sabotagefall auf der Korvette "Emden" gegeben. Unbekannte sollen Dutzende Kilogramm Metallspäne in den Antrieb gekippt haben. Das war der Recherche zufolge bei einer Kontrolle auf der Werft Blohm+Voss kurz vor der ersten Ausfahrt der "Emden" Mitte Januar festgestellt worden.
Das Schiff soll gereinigt worden sein, bevor es schließlich in Betrieb ging. Nach Auffassung von Marinefachleuten können solche Metallstücke erheblichen Schaden an dem Schiff verursachen, wenn sie nicht entdeckt werden. Im Fall der Korvette hätten sie möglicherweise die Auslieferung an die Bundeswehr auf lange Zeit verzögert.
Warnungen der Sicherheitsbehörden vor Sabotage
Vor wenigen Tagen hatte der "Spiegel" von einem weiteren Sabotageverdacht im Zusammenhang mit einem Minenjagdboot der Marine berichtet. Bei einem Aufenthalt in einer Rostocker Werft sollen unbekannte Täter während der Wartungsarbeiten mehrere Kabelbäume im Inneren des Schiffs durchtrennt haben. Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt.
Deutsche Sicherheitsbehörden warnen seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor der zunehmenden Gefahr durch Spionage und Sabotage. In der Bundesrepublik ist etwa die Zahl der Sichtungen von unbekannten Drohnen über Militäreinrichtungen wie der US-Militärbasis Ramstein oder Standorten der Kritischen Infrastruktur wie Industrieparks gestiegen. Zuletzt sorgten Flugkörper über dem Luftwaffenstandort Schwesing bei Husum in Schleswig-Holstein für Aufsehen. Dort werden auch ukrainische Soldaten an Waffensystemen ausgebildet.