Geschäfte in Belarus Hat AfD-Politiker Dornau Sanktionen umgangen?
Vor Kurzem war der sächsische AfD-Politiker Dornau in die Schlagzeilen geraten, weil auf seinen Feldern in Belarus politische Gefangene arbeiten. Nun bringen MDR-Recherchen neue Vorwürfe ans Licht: Hat Dornau EU-Sanktionen gebrochen?
Am 16. August 2022 geht eine Zollanmeldung bei den polnischen Behörden ein. Die Firma des sächsischen AfD-Politikers Jörg Dornau will einen Manitou MLT 731 exportieren. Eine Maschine, die schwere Ladungen fast sieben Meter in die Höhe heben und stapeln kann. Der Manitou ist wuchtig, er wiegt fast sieben Tonnen und er soll zusammen mit Zubehör aus Polen nach Kasachstan. So weit, so ungewöhnlich.
Doch die Adresse, an die die Staplermaschine laut Zollanmeldung geliefert werden soll, ist eine Wohnung in der Stadt Almaty in Kasachstan. Ob der tonnenschwere Manitou dort je ankommt? Unwahrscheinlich, so ein Beteiligter. Und tatsächlich geht fast zur gleichen Zeit auch in Polens Nachbarland Belarus eine Zollanmeldung ein. Für den exakt gleichen Teleskoplader. Laut Papieren kommt der offiziell aus Kasachstan nach Belarus. Empfänger: Jörg Dornaus belarussische Firma.
Umweg von mehr als 8.000 Kilometern?
Warum sollte jemand mit einer tonnenschweren Maschine einen Umweg von mehr als 8.000 Kilometern machen, nur um sie aus Polen ins angrenzende Nachbarland zu bringen?
Die Zolldokumente, die dem MDR vorliegen, geben darauf selbst keine Antwort. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle möglicherweise schon. "Güter mit dem KN-Code 8427 sind von Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 erfasst und unterliegen seit dem 02.03.2022 (Verordnung (EU) 2022/355) einem Exportverbot nach Belarus", so ein Sprecher der Behörde auf MDR-Anfrage. Mit anderen Worten: Diese Maschine aus der EU nach Belarus zu liefern war verboten und ist es bis heute.
Durch den Transport über Polen und Kasachstan nach Belarus könnte dieses Verbot umgangen worden sein. Denn für Kasachstan gibt es keine Exportbeschränkungen, für Belarus aber schon. Das Land unterstützt Russland bei dessen Angriffskrieg in der Ukraine, weshalb gegen Belarus Sanktionen in einem nie dagewesenen Ausmaß verhängt wurden.
Dass Firmen sich nicht an solche Sanktionen halten, passiert ständig. Im Fall von Kasachstan offenbar so oft, dass die EU ein eigenes Sanktionspaket verabschiedete, um das Unterlaufen der Sanktionen durch Drittländer zu verhindern. Was diesen Vorgang jedoch so pikant macht sind der Versender und der Empfänger der Ware.
Versendet durch die Firma "Landprojekt Dornau"
Versendet wurde die tonnenschwere Staplermaschine von Dornaus sächsischer Firma "Landprojekt Dornau". Erhalten in Belarus hat sie "Zibulka-Bel", ein landwirtschaftlicher Betrieb, dessen einziger Geschäftsführer mittlerweile ebenfalls Dornau ist.
Dornau ist AfD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag und stellvertretender Kreisvorsitzender des AfD-Kreisverbandes Landkreis Leipzig. Seine belarussische Firma "Zibulka Bel" hat vom dortigen Regime riesige Ländereien bereitgestellt bekommen. Und er war erst vor wenigen Wochen in die Schlagzeilen geraten, weil auf den Feldern seiner Zwiebelfarm in Belarus auch politische Gefangene zur Arbeit eingesetzt worden sein sollen.
Belarus gilt als undemokratisch und autoritär, der seit 30 Jahren amtierende Machthaber Lukaschenko als "letzter Diktator Europas". Selbst ohne Sanktionen meiden viele Firmen das Land. Nicht so Dornau.
Zunächst hatte im belarussische Auslandsmedium "reform.news" ein ehemaliger Häftling über die Arbeit auf Dornaus Feldern berichtet, MDR-Recherchen hatten die Vorwürfe wenig später erhärtet. Zahlreiche Medien griffen die Berichterstattung auf, die Staatsanwaltschaft leitete Vorermittlungen ein, die bis heute laufen.
Dornau lässt Fragen unbeantwortet
Dornau selbst wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern - Vorwürfe, die nun eine neue Qualität bekommen. Denn die dem MDR vorliegenden Unterlagen, Zolldokumente und Zeugenaussagen legen den dringenden Verdacht nahe, dass Dornau EU-Sanktionen umgangen haben könnte.
War dem AfD-Mann Dornau all das bewusst? Hat er bewusst Sanktionen umgangen? Fragen, die der Politiker auf MDR-Anfrage unbeantwortet ließ. Im Umfeld von Dornaus Firma in Belarus hört man jedenfalls, Dornau sei selbst mit den Zollunterlagen befasst gewesen, habe sogar Änderungen in den Einträgen auf den Dokumenten angewiesen.
Tatsächlich handelt es sich bei Sanktionsumgehungen aber keineswegs um "Kavaliersdelikte", erklärt David Rösch, Rechtsanwalt bei der Kanzlei NOERR. Wer fahrlässig handle riskiere ein Bußgeld von bis zu einer halben Million Euro. Komme man dagegen in den strafrechtlich relevanten Bereich, so Rösch, könne das Umgehen von Sanktionen sogar mit Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren geahndet werden. Das wäre beispielsweise bei gewerbsmäßigem Handeln der Fall.
Mehrere Vorwürfe im Raum
Spricht man mit Ermittlern über die Dokumente und Informationen heißt es, der Transportweg über Kasachstan sei zumindest grundsätzlich auffällig, da es sich bei einer Lieferung aus Polen über Kasachstan nach Belarus um einen geographischen Umweg handle. Zudem sei auch bei solchen Waren ein Apartment als Firmensitz und Lieferadresse etwas, bei dem man aufmerksam würde.
Zwei Vorermittlungsverfahren laufen bereits gegen Jörg Dornau: Eines bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden zur Frage, ob sich Dornau, dem das Regime in Belarus mehr als 1.500 Hektar zur Bewirtschaftung überlassen hat, möglicherweise wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht haben könnte. Ein anderes bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig, bei dem es um den Einsatz politischer Gefangener auf Dornaus Feldern in Belarus geht. Womöglich kommt bald ein Drittes dazu.