Gedenkstätte mit Kerzen und Blumen in Aschaffenburg.
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Nach dem Angriff in Aschaffenburg Die Nerven bewahren

Stand: 23.01.2025 18:18 Uhr

Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg reicht es nicht Scheinlösungen zu präsentieren. Über Migrationspolitik muss sachlich, menschlich und lösungsorientiert diskutiert werden - ohne die Nerven zu verlieren.

Ein Kommentar von Björn Dake, ARD Berlin

Es ist schwer, angesichts des Angriffs in Aschaffenburg die Nerven zu bewahren. Was kann es Schlimmeres geben, als kleine Kinder mit einem Messer anzugreifen, zu töten und zu verletzen? Umso schwerer wird es, wenn sich einmal mehr ein Versagen von Verwaltung und Politik zeigt. In der Verwaltung, weil Behörden zu langsam sind, zu wenig miteinander vernetzt, unterbesetzt und überfordert.

Mögliche Antworten darauf wären: konsequente Digitalisierung, mehr Personal, klarere Gesetze, zentrale Zuständigkeiten. Doch diese Antworten sind kaum zu hören. Weil eine Verwaltungsreform in vielen Ohren als zu lasche Antwort auf eine tödliche Attacke klingt - und weil es ein echter politischer Kraftakt wäre, das Durcheinander der Zuständigkeiten glatt zu ziehen.

Problembeschreibung ist keine Problemlösung

Und damit ist man beim Versagen der Politik. Immer wieder ist nach Angriffen wie in Mannheim, Solingen oder Aschaffenburg zu hören: "Es reicht."

Und genau das reicht eben nicht. Es reicht nicht, die bekannten Probleme zu beschreiben, Verantwortungen hin und her zu schieben und Scheinlösungen zu präsentieren. Der Bundestag hat im vergangenen Jahr mehrfach Gesetze geändert. Wir haben aktuell die schärften Sicherheitsgesetze seit langer Zeit. Grenzkontrollen an allen Grenzen.

Doch wenn der Staat es nicht schafft, diese Gesetze konsequent durchzusetzen, verliert er Vertrauen. Und das verliert die Politik auch, wenn sie Lösungen anbietet, die nicht funktionieren.

Zuwanderung lässt sich nicht allein national regeln

CDU, CSU und AfD sagen jetzt sinngemäß: Grenzen dicht, mehr abschieben. Keine Kompromisse mehr. Doch Politik ist immer Kompromiss. Erst recht in der Migrationspolitik.

Deutschland ist keine Insel. Wer Zuwanderung ordnen will, kann das nur mit seinen Nachbarn, Herkunftsländern und internationalen Organisationen. Wer glaubt, Zuwanderung allein national ordnen zu können, macht sich und den Wählerinnen und Wählern etwas vor.

Viele Abschiebungen scheitern, weil die Ausreisepflichtigen keine Papiere haben. Ohne Pass kein Flugticket und keine Einreise in ein anderes Land. Wenn die Länder an den EU-Außengrenzen nicht mitspielen, gibt es keine Rücküberstellungen. Wenn nicht alle EU-Mitglieder mitstimmen, gibt es keine Gesetzesänderungen. Da können sich deutsche Politiker auf den Kopf stellen. Und das Personal für Ausländerbehörden und Polizei können auch Union und AfD nicht aus dem Hut zaubern.

Wir müssen reden und über Konzepte streiten

Wir müssen über unsere Migrationspolitik reden. Und wir müssen übrigens auch darüber reden, wie psychisch Kranke besser erkannt werden und schneller Hilfe bekommen.

Wir müssen über die besten Konzepte streiten. Auch und gerade im Wahlkampf. Dafür ist er da. Aber bitte sachlich, menschlich und lösungsorientiert. Lösungen, die funktionieren. So schwer es angesichts des schrecklichen Angriffs in Aschaffenburg ist: Wir müssen die Nerven bewahren.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 23. Januar 2025 um 17:05 Uhr.