Industriestrompreis Es geht um die Substanz
Die Wirtschaft hat nach wie vor mit den Folgen der Energiekrise zu kämpfen. Viele Betriebe stehen unter Druck. Wirtschaftsminister Habeck hat jetzt ein Konzept vorgelegt und dafür war es höchste Zeit.
"Made in Germany": Das ist mehr als eine Herkunftsbezeichnung. Die Marke steht für die Stärke der deutschen Industrie. Und dafür, wie sehr sich der Wohlstand unseres Landes aus Branchen wie dem Maschinenbau speist.
Doch spätestens seit der kriegsbedingten Energiekrise stehen produzierende Betriebe unter Druck - gerade in Wirtschaftszweigen wie der chemischen Industrie oder der Metallproduktion. Wer die Dinge in dieser Lage einfach dem Markt überlässt, riskiert Wohlstandsverluste. Deshalb ist es gut, dass der Bundeswirtschaftsminister jetzt gegensteuern will.
Die Zahlen sprechen für sich: Die Industrieproduktion insgesamt schwächelt - und in den energieintensiven Branchen ist sie seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar vergangenen Jahres regelrecht eingebrochen. Das Statistische Bundesamt hat für den Zeitraum bis Juli dieses Jahres ein Minus von fast 17 Prozent ermittelt.
Das Geld wäre gut investiert
Hinzu kommt: Industrieunternehmen in Deutschland müssen im Schnitt deutlich mehr für Strom zahlen als Konkurrenzfirmen in den USA oder China. Auch in Frankreich ist das Preisniveau niedriger, wie eine aktuelle Studie im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft zeigt. Für betroffene Unternehmen hierzulande ein entscheidender Wettbewerbsnachteil.
Als Gegenmittel schlägt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor, den Strompreis für energieintensive Industriebetriebe eine Zeit lang zu subventionieren. Das würde wohl viele Milliarden kosten. Aber das Geld wäre gut investiert. Denn auf lange Sicht könnten sonst ganze Industriezweige aus Deutschland verschwinden - von der Stahlproduktion bis zur Zementherstellung. Für einen solchen Fall warnen Fachleute vor einem Dominoeffekt: Nach und nach wären auch andere Branchen bedroht.
Es steht viel auf dem Spiel
Kritiker eines subventionierten Strompreises argumentieren, dass man damit Firmen stütze, die eigentlich nicht wettbewerbsfähig seien. Doch das greift aus zwei Gründen zu kurz: Erstens soll der Staat den Preis nur so lange künstlich niedrig halten, bis genügend günstiger Ökostrom für die Wirtschaft vorhanden ist. Zweitens bietet die Industrie Millionen von Menschen einen Arbeitsplatz, meist ordentlich bezahlt und durch Tarifverträge abgesichert. Es geht also um die Art von Jobs, von denen Beschäftigte gut leben können.
Zugegeben, ein subventionierter Strompreis allein wird die deutsche Industrie nicht retten. Weniger Bürokratie, mehr Investitionen in Schienen, Straßen und Brücken, neue Handelsabkommen - das alles gehört auch dazu. Aber ein Industriestrompreis wäre ein erster wichtiger Schritt, auch wenn der Kanzler und die FDP noch skeptisch sind. Sie sollten sich einen Ruck geben, denn es steht viel auf dem Spiel.
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