Steinmeier zu Ukraine-Hilfe Bundespräsident mit SPD-Ostpolitik im Rucksack
Das Nein von Kanzler Scholz bei Waffenlieferungen an die Ukraine stößt bei Bundespräsident Steinmeier auf Verständnis. Er spottet über "Kaliberexperten", die mehr wollen. Damit macht er sich angreifbar, meint Georg Schwarte.
"Kaliberexperten" also. Das sind wohl die, die der Kanzler, wenn er die bekannten oder selbsternannten Militärexperten hierzulande beschimpfen möchte, gern "Jungs und Mädels" nennt. Weil die "Kaliberexperten" ihm so dermaßen auf die Nerven gehen. Jetzt also legt sich der Bundespräsident mit den "Kaliberexperten" an. Ja, wir haben einen Bundespräsidenten, auch wenn manche sagen, man habe von Joachim Gauck ja doch länger nichts mehr gehört.
Der Bundespräsident heißt aber Steinmeier und war bisher nicht durch nachhaltig in Erinnerung bleibende Auftritte oder bewegende Reden aufgefallen. So gesehen sorgt das Staatsoberhaupt gerade für ungewöhnlich viel Aufregung auf einmal. Was nicht per se schlecht sein muss.
Erst Dönerspieß - dann Kaliberexperten
Erst reist der Mann mit einem Dönerspieß samt Koch in die Türkei und bezieht Prügel für ein falsch gewähltes Symbol der Integration türkischer Einwanderer in Deutschland. Jetzt hat er offenbar Grenzen überschritten, weil er die Militärexperten als "Kaliberexperten" beleidigt, die unter anderem über das Taurus-Waffensystem mit - so Steinmeier - "Ausgelassenheit und wachsendem Ehrgeiz" diskutieren würden.
"Kaliberexperten". Darf er das? Darf ein Bundespräsident sagen, dass es keine schlechte Zwischenbilanz für Deutschland sei, wenn nach zweieinhalb Jahren Krieg die deutsche Bevölkerung mehrheitlich die militärische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine weiter befürworte? Ja, er darf das grundsätzlich. Manchmal muss dieser Bundespräsident vielleicht sogar zuspitzen, um aus dem Gewirr verschachtelter Gemeinplätze heraus verstanden zu werden.
Die Tatsache übrigens, dass die bekannten oder selbsternannten Militärexperten sich jetzt alle derart aufregen, muss kein schlechtes Zeichen sein. Schwierig allein wird die Sache, weil der Bundespräsident Steinmeier heißt. Ein langjähriger SPD-Politiker mit derzeit ruhendem Parteibuch, der einem SPD-Kanzler mit ruhendem Puls attestiert, einen ganz guten Job gemacht zu haben.
SPD-Ostpolitik holt Steinmeier ein
Ein Mann mit außenpolitischen Altlasten im Rucksack, der als Kanzleramtschef, als Außenminister eine Russlandpolitik verfolgte, die im heutigen Lichte sogar Steinmeier selbst ratlos und sehr schweigsam macht. Ein Mann, der vom ukrainischen Präsidenten ausgeladen wurde, bevor er doch noch nach Kiew reisen durfte. Ein Mann, der jahrzehntelang SPD-Ostpolitik inhalierte und später für den Geschmack vieler seine Fehler zu wenig reflektierte.
"Das Amt des Bundespräsidenten ist ein überparteiliches, und ich verspreche Ihnen: So werde ich es weiterführen." Das hat Steinmeier zu Beginn seiner zweiten Amtszeit gesagt. So weit so schön. Noch besser wäre es, wenn dieser Bundespräsident uns Mitbürgerinnen und Mitbürgern in diesen Zeiten die Zeitenwende erklären würde.
Eine Zeitenwende, die der Kanzler so mutig ausrief, aber sich danach nie traute, daraus folgende Zumutungen zu beschreiben. Ein Bundespräsident muss mir nicht erklären, warum ein Taurus-Marschflugkörper geliefert oder eben nicht geliefert wird. Dafür gibt es - genau - die angeblichen Kaliberexperten. Ein Bundespräsident aber sollte in Zeitenwendezeiten mir die Ernsthaftigkeit der Lage erklären können und vor allem wollen. Ein solcher Bundespräsident aber fehlt.