Sahra Wagenknecht redet im Deutschen Bundestag
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Spekulation um Parteigründung Um Inhalte geht es Wagenknecht bislang nicht

Stand: 19.10.2023 15:50 Uhr

Sehr lange hat Wagenknecht vor allem eines: sehr laut nachgedacht über eine neue Partei. Ihrer Noch-Partei und auch vielen Menschen hat sie damit keinen Gefallen getan. Um Inhalte ging es ihr bislang nicht.

Ein Kommentar von Bianca Schwarz, ARD Berlin

So langsam nervt es. Seit etwa zwei Jahren tut Sahra Wagenknecht in erster Linie eines: laut nachdenken. Laut nachdenken darüber, wie man links und konservativ sein kann. Laut nachdenken darüber, dass schon länger nicht mehr übereinstimmt, was sie für richtig hält und was die Linkspartei für richtig hält. Laut nachdenken darüber, ob nicht die Gründung einer ganz eigenen Partei die beste Lösung wäre. Für wen, ist klar: erstmal für sie selbst.

Denn der Linkspartei tut sie mit den vielen laut geäußerten Gedanken nachweislich keinen Gefallen. Das haben die desaströsen Ergebnisse der beiden Landtagswahlen in Hessen und Bayern gerade wieder eindrücklich gezeigt. Und den Bürgerinnen und Bürgern, die an der Wagenknecht-Partei interessiert wären, tut sie mit dem lauten Nachdenken, ohne zu Entscheidungen zu kommen, auch keinen Gefallen. So langsam haben immer mehr Menschen nämlich keine Lust mehr, ihr beim lauten Nachdenken zuzuhören.

Wagenknecht führt die Linke vor

Wenn die Ziele von Wagenknecht und die Ziele der Linkspartei nicht mehr übereinstimmen, dann ist das traurig, kommt aber in den besten Beziehungen vor. Manchmal lebt man sich halt auseinander. Eine Trennung wegen unüberwindbarer Differenzen ist nicht die schönste, aber oft die fairste Lösung. Nur - das geschieht hier nicht.

Wagenknecht führt die Linke vor, hält sie am seidenen Faden. Weil Wahlforscher aber sagen, eine Wagenknecht-Partei könnte aus dem Stand bei einer Bundestagswahl auf bis zu 15 Prozent kommen und hauptsächlich der AfD das Wasser abgraben, verfolgt die Öffentlichkeit aufgeregt jeden ihrer lauten Gedanken. Jetzt schon wieder.

Bundesweit wird spekuliert, ob sie bei der für Montag groß angekündigten Pressekonferenz nun die Gründung eines Wagenknecht-Vereins oder einer Wagenknecht-Partei bestätigt oder doch nichts von alledem.

Was fehlt: Inhalte

Um Inhalte geht es dabei selten. Sollte es aber, denn eins muss man bei der ganzen Aufregung um Wagenknecht bis zum Ende denken: Dass sie selbst sich ins Schaufenster einer eigenen Partei stellt: sehr wahrscheinlich. Dass sie aber selbst als Kandidatin, etwa bei der Landtagswahl in Thüringen im September 2024 antritt, um dann die nächsten Jahre in Erfurt zu wirken - das ist äußert unwahrscheinlich. Das würde wohl eher jemand anderes machen.

Und deswegen täte Wagenknecht gut daran, Klartext zu reden, ihre Partei zu gründen und dann schnell auch Inhalte und Menschen für ihre neue Partei vorzustellen. Wer in ihrem Namen was vertreten soll, wird entscheidend dafür sein, dass das Interesse an der Wagenknecht-Partei mindestens so lange anhält wie das Interesse an der Spekulation um ihre mögliche Partei. Und wenn sie das nicht bald mal hinkriegt, dann hat sie einfach nur jahrelang genervt.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 19.10.2023 15:19 Uhr
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