Das Frankfurter Tor in Berlin.

Hermann Henselmann Der Architekt der DDR

Stand: 05.03.2025 15:25 Uhr

Hermann Henselmann wäre in diesen Tagen 120 Jahre alt geworden. Der Architekt ist vielen als einer der Schöpfer der heutigen Berliner Karl-Marx-Allee bekannt. Aber er hat viel mehr geschaffen.

Die Türme sind etwas ganz Besonderes, einzigartig. Sie ziehen die Blicke der Passanten in die Höhe: 13 Stockwerke mit Kuppel. Und das gleich zweimal. Das Bauensemble am Frankfurter Tor im Berliner Bezirk Friedrichshain ist der spektakulärste Teil der Karl-Marx-Allee, die in den 1950er-Jahren Stalinallee hieß.

Die Architektur von Allee und Türmen nennen die einen Zuckerbäckerstil, die anderen sozialistischen Klassizismus. Hermann Henselmanns Name ist damit eng verbunden, dabei hat er nur die Türme und zwei weitere Häuser entworfen. Die Allee ist das Werk eines fünfköpfigen Kollektivs. 

"Arbeiterpaläste" mit Komfort

Arbeiterpaläste sollten die Häuser an der Stalinallee werden, keine Mietskasernen. Das ist gelungen. 3.000 Wohnungen mit Komfort wie Fahrstuhl, Bad und Parkett.  Bis heute wirken die Räume edel und großzügig, verglichen mit anderen Neubauten dieser Zeit. Im zehnten Stock des Nordturms am Frankfurter Tor ist diese Großzügigkeit zu erleben. Hier, im ehemaligen Atelier Henselmanns, wohnt der Architekt Thomas M. Krüger, der seine Wohnung als Denkmal dieser Zeit eingerichtet hat.  

Wer die Vier-Zimmer-Wohnung betritt, wird zuerst vom spektakulären Ausblick auf den Platz am Frankfurter Tor und die angrenzenden großen Straßen angezogen. Von hier oben wird die Dimension dieses städtebaulichen Ensembles erst richtig deutlich. 2,3 Kilometer lang und 90 Meter breit ist die Bebauung der ehemaligen Stalinallee.  

Hermann Henselmann

Einer der prägendsten Architekten der DDR - Hermann Henselmann war auch vom Bauhaus-Stil inspiriert.

Aber auch das Innere der Wohnung ist sehenswert. Möbel und Accessoires entstanden in den 1950er- und 1960er-Jahren. Seltene Einzelstücke und inzwischen ebenso seltene Objekte aus DDR-Industrieproduktion vermitteln einen Eindruck von der Wohnkultur der damaligen Zeit.  

Henselmann hätte das gefallen, denn die Sessel, Sofas, Tische, Sideboards und Teppiche zeigen deutliche Bezüge zur Kunst des Bauhauses, die Henselmann stark geprägt hat. Seine Frau Irene, ebenfalls Architektin, machte sich einen Namen als Autorin von Artikeln mit Tipps, wie kleine Wohnungen mit wenigen Mitteln individuell und geschmackvoll eingerichtet werden können. Die Möbel dieser Wohnung hätte sie sicher empfohlen. 

 

Kompromisse für den Städtebau

Das Paar selbst wohnte mit seinen acht Kindern am anderen Ende der Karl-Marx-Allee am Straußberger Platz im damaligen "Haus des Kindes", ebenfalls ein Werk Henselmanns. Dabei mochte der Architekt die Häuser der Stalinallee gar nicht so besonders. Für ihn waren sie ein Kompromiss zwischen den Forderungen der DDR-Staatsführung nach "Architektur, die den Arbeitern gefällt" und seinem Ideal von moderner Architektur im Stil des Bauhauses Mies van der Rohes und Le Corbusiers.  

Das konnte er erst später verwirklichen, Anfang der 1960er-Jahre, bei der Neugestaltung des Alexanderplatzes. Hier entwarf er das bekannte Haus des Lehrers, ein Hochhaus in Glas und Stahl mit einem Bilderfries des Künstlers Walter Womacka. Auch die danebenliegende Kongresshalle wurde nach seinen Ideen erbaut. Bis heute wirkt das Ensemble hochmodern.  

Erfinder des Fernsehturms

Was weniger bekannt ist: Auch der Fernsehturm am Alexanderplatz, das Wahrzeichen Berlins, geht auf einen Entwurf Henselmanns zurück. Ursprünglich reichte er den "Turm der Signale" bei einem Wettbewerb für den Bau eines Regierungshochhauses ein.

Dafür allerdings war er der DDR-Führung viel zu abstrakt und modern. Als Fernsehturm wurde er Jahre später dann trotzdem gebaut. Bis heute prägt er die Silhouette Berlins und ist mit inzwischen 368 Metern noch immer das höchste Gebäude der Stadt .

Verfechter von Plattenbauten

Auch bautechnisch war Henselmann ein Visionär. Er vertrat schon früh die Auffassung, dass der Wiederaufbau deutscher Städte nur durch serielles Bauen gelingen könne, war ein Verfechter von Plattenbauten. Schon in der Stalinallee wurden vorgefertigte Elemente genutzt. Später entwarf er die bekannteste Baureihe der DDR: Plattenbau P2. 

Heute stehen die meisten der Bauten Henselmanns unter Denkmalschutz. Sie gelten als wichtige Zeugnisse der DDR-Moderne. Henselmann wird als einer bedeutendsten Architekten der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gewürdigt. Ihn hätte das gefreut. Er sagte einmal in einem Interview: "Der Architekt ist unter den Künstlern der Optimist. Er kann mit seinen Werken nicht kritisieren. Es muss wirken und schön aussehen." 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Kultur Radio am 10. Februar 2025 um 17:40 Uhr.