Migrationsgesetz im Bundestag ++ SPD behält sich Gang nach Karlsruhe vor ++
Die SPD will laut Generalsekretär Miersch möglicherweise gegen das "Zustrombegrenzungsgesetz" vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. CDU-Generalsekretär Linnemann verteidigte das Vorgehen seiner Partei. Die Entwicklungen im Liveblog.
- SPD erwägt Gang vor das Bundesverfassungsgericht
- Linnemann verteidigt Vorgehen der CDU
Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, rechnet damit, dass sich etwa zehn Unionsabgeordnete aus unterschiedlichen Gründen nicht an der geplanten Abstimmung über einen Gesetzentwurf für schärfere Migrationsregeln beteiligen. "Ich gehe davon aus, dass es zwei Handvoll sein könnten, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht an der Abstimmung beteiligen können", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten vor einer Sondersitzung der Fraktion in Berlin.
Frei sagte, es habe gestern den ganzen Tag über Gespräche mit Vertretern von SPD und Grünen gegeben. Auf die Frage, ob diese ergebnislos geblieben seien, antwortete Frei: "Es ist schwierig." Der CDU-Politiker nannte das Ergebnis der geplanten Abstimmung über den Entwurf für ein "Zustrombegrenzungsgesetz" der Union schwer kalkulierbar. "Ich gehe mal davon aus, dass es ein ähnliches Ergebnis sein wird wie bei den Abstimmungen am Mittwoch. Das heißt, sehr, sehr knapp", sagte Frei und fügte hinzu: "Wenngleich ja zumindest das BSW signalisiert hat, dem zustimmen zu wollen." Vorgestern hatte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht bei ähnlichen Unionsanträgen noch enthalten.
Juso-Chef Philipp Türmer fordert die SPD auf, keine Koalition mit der Union unter Friedrich Merz nach der Bundestagswahl einzugehen. Mit diesem erpresserischen Vorgehen nehme Merz sich selbst für eine Koalition unter Demokraten aus dem Spiel, sagte Türmer dem Tagesspiegel. "Weder die SPD noch andere demokratische Parteien dürfen sich davon erpressen lassen."
Das gelte sowohl für die heutige Abstimmung zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz als auch für die Zeit nach der Wahl am 23. Februar. "Wer es mit der Demokratie ernst meint, darf sich darauf nicht einlassen."
Im Morgenmagazin verteidigte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Jens Spahn (CDU), den Entwurf des "Zustrombegrenzungsgesetzes", das heute von der Union im Bundestag zur Abstimmung gebracht werden soll.
Nach der Abstimmung mit Hilfe der AfD für einen Antrag der Union für eine schärfere Migrationspolitik regt sich innerhalb der SPD Widerstand gegen eine mögliche Koalition mit der Union unter einem Kanzler Friedrich Merz (CDU). "Ich bekomme Würgereiz, wenn ich heute an eine große Koalition und Herrn Merz als Kanzler denke", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier dem Tagesspiegel.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren sagte derselben Zeitung, Merz habe sich mit dem gemeinsamen Votum als "unberechenbar" erwiesen. Er halte es für "reinen Wahnsinn, Merz zum Kanzler zu wählen", sagte Dieren, der auch Co-Vorsitzender der linken SPD-Gruppierung Forum DL21 ist. Der SPD-Bundestagsabgeordneten Erik von Malottki kann sich ebenfalls keine Zusammenarbeit mit der CDU von Merz vorstellen.
Einen formalen Ausschluss einer Koalition mit der Union nach der Bundestagswahl fordern die SPD-Abgeordneten bisher aber nicht. "Diese Ausschließeritis führt genau in das Chaos, in dem die Rechtsaußen das Land haben wollen", sagte Breymaier.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge hat trotz der Empörung über die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag Verhandlungen über eine Koalition mit der Union nach der Bundestagswahl nicht ausgeschlossen. "Demokraten müssen in der Lage sein, miteinander über Koalitionen zu verhandeln", sagte Dröge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Wir fordern Friedrich Merz auf: Kommen Sie zurück in die demokratische Mitte", sagte die Politikerin. Die Grünen würden die Unvernunft von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz nicht mit Unvernunft beantworten. Jedoch müssten CDU und CSU die Garantie abgeben, künftig nicht mehr auf gemeinsame Mehrheiten mit der AfD zu setzen, betonte Dröge.
Die SPD will gegen das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz möglicherweise vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, sollte es von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Die von der Union angestrebten Verschärfungen der Migrationsregeln müssten in Teilen "absolut verfassungsrechtlich geprüft werden", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch der Nachrichtenagentur dpa. "Insofern halten wir uns diesen Weg auf alle Fälle offen."
Kern des Gesetzes ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus. Das sind häufig Kriegsflüchtlinge, zum Beispiel aus Syrien. Bei diesem Punkt hat die SPD verfassungsrechtliche Bedenken. "Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich niemals zulassen einen Satz, in dem drinsteht, dass jemand, der hier 10, 15, 20 Jahre lebt - berechtigt - seine Frau nicht nachholen darf", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits am Mittwoch in der ARD-Sendung "Maischberger".
Linnemann verteidigt Vorgehen der CDU
Vor einer neuerlichen Abstimmung im Bundestag über einen Unionsvorstoß mit möglicher AfD-Zustimmung verteidigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Vorgehen seiner Partei. "Wir stimmen nicht gemeinsam mit AfD. Mir ist völlig egal, was sie machen", sagte Linnemann in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner". Wenn man aus Angst, "dass irgendjemand zustimmen könnte", nicht nach seiner Überzeugung handele, so Linnemann, "dann ist das kein Parlament mehr, kein demokratisches Parlament".
An diesem Freitag liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf von CDU/CSU für einen härteren Migrationskurs vor allem beim Familiennachzug zur Beratung und Abstimmung vor. Am Mittwoch war ein Unionsantrag zur Migrationspolitik unter anderem mit den Stimmen der AfD beschlossen worden. Das brachte der Union und Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) schwere Vorwürfe ein. Bei dem am Freitag anstehenden Entwurf handelt es sich um das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz. Es soll unter anderem den Familiennachzug bei Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus aussetzen.
Vizekanzler Robert Habeck hat die Darstellung der Union und von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz zurückgewiesen, sie hätten mit den rot-grünen Regierungsparteien ernsthaft eine Verständigung über den Unionsgesetzentwurf zum Stopp des Familiennachzugs am Freitag gesucht.
"Ich bin auf ihn zugegangen und habe gesagt: Herr Merz, finden wir einen Weg daraus. Finden wir eine Möglichkeit, dass es nicht zur Abstimmung kommt?", sagte Habeck in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Merz habe dies abgelehnt. Habeck warf CDU und CSU Erpressung mit der Zustimmung durch die AfD vor, die am Freitag wie BSW und FDP mit der Union stimmen wollen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verwies auf Gespräche von Merz mit den Fraktionschefs von SPD und Grünen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirft Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) vor, man könne ihm bei der Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD nicht mehr trauen. Merz habe mit Blick auf einen Unionsgesetzentwurf für einen härteren Kurs in der Migrationspolitik, der an diesem Freitag zur Abstimmung steht, gesagt, ihm sei egal, wer zustimme, sagte Scholz dem Sender RTL.
"Das ist eine Politik, die nicht auf Konsens und Kooperation ausgerichtet ist, sondern die genau das will, nämlich die Zustimmung der AfD", sagte Scholz. "Das ist etwas, was ein Tabubruch ist, mit der AfD zu stimmen, dafür gibt es keinen Grund, und Friedrich Merz hat im Deutschen Bundestag selbst ausführlich dargelegt, warum das nicht passieren soll", sagte Scholz. "Und wer hat’s gebrochen? Friedrich Merz. Ihm kann man in der Frage, ob er mit der AfD zusammenarbeitet oder nicht, nicht mehr trauen - das ist die bittere Wahrheit für unser Land."