Poster von drei israelischen Geiseln, die seit dem 7. Oktober 2023 im Gazastreifen festgehalten werden: Yarden Bibas (L), Ofer Kalderon und Keith Siegel
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Lage im Nahen Osten ++ Israel erhält Liste mit weiteren Geiselnamen +++

Stand: 31.01.2025 12:49 Uhr

Israel hat die Namen der drei Geiseln erhalten, die morgen von der Hamas freigelassen werden sollen. Trotz Zurückweisung durch Ägypten und Jordanien besteht US-Präsident Trump auf eine Räumung des Gazastreifens. Die Entwicklungen im Liveblog.

Israel lässt nach Angaben einer palästinensischen Nichtregierungsorganisation morgen 90 palästinensische Häftlinge im Austausch für drei israelische Geiseln frei. Neun der Inhaftierten verbüßten lebenslange Haftstrafen, sagte eine Sprecherin der Häftlingsinteressenvertretung Palestinian Prisoners' Club der Nachrichtenagentur AFP. 81 Inhaftierte würden lange Haftstrafen absitzen. Die palästinensischen Häftlinge sollen im Austausch für drei israelische Geiseln freigelassen werden.

Großbritannien, Frankreich und Deutschland äußern erneut ihre Besorgnis darüber, dass Israel ein Gesetz umsetzt, das jeglichen Kontakt mit dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA verbietet. "Wir fordern die israelische Regierung auf, mit internationalen Partnern, einschließlich der UNO, zusammenzuarbeiten, um die Kontinuität der Hilfsmaßnahmen sicherzustellen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der drei Staaten, die von der britischen Regierung veröffentlicht wurde.

Erstmals seit neun Monaten sollen am Wochenende schwer kranke Patienten aus dem Gazastreifen wieder über den Grenzübergang Rafah evakuiert werden. Rund 50 sollen in Krankenhäuser außerhalb verlegt werden, weil sie im Gazastreifen nicht angemessen behandelt werden können, sagte Rik Peeperkorn, der WHO-Repräsentant für die besetzten palästinensischen Gebiete.

Das sei aber viel zu wenig. Insgesamt brauchten 12.000 bis 14.000 Personen dringend medizinische Hilfe außerhalb des Gazastreifens. Darunter seien mindestens 2.500 Kinder. Es geht um Menschen mit lebensbedrohlichen Krankheiten oder Kriegsverletzungen. Die Zahl derjenigen, die das Gebiet verlassen können, müsse deutlich erhöht werden, verlangte Peeperkorn. 

Seit Beginn des Gazakriegs infolge der palästinensischen Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 konnten zunächst 4.700 Patientinnen und Patienten den Gazastreifen für medizinische Hilfe verlassen. Am 6. Mai schloss Israel den Grenzübergang Rafah. Seitdem hätten nur 480 evakuiert werden können, sagte Peeperkorn. Er rief die israelischen Behörden auch auf, Verlegungen in Krankenhäuser in das von Israel besetzte Westjordanland oder nach Ost-Jerusalem zu erlauben. Vor dem Krieg seien dort jeden Tag 50 bis 100 Patienten aus dem Gazastreifen behandelt worden.

Die Europäische Union nimmt die Überwachung des Grenzübergangs zwischen dem Gazastreifen und Ägypten in Rafah wieder auf. Das teilte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas mit. "Die zivile Grenzmission der EU wird heute auf Ersuchen der Palästinenser und der Israelis an den Grenzübergang Rafah entsandt. Sie wird das palästinensische Grenzpersonal unterstützen und den Transfer von Personen aus dem Gazastreifen ermöglichen, einschließlich derjenigen, die medizinische Versorgung benötigen", schreibt sie auf X.

Israel hat eine Liste mit den Namen der drei Geiseln erhalten, die morgen für eine Freilassung aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen vorgesehen sind. Israel prüfe die Liste und informiere die Familien der Betroffenen, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit.

Die Hamas bestätigte, dass sie die Liste übermittelt hatte. Nach Angaben der Terrororganisation sowie dem Forum der Geisel-Familien handelt es sich um die drei aus Israel entführten Männer Keith Siegel, Yardan Bibas und Ofer Kalderon. Die Islamistenorganisation muss Israel gemäß der Waffenruhe-Vereinbarung 24 Stunden im Voraus über die Namen der freizulassenden Geiseln informieren.

Im Gegenzug sollen wieder Dutzende palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Derzeit werden israelischen Angaben zufolge noch 82 Geiseln im Gazastreifen festgehalten.

Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) leistet trotz des Verbots durch Israel humanitäre Unterstützung in den besetzten Gebieten. Mitarbeiter seien weiterhin im Einsatz für die Bevölkerung im Gaza-Streifen, im Westjordanland und auch in Ost-Jerusalem, sagte Juliette Touma, Sprecherin des UNRWA, während einer Videokonferenz.

Die israelischen Behörden hätten dem UNRWA noch nicht mitgeteilt, wie das Verbot umgesetzt werden solle. Insbesondere im weitgehend zerstörten Gaza-Streifen mit seinen mehr als zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern sei das UNRWA das Rückgrat der humanitären Hilfe.

Das israelische Parlament hatte im Oktober 2024 zwei Gesetze verabschiedet, mit denen das UNRWA in Israel einschließlich Ost-Jerusalem verboten wird. Auch wird Offiziellen der Kontakt mit Mitarbeitern oder Beauftragten des Hilfswerks in den besetzten Gebieten untersagt. Die Gesetze traten diese Woche in Kraft. Israel wirft dem UNRWA Hetze gegen Juden und eine enge Kooperation mit der Terrormiliz Hamas vor.

Bei dem israelischen Beschuss von Hisbollah-Stellungen im Libanon sind nach libanesischen Angaben zwei Personen getötet worden. "Bei dem Angriff des israelischen Feindes auf Janta wurden zwei Menschen getötet und zehn verletzt", erklärte das Gesundheitsministerium in Beirut. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben zurzeit nicht.

Die US-Armee hat eigenen Angaben zufolge bei einem gestrigen Luftangriff im Nordwesten Syriens einen hochrangigen Vertreter eines syrischen Ablegers des Terrornetzwerkes Al-Kaida getötet. Wie das US-Zentralkommando (Centcom) im Onlinedienst X mitteilte, gehörte Muhammed Salah al-Sabir der Gruppe Hurras-al Din an, die in dieser Woche ihre Auflösung bekanntgegeben hatte. In den USA galt die Gruppe seit 2019 als Terrororganisation.

Laut der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurde Sabir bei einem Drohnenangriff auf ein Fahrzeug getötet, in dem er auf der Straße von Sarmada nach Idlib unterwegs war. Das Gebiet gilt als Hochburg der islamistischen HTS-Miliz, die im Dezember den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad herbeigeführt hatte. Auch die Mitglieder von Hurras al-Din hielten sich in der dortigen Bergregion auf.

Nach der Rückkehr der gestern freigelassenen Geiseln gibt es erste Berichte über Einzelheiten aus ihrer fast 16 Monate langen Gefangenschaft im Gazastreifen. Die 29 Jahre alte Deutsch-Israelin Arbel Yehud sei die gesamte Zeit allein festgehalten worden, berichteten die Nachrichtenseiten ynet und der israelische Sender Kan. Demnach musste sie die meiste Zeit in Tunneln verbringen und bekam wenig zu essen.

Stunden vor ihrer Freilassung hat sie laut den Berichten erstmals einen anderen aus Israel entführten Mann getroffen - den 80 Jahre alten Gadi Moses, der neben der israelischen ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und gestern auch freikam. Der palästinensische Islamische Dschihad veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie sich die beiden umarmen.

Yehud sei in ihrer Geiselhaft über den Tod ihres Bruders informiert worden, berichtete der israelische Sender Kan. Er war während des Hamas-Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 ums Leben gekommen. Das Ausmaß des Terrorüberfalls sei der jungen Frau dennoch nicht bewusst gewesen, hieß es weiter.

Eine israelische Ärztin hat den fünf von der Hamas freigelassenen Geiseln aus Thailand einen guten Gesundheitszustand bescheinigt. Die Männer im Alter von 27 bis 36 Jahren seien zwar meist in unterirdischen Räumen festgehalten worden und hätten während ihrer Gefangenschaft kaum Sonnenlicht gesehen, sagte die Direktorin des bei Tel Aviv gelegenen Schamir-Krankenhauses, Osnat Lewzion-Korach. Sie seien aber nicht unterernährt. Ihr Alter habe dazu beigetragen, dass sie die Gefangenschaft in vergleichsweise guter körperlicher Verfassung überlebt hätten.

Die Männer waren gestern ebenso wie drei israelische Geiseln freigelassen worden - im Austausch gegen gut 100 palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen. Der israelische Außenamtssprecher Alex Gandler sagte, Israel werde die fünf als Terroropfer anerkennen, wodurch sie Anspruch auf finanzielle Leistungen und medizinische Versorgung bekommen.

Die Hilfsorganisation Handicap International warnt vor einer großen Anzahl von Blindgängern im Gazastreifen nach fast 16 Monaten Bombardement durch Israel. "In Ruinen und Trümmern verbergen sich unzählige nicht explodierte Bomben, Raketen oder Granaten und bedrohen die Zivilbevölkerung", erklärte die Organisation.

Die Sprengkörper gefährdeten Menschen, die in ihre früheren Wohngebiete zurückkehren wollten, aber auch humanitäre Helfer. Experten von Handicap International seien vor Ort, um erste Blindgänger zu identifizieren und zu markieren, hieß es.

Israels Luftwaffe hat im Libanon nach eigenen Angaben Stellungen der Hisbollah-Miliz angegriffen. Wie die Armee mitteilte, seien "terroristische Ziele" in der Bekaa-Ebene im Libanon attackiert worden. Israels Armee halte sich weiter an die Vereinbarungen über die Waffenruhe und werde keine "terroristischen Aktivitäten" zulassen, hieß es.

Bei den angegriffenen Zielen handele es sich um eine unterirdische Anlage der Hisbollah zur Entwicklung und Herstellung von Waffen sowie um "Infrastrukturanlagen" an der syrisch-libanesischen Grenze, die von der Hisbollah zum Schmuggel von Waffen genutzt werde. Die Armee bleibe im Südlibanon stationiert und werde jede Bedrohung für Israel und seine Truppen beseitigen, hieß es weiter.

Das Weiße Haus hatte am Sonntag bekanntgegeben, dass die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah bis zum 18. Februar verlängert werden soll.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israel hat mit Verzögerung 110 palästinensische Häftlinge im Austausch gegen israelische Geiseln der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen freigelassen. Wie die Times of Israel unter Berufung auf die israelische Gefängnisbehörde berichtete, wurden die Palästinenser Stunden nach der Freilassung israelischer Geiseln entlassen. 66 der Palästinenser kehrten demnach ins Westjordanland zurück und 14 nach Ost-Jerusalem. Neun seien in den Gazastreifen gebracht worden, 21 weitere über Ägypten ins Ausland.

Aus Empörung über chaotische Szenen bei der Geisel-Freilassung in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens hatte Israel die Freilassung der Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zunächst aufgeschoben. Von den 110 palästinensischen Häftlingen waren mehr als 30 wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat die sofortige Evakuierung von 2.500 Kindern aus dem Gazastreifen gefordert, um sie medizinisch behandeln zu lassen. Er hatte sich zuvor mit vier Ärzten aus den USA getroffen, die ihm erklärt hätten, dass viele der Kinder todkrank seien. Die Weltgesundheitsorganisation hatte bereits wenige Tage vor Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen gemeldet, dass mehr als 12.000 Patienten auf medizinische Evakuierungen warteten.

Trotz der scharfen Zurückweisung durch Ägypten und Jordanien besteht US-Präsident Donald Trump weiter auf eine Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen in diese Länder. "Sie werden es tun", sagte Trump vor Journalisten im Oval Office auf die Frage nach seiner Antwort auf die ägyptische und jordanische Ablehnung seines umstrittenen Vorstoßes. "Sie werden es tun. Wir tun eine Menge für sie, und sie werden es tun", sagte er weiter.

Nach dem Inkrafttreten der Waffenruhe schlug Trump vergangene Woche vor, den Gazastreifen zu "räumen" und die dort lebenden rund 2,4 Millionen Palästinenser an "sicherere" Orte wie Ägypten oder Jordanien zu bringen. Den vom Krieg verwüsteten Gazastreifen bezeichnete der neue US-Präsident als "Abrissgebiet". 

Jordanien sprach sich daraufhin umgehend gegen eine "Zwangsvertreibung" der Palästinenser aus dem Gazastreifen aus. Auch Kairo wies den Vorstoß zurück. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bezeichnete die Idee als "eine Ungerechtigkeit, an der wir uns nicht beteiligen können".

Syriens neuer Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hat für das vom Bürgerkrieg gezeichnete Land eine "Konferenz des nationalen Dialogs" angekündigt. "Wir werden in den nächsten Tagen ein Komitee ankündigen, das die Konferenz des nationalen Dialogs vorbereiten soll", sagte al-Scharaa in seiner ersten Rede an die Nation seit seiner Ernennung. Das Komitee werde sich "die verschiedenen Standpunkte zu unserer künftigen politischen Agenda anhören".

Al-Scharaas vorab aufgezeichnete und von mehreren Fernsehsendern ausgestrahlte Rede erfolgte nach einem Treffen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al-Thani, in Damaskus - dem ersten Besuch eines Staatsoberhaupts in Syrien seit der Flucht des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad nach Moskau und der Einsetzung neuer Behörden durch die herrschenden Islamisten.

Der Wiederaufbau des vom Krieg verwüsteten Gazastreifens könnte nach Einschätzung des US-Sonderbotschafters für den Nahen Osten, Steve Witkoff, zwischen zehn und 15 Jahren dauern. Nach fast 16 Monaten Krieg zwischen Israel und der Hamas sei von der Infrastruktur in dem abgeriegelten Küstenstreifen am Mittelmeer "fast nichts mehr übrig", sagte Witkoff der US-Nachrichtenseite Axios. Er hatte am Mittwoch den Gazastreifen besucht, um sich am Boden und aus der Luft ein Bild von dem Kriegsgebiet zu machen.

Er habe mit Trump nicht über dessen Idee gesprochen, Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln, während das Gebiet wiederaufgebaut wird. Nach dem, was er bei seinem Besuch gesehen habe, sei der Küstenstreifen "unbewohnbar", sagte Witkoff. Hinzu kämen die vielen nicht explodierten Sprengkörper. Es sei gefährlich, sich in Gaza zu bewegen. Die beiden arabischen Staaten hatten die Idee von Trump abgelehnt und erklärt, sie würden sich nicht an einer Umsiedlung von Bewohnern aus Gaza beteiligen.

Die Terrorgruppe Hamas hat die Tötung ihres Militärchefs Deif bestätigt - rund sechs Monate nach einem israelischen Luftangriff. Die Bundesregierung stellt syrischen Krankenhäusern Hilfsgelder zur Verfügung. Der Liveblog zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31. Januar 2025 um 08:43 Uhr.