Einbruch im Geschäft mit E-Autos "Das Hü und Hott bei Elektromobilität verunsichert"
Der deutsche Verkehrssektor wird seine Klimaziele erneut verfehlen - auch weil der Absatz von Elektroautos sinkt. Experten zufolge liegt das nicht nur an Entscheidungen der Politik.
"Das größte Problem ist die Verunsicherung durch die Politik", sagt Frank Schwope. Der Autoexperte ist Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Hannover. "Das ewige 'Hü und Hott' bezüglich der Elektromobilität beziehungsweise des Verbrenner-Aus: Die potenziellen Autokäufer werden dadurch verunsichert und halten sich mit ihrem Kauf zurück." Ein Trend, der nicht nur die Automobilwirtschaft unter Druck setzt.
Der Verkehrssektor in Deutschland reißt seit Jahren seine Klimaziele - und das ist schlecht für das deutsche Gesamtziel der Klimaneutralität 2045. Das geht aus Daten der Denkfabrik Agora hervor. Die Schlüsseltechnologie dafür sei die derzeit so schwächelnde Elektromobilität, betont Henrik te Heesen. Er ist Professor am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier und glaubt, dass "alternative, klimaneutrale Antriebe wie Wasserstoff oder Biotreibstoffe eine untergeordnete Rolle spielen werden". Für te Heesen ist deshalb der Weg zur Klimaneutralität "wissenschaftlich unstrittig" die Elektromobilität.
Nachfrageschub ohne Förderung möglich?
Daten, die der SWR auf der Grundlage von Zulassungsdaten des Kraftfahrtbundesamts recherchiert haben, belegen, dass die Zulassungszahlen für Elektroautos 2024 im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich zurückgegangen sind. Ein harter Einbruch bei den Anmeldungen ist außerdem mit dem Absetzen der subventionierten Kaufprämie Ende 2022 einhergegangen.
Doch eine neue Prämie beim Kauf eines E-Autos sei nicht die Lösung, so Autoexperte Frank Schwope. Im Gegenteil könnten Subventionen seiner Meinung nach sogar schädlich für den Markt sein, in dem sie beispielsweise zu ungerechten Verzerrungen führten. Schwope ist überzeugt, dass die Elektromobilität in den nächsten zwei Jahren auch ohne Prämien anzieht. "Man erkennt jetzt schon, dass die Konzerne ihre E-Modelle preislich attraktiver anbieten, da sie nicht zuletzt wegen drohender Strafzahlungen beziehungsweise verschärfter Schadstoffwerte den Absatz von Elektroautos ankurbeln müssen."
E-Autos nichts für "Schnäppchenjäger"
"Deutschland ist ein Land der Schnäppchenjäger", sagt Martin Doppelbauer, Professor für Hybride und Elektrische Fahrzeuge am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Objektiv sind die Preise für Elektroautos ohne Förderung heute nicht höher als vor 18 Monaten mit Förderung. Aber das Gefühl, einen besonderen Vorteil mitnehmen zu können, ist komplett verloren gegangen." In vielen europäischen Ländern gibt es weiterhin Förderungen und günstigeren Strom. Das könnte einen Effekt haben: Die E-Auto-Quote bei Neuwagen lag 2023 beispielsweise in Norwegen bei 82 Prozent, in Island bei 50 Prozent.
In Deutschland können die Gesamtkosten für E-Autos zum Teil höher als bei Verbrennern sein. Doppelbauer kritisiert auch den Automarkt: "Es gibt keine günstigen Einstiegs-Elektroautos von deutschen Herstellern." Eine günstigere Alternative zu deutschen Marken waren bisher chinesische E-Autos. Die Europäische Union verhängt gegen diese allerdings seit Anfang November Strafzölle. Das könnte in Zukunft höhere Preise bedeuten.
Zu wenig Klein- oder Kleinstwagen mit Elektroantrieb
Vom SWR ausgewertete Automarktdaten des ADAC zeigen: Nur etwa ein Fünftel der angebotenen Modelle in diesem Jahr sind Klein- bis Kleinstwagen. Über das vergangene Jahrzehnt wurden deutlich mehr Mittel- bis Oberklassemodelle auf den Markt gebracht. "Das ist für 'Otto Normalverbraucher' unbezahlbar", sagt Doppelbauer. Auch der Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos sei noch viel zu klein.
Politisch gibt es noch einiges zu tun, sagt Experte Schwope. Einerseits gebe es immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber Elektroautos, andererseits sei die Technik noch nicht ausgereift, sodass der Wertverlust in den ersten Jahren sehr hoch sei. Nachholbedarf sieht der Wissenschaftler auch immer noch bei der Ladeinfrastruktur.
"Management-Fehler" bei den Herstellern?
Aber nicht nur die Politik ist gefragt, betont Schwope. Auch die deutschen Autohersteller müssten jetzt liefern und vor allem kleine, bezahlbare Elektroautos auf den Markt bringen. "Die Autohersteller haben Tesla, die chinesischen Hersteller und die Elektromobilität im Allgemeinen jahrelang nicht ernst genommen. Diese Management-Fehler rächen sich jetzt."
Es scheint auch Grund zur Hoffnung zu geben: Die Meldung, dass Mercedes zuletzt einen neuartigen Feststoffakku TÜV zertifiziert haben soll, sieht Schwope beispielsweise als positives Zeichen. Dieser Akku kann danach tatsächlich zum sogenannten "Game-Changer" werden.
Und dennoch: Die Unternehmen befinden sich mittendrin im Wettlauf um die besten Technologien, die für Automobilkonzerne und auch für nationale Ökonomien über das Wohl und Wehe der nächsten Jahre entscheidend sein können.