Luftaufnahme von fertiggestellten Sozialwohnungen in Leipzig, Sachsen. (Archivbild: 8. März 2022)

Studie der Hans-Böckler-Stiftung Ungleichheit wächst, Vertrauen droht zu sinken

Stand: 04.11.2024 17:22 Uhr

Die Ungleichheit bei den Einkommen wird größer - das zeigt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Die Folgen sind demnach drastisch: Die Angst vor dem Abstieg wächst und das Vertrauen in die Institutionen droht zu sinken.

Die Zukunftssorgen und Abstiegsängste der Menschen in Deutschland haben laut einer Studie zugenommen. Der Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge liegt das vor allem an der wachsenden Ungleichheit bei den Einkommen - und einer steigenden Armut.

So sei der Anteil der Menschen, die in Armut lebten, auf einem Höchststand, heißt es im Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Zuletzt habe sich die wirtschaftliche Lage durch die Corona-Krise und die hohe Inflation zudem erheblich verschärft.

Der Verteilungsbericht der Hans-Böckler-Stiftung
Der sogenannte Verteilungsbericht wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht. Die gemeinnützige Stiftung ist eine Forschungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Für das sozio-oekonomische Panel (SOEP) werden jedes Jahr etwa 13.000 Haushalte interviewt. Aktuell reicht der Bericht bis 2022, wobei sich die Einkommensdaten auf das Jahr 2021 beziehen. Aktuellere Daten wurden laut WSI noch nicht veröffentlicht.

Indikator für Ungleichheit steigt

Der sogenannte Gini-Koeffizient, ein Indikator für Ungleichheit, ist laut dem Bericht zwischen 2010 und 2021 von 0,282 auf den Höchstwert von 0,31 gestiegen. Für die Auswertung wurden Einkommensdaten aus dem jährlich erhobenen Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) von 2021 heranzogen. Im Jahr 2021 lebten 17,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut, 2010 waren es noch 14,2 Prozent.

Die Studie zeigt außerdem: Deutlich mehr als die Hälfte der Menschen in der unteren Einkommenshälfte haben im vergangenen Jahr befürchtet, den Lebensstandard nicht halten zu können. 

Teilhabe könnte sinken

Die Autoren des Berichtes warnen vor einem Teufelskreis: Fehlender Wohlstand und Verunsicherung könnten dazu führen, dass immer mehr Menschen auf eine Teilhabe am politischen System verzichteten. Weniger als die Hälfte der Armen und der Menschen mit prekären Einkommen finde, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniere.

Etwa ein Fünftel vertraue dem Rechtssystem nur in geringem Maße. Die Betroffenen sähen für sich nicht die Möglichkeit, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. "Wir sehen in den Daten, dass Deutschland in einer Teilhabekrise steckt, die sich in den vergangenen Jahren verschärft hat", sagt WSI-Forscherin Dorothee Spannagel. Ein Teil der Menschen wende sich deshalb "relativ deutlich vom politischen System ab".

20 Prozent geben an, nicht wählen zu gehen

Schon jetzt hielten mehr als ein Drittel der Geringverdiener und in Armut lebenden Menschen die Aussage "die regierenden Parteien betrügen das Volk" für zutreffend, hieß es. Knapp 20 Prozent erklärten, bei der kommenden Bundestagswahl nicht wählen zu gehen. In der oberen Einkommensmitte liege dieser Anteil hingegen nur bei elf Prozent.

Eine "verantwortungsvolle Politik" dürfe deshalb verschiedene Gruppen in der Gesellschaft nicht "gegeneinander ausspielen", schreiben die Autoren des Berichts.

Stärkung von Tarifverträgen und gesetzlicher Rente

Die Autoren fordern deshalb Verbesserungen und Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen. Dazu zählten Tarifverträge, die gesetzliche Rente und die öffentliche Infrastruktur wie Verkehrswege, Energienetze, Bildungs- und Gesundheitssystem. Zur Finanzierung beitragen würde demnach neben einer Reform der Schuldenbremse auch eine wirksamere Besteuerung sehr großer Vermögen, heißt es.

Für die Umfrage wurden 2020 und 2023 jeweils mehr als 4.000 Personen repräsentativ befragt. Als arm gilt demnach, wenn das Haushaltsnettoeinkommen weniger als 60 Prozent des Einkommensmittelwerts beträgt. Für einen Singlehaushalt liegt die Grenze laut WSI bei maximal 1.350 Euro im Monat, für einen Vier-Personen-Haushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.830 Euro.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. November 2024 um 23:22 Uhr.