Offshore Windpark

Offshore-Windpark "He Dreiht" Strom von hoher See für Hunderttausende

Stand: 16.05.2024 15:51 Uhr

Der Energiekonzern EnBW will in den kommenden Tagen in der Nordsee mit dem Bau des bislang größten deutschen Offshore-Windparks beginnen. Schon Ende 2025 soll dort Strom für 1,1 Millionen Haushalte produziert werden.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Der Karlsruher Energiekonzern EnBW lässt in der Nordsee einen neuen Windpark auf hoher See bauen, der künftig Strom für rechnerisch 1,1 Millionen Haushalte liefern soll. Am kommenden Samstag sollen dafür die ersten Fundamente gesetzt werden, kündigte Peter Heydecker, Vorstand für Nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur, heute an.

Der geplante Windpark "He Dreiht" (Niederdeutsch für "Er dreht") soll Ende 2025 etwa 90 Kilometer nördlich der Insel Borkum ans Netz gehen. Mit 64 Windrädern, deren Rotoren laut EnBW einen Durchmesser von mehr als 230 Meter haben werden, soll eine installierte Leistung von 960 Megawatt (0,9 Gigawatt) erzeugt werden. "He Dreiht" gehört mit einer Investitionssumme von rund 2,4 Milliarden Euro zu den derzeit europaweit größten Projekten der Energiewende und ist einer der ersten Offshore-Windparks ohne staatliche Förderung.

Größte Offshore-Leistung in der EU

Im europäischen Vergleich gehört der neue Windpark von EnBW nach installierter Leistung aber dennoch eher zu den Parks mittlerer Größe. Der größte Windpark, der derzeit vor Europas Küsten Strom produziert, ist der "Hollandse Kust Zuid". Er liegt vor der niederländischen Küste zwischen den Städten Scheveningen und Zandvoort und gehört dank einer installierten Leistung von 1,5 Gigawatt zu den größten Offshore-Windparks der Welt.

Offshore-Windparks wie jener, der nun von EnBW vor der Küste Borkums gebaut werden soll oder der "Hollandse Kust Zuid" vor Zandvoort, erzeugen im Verhältnis zu gleich großen Anlagen an Land deutlich mehr Strom pro Jahr: "Auf See weht der Wind kontinuierlicher, Offshore-Windparks können daher häufiger ihre volle Leistung abrufen. Diese sogenannten Volllaststunden sind bei ihnen etwa doppelt so hoch wie bei Windenergieanlagen an Land", erklärt Philipp Artur Kienscherf, Head of Research Area am Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI), gegenüber tagesschau.de.

Das liegt vor allem an den besseren Windbedingungen auf dem Meer. Der von den Offshore-Windparks erzeugte Strom wird dann über ein Seekabel an Land und ins Stromnetz eingespeist. Insgesamt 29 dieser Offshore-Anlagen stehen bereits vor Deutschlands Küsten - mit mehr als 1.500 Windrädern, die installierte Leistung liegt bei knapp 8,5 Gigawatt. Das war 2023 laut aktuellen Informationen von WindEurope die höchste Offshore-Leistung der EU. "Außerhalb der EU hat das Vereinigte Königreich mit seinen langen Küsten viel Offshore-Windkraft. Hier sind mehr als 11 Gigawatt installiert", so Experte Kienscherf vom EWI.

Sind die Ausbauziele erreichbar?

Im vergangenen Jahr gingen laut Bundesregierung mehrere neue Offshore-Anlagen in Betrieb. Zudem sind derzeit vier weitere Windparks vor der deutschen Küste mit rund 2,5 Gigawatt Leistung im Bau. Dazu gehören etwa die zwei bereits Ende 2021 genehmigten Windparks "Godewind 3" und "Borkum Riffgrund 32", die in diesem beziehungsweise im kommenden Jahr ans Netz gehen sollen.

Für den weiteren Ausbau hat die Bundesregierung ehrgeizige Ziele festgelegt. Im Windenergie-auf See-Gesetz, welches im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, sind die Ausbauziel für Windenergie auf See deutlich angehoben worden: Bis 2030 soll die Leistung der Offshore-Windparks auf mindestens 30 Gigawatt steigen, bis 2035 sollen mindestens 40 Gigawatt und bis 2045 mindestens 70 Gigawatt installierte Leistung erreicht werden.

EnBW-Vorstandschef Georg Stamatelopoulos machte mit Blick auf das Ausbauziel des Bundes deutlich, dass dafür eigentlich alle drei Monate ein Windpark der Dimension von "He Dreiht" errichtet werden müsste. Dieses Ziel sei nicht aus der Welt, um es zu erreichen, brauche man aber noch einiges an Beschleunigung und Unterstützung, so Stamatelopoulos.

Hohe Kosten für Bau und Wartung

Auch Experte Kienscherf betont mit Blick auf die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Offshore-Windkraft, dass in den kommenden Jahren noch einige weitere große Windparks gebaut werden müssten. "Im vergangenen Jahr trugen Offshore-Windparks laut Statistischem Bundesamt zu rund fünf Prozent der deutschen Stromerzeugung bei", so Kienscherf. Das entspreche eine Anteil von zehn Prozent an der Spitzenlast.

Allerdings ist der Bau von Offshore-Windparks mit großen finanziellen Belastungen verbunden: Dass es aktuell deutlich mehr Windparks an Land als auf See gibt, liegt vor allem an den hohen Baukosten, die Windparks auf See mit sich bringen - weil die Errichtung der Offshore-Anlagen technisch und logistisch aufwendig ist. Auch Wartungs- und Reparaturarbeiten bei Offshore-Windparks sind komplizierter und teurer, da sie nur bei geeigneten Wetterbedingungen durchgeführt werden können.