Streetscooter und Post Der gelbe Traum ist ausgeträumt
Die Post hat die Produktionsrechte für ihre elektrischen Zustellfahrzeuge verkauft. Damit ist ein Prestigeprojekt gescheitert. Was bedeutet das für die Zukunft der Paketlieferung?
In seinen erfolgreichen Anfangsjahren war der Streetscooter nicht nur ein Elektrofahrzeug, sondern auch eine große Metapher. Dass die Post ausgerechnet im Autoland Deutschland ihre Lieferautos selbst bauen musste, war für viele Kritikerinnen und Kritiker das perfekte Sinnbild für den desolaten Zustand der heimischen Autoindustrie. Von einer "Blamage" und von einem "gelben Weckruf" war damals die Rede.
Streetscooter brachte Post große Verluste
Die Geschichte des Streetscooters beginnt an der RWTH Aachen. "Wir haben 2009 den ersten Prototypen konzipiert, da war die Autoindustrie in Sachen Elektromobilität noch nicht sehr weit", sagt Günther Schuh, Professor für Produktionssystematik. Zusammen mit einem Kollegen gründete Schuh die Streetscooter GmbH, die speziell auf die Bedürfnisse der Post zugeschnittene Lieferfahrzeuge entwickelte. 2014 wurde das Aachener Start-Up schließlich von der Deutschen Post übernommen.
Die Pläne waren groß: Der Bonner Logistikkonzern wollte die Produktion stark ausweiten und die Fahrzeuge in die Welt verkaufen. Diese Anfangseuphorie verflog aber schnell. Bei einigen der Kleintransporter gerieten Batterien in Brand, der Verkauf von Fahrzeugen an andere Unternehmen stockte. Der Streetscooter brachte dem Konzern große Verluste.
Verkauf viel später als geplant
Daraufhin begann eine quälend lange Suche nach einem Käufer für das Tochterunternehmen. Eigentlich hatte die Post-Führung einen Verkauf bis Ende 2019 angepeilt, am Ende dauerte es zwei Jahre länger. In dieser Woche konnte die Konzernspitze nun endlich mitteilen, dass die Produktionsrechte für den Streetscooter an ein internationales Konsortium in Luxemburg abgegeben werden. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.
Seine Streetscooter-Flotte will die Post trotzdem noch auf 21.500 Fahrzeuge aufstocken. Danach sollen sich die 300 im Unternehmen dafür zuständigen Mitarbeiter nur noch um Wartung und Pflege kümmern. Der Traum vom Fahrzeugbauer Deutsche Post ist damit endgültig ausgeträumt.
Autobauer haben bei Elektromobilität aufgeholt
"Der Markt hat sich weiterentwickelt", sagt Ralf Bogdanski, Logistik-Experte an der TH Nürnberg. "Als der Streetscooter auf den Markt kam, waren sie in dieser Fahrzeugklasse weit und breit die einzigen. Jetzt ist auch die Autoindustrie eingestiegen und kann ihre Skaleneffekte nutzen." Unter Skaleneffekten versteht man Kostenvorteile durch die Produktion von großen Stückzahlen.
Streetscooter-Gründer Schuh äußert aber Zweifel daran, ob die Autobauer diesen Nischenmarkt tatsächlich bedienen können. "Für große Autohersteller ist das Segment zu klein, um profitabel zu sein", sagt er. "VW zum Beispiel baut Universaltransporter, die auch für Handwerker oder Camping-Urlauber geeignet sind. Die sind aber nicht auf die Bedürfnisse von Zustellern zugeschnitten."
Für viele Straßen in Städten ist der Streetscooter inzwischen zu klein.
Paketlieferung per Lastenfahrrad
In den Städten sieht sich der Streetscooter noch einem weiteren Konkurrenten gegenüber - dem Lastenfahrrad. Auf den letzten Metern der Zustellung lohne sich das Rad unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für ungefähr 30 Prozent der Pakete, glaubt Logistik-Experte Ralf Bogdanski. "Für die anderen 70 Prozent werden wegen der Größe und der Anzahl der Pakete große Transporter gebraucht. Dafür ist der Streetscooter dann häufig zu klein. Die größeren Transporter müssen natürlich auch elektrisch werden."
Zu wenig Platz in den Städten
Neben den Klimaaspekten betonen Logistik-Experte auch die Auswirkungen auf den städtischen Verkehr - von verstopften Straßen bis hin zu zugeparkten Fahrradwegen. Mit wachsendem Paketaufkommen bräuchten die Lieferfahrzeuge immer mehr Platz, sagt Wolfgang Aichinger vom Thinktank Agora Verkehrswende. "Das ist mit Blick auf den öffentlichen Raum eine Verteilungsfrage." Er plädiert daher für neue Konzepte. "Eine Lösung ist die Bündelung von Lieferungen an eine gemeinsame Zustelladresse, wo sich die Menschen ihre Pakete abholen können."
Logistik-Forscher Bogdanski glaubt außerdem, dass künftig auch S-Bahnen oder Regionalbahnen eine Rolle beim Transport von Paketen spielen könnten, "zum Beispiel während Tageszeiten, an denen ÖPNV-Verkehrsmittel nicht durch Passagiere ausgelastet sind". Für einen ökologischeren Umgang mit der größer werdenden Paketflut wird es wohl noch viel Kreativität brauchen.