Im Zementwerk liegen kleine Steine in einem großen Behälter.
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Enorme CO2-Emissionen Wie die Zementindustrie ihr Klima-Problem lösen will

Stand: 13.10.2023 14:29 Uhr

Bei der Zementproduktion werden große Mengen Kohlendioxid freigesetzt. Diese Emissionen lassen sich laut Branchenvertretern nicht vermeiden. Das CO2 soll aber nachträglich eingefangen werden.

Warum es der Zementindustrie so schwer fällt, klimaneutral zu werden, kann man am Drehofen der Firma Spenner erkennen. Der Ofen wird 1600 Grad heiß und vor allem mit Kohle betrieben. Dass er einen großen CO2-Verbrauch hat, ist also wenig verwunderlich. Durchaus überraschend ist aber, dass die Kohle nur einen kleinen Teil der Emissionen ausmacht, die hier im Zementwerk entstehen.

"Zwei Drittel des CO2, das wir ausstoßen, kommt aus dem Gestein, das wir brennen, und ist daher auch unvermeidbar", sagt Dirk Spenner, Geschäftsführer des mittelständischen Zementunternehmens aus dem nordrhein-westfälischen Erwitte.

Zementindustrie will klimaneutral werden

David Zajonz, WDR, tagesschau24, 10.10.2023 12:00 Uhr

Unterirdische Speicherung noch verboten

Damit hat die Zementindustrie gleich ein doppeltes Klima-Problem. So wie viele andere Wirtschaftszweige auch muss sie auf alternative Energieformen umstellen. Die noch größere Herausforderung besteht aber in den Emissionen, die durch das Brennen von Kalkstein entstehen: "Wir haben nur die Möglichkeit, das CO2 am Kamin dann wieder einzufangen und zu neutralisieren", sagt Spenner.

In der Fachsprache wird das Verfahren "Carbon Capture and Storage" (CCS) genannt. Klimaschädliches Gas soll eingefangen und schließlich unterirdisch gelagert werden. Auf diese Weise könnte CO2 unschädlich gemacht werden, eine klimaneutrale Zementproduktion wäre möglich.

In der Praxis findet das noch nicht statt. Die unterirdische Speicherung von CO2 ist in Deutschland umstritten und derzeit noch faktisch verboten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht der Technologie allerdings offen gegenüber und will sie gesetzlich neu regeln.

Für acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich

Derzeit ist die Zementindustrie ein riesiger "Klimasünder". Nach Zahlen, die unter anderem von der britischen Denkfabrik Chatham House stammen, ist die Branche für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In Deutschland steht vor allem der DAX-Konzern Heidelberg Materials (ehemals Heidelberg Cement) im Fokus. In einer Auswertung des "Handelsblatts" für das Jahr 2021 landet das Unternehmen in der Liste der größten CO2-Emittenten im DAX auf Platz zwei - direkt hinter dem Energieriesen RWE.

Heidelberg Materials betreibt auch in Erwitte/Geseke ein Zementwerk, also in der Region, wo das Unternehmen von Spenner sitzt. Insgesamt fünf Werke verschiedener Unternehmen gibt es hier. Die beiden Kleinstädte haben es sich zum Ziel gesetzt, "klimaneutrale Zementregion" zu werden. 

Auf einem Laufband fahren abgepackte Zementsäcke.

Bei der Zementproduktion werden Unmengen an CO2 freigesetzt.

Klimaneutrales Zementwerk für 2029 geplant

Für Erwitte und Geseke sei die Zementindustrie "der entscheidende Wirtschaftsfaktor", sagt Dirk Brexel, Projektkoordinator bei der Stadt Erwitte. Entsprechend groß ist das Interesse, die Industrie bei ihren Bemühungen zu unterstützen, klimaneutral zu werden. "Für die Unternehmen ist das eine besonders schwierige Herausforderung, weil es heute kein klimaneutrales Zementwerk von der Stange zu kaufen gibt", so Brexel.

Heidelberg Materials versucht daher gerade, selbst ein solches Werk zu entwickeln. 2029 soll es in Geseke in Betrieb gehen. Das abgepumpte CO2 soll vor Ort verflüssigt und per Bahn nach Wilhelmshaven transportiert werden, von wo es dann per Schiff zu Lagerstätten in der Nordsee gebracht werden könnte.

CO2 per Pipeline abtransportieren?

Aus Sicht von Projektkoordinator Brexel kann der Bahntransport aber nur eine Zwischenstufe sein. Bei 2,5 Millionen Tonnen CO2, die jährlich in den Zementwerken der Region entstehen, sei das nicht praktikabel: "Wenn man das mit Lkw abtransportieren würde, dann wären das 100.000 Lkw oder über 40.000 zusätzliche Kesselwagen auf der Schiene." Stattdessen schlägt er eine Pipeline vor, mit der das CO2 nach Norddeutschland transportiert werden könnte.

Die Dekarbonisierung der Zementindustrie in der Region wäre also mit einem riesigen Bauprojekt verbunden - zusätzlich zu den Umbaumaßnahmen, die auf jedes einzelne Werk zukommen dürften. Laut Geschäftsführer Spenner ist die Umrüstung so aufwändig, dass sein Unternehmen damit rechnet, erst 2045 komplett klimaneutral zu werden. Der Zement dürfte durch diese Investitionen - nach seiner Einschätzung - deutlich teurer werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. Oktober 2023 um 12:00 Uhr.