Rechtsschutzversicherung Rekordschaden im Dieselskandal
Sechs Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals steigen die Prozesskosten für Rechtsschutzversicherer weiter an und erreichen ein Rekordniveau. Derweil holt die Affäre auch Zulieferer Conti ein.
Die Prozesskosten in den Streitfällen rund um den Dieselskandal schrauben sich auch sechs Jahre nach dem Auffliegen der Manipulationen immer weiter in die Höhe. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist er mittlerweile "das teuerste Schadenereignis in der Rechtsschutzversicherung überhaupt". Die Aufwendungen der Rechtsschutzversicherer für Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten seien zuletzt auf 1,21 Milliarden Euro gestiegen, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen heute in einer Mitteilung.
Bis Ende Oktober nahmen danach rund 380.000 Kunden ihre Rechtsschutzversicherung im Streit mit Autoherstellern wegen mutmaßlich manipulierter Abgaswerte in Anspruch. Der Gesamtstreitwert aller über die Rechtsschutzversicherer abgewickelten Diesel-Rechtsschutzfälle habe sich somit auf 9,8 Milliarden Euro erhöht.
Höherklassige Fahrzeuge und Zulieferer rücken in den Fokus
Der durchschnittliche Streitwert pro Diesel-Fall liegt laut GDV inzwischen bei rund 26.000 Euro. Zu Beginn des Dieselskandals habe er noch 22.500 Euro betragen. "Das zeigt, dass zunehmend höherpreisige Fahrzeuge und Premiumhersteller in den Fokus geraten sind", so Asmussen.
In der Aufarbeitung der Affäre wird neben den Autobauern mittlerweile auch die Rolle der Zulieferer stärker untersucht. Die Frage, ob die Lieferanten von VW etwas von den Manipulationen gewusst haben könnten, steht bereits seit Jahren im Raum.
So hat die Staatsanwaltschaft Hannover nun ihre Ermittlungen im Fall des Zulieferers Continental ausgeweitet. Wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Betrug, Untreue sowie einer möglichen vorsätzlichen Aufsichtspflichtverletzung wird gegen drei frühere Conti-Spitzenmanager ermittelt, wie die Justizbehörde bekanntgab. Auch gegen zwei leitende Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene liefen Untersuchungen. Continental kommentierte den Vorgang mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht.
Conti feuerte langjährigen Finanzvorstand
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab es in der vergangenen Woche Durchsuchungen in der Compliance-Abteilung von Conti sowie in der privaten Wohnung eines Mitarbeiters. Am Mittwoch seien zudem Unterlagen in einer Kanzlei in Frankfurt sichergestellt worden, die das Unternehmen mit einer internen Untersuchung beauftragt habe.
Einem Bericht der "Wirtschaftswoche" zufolge richten sich die Ermittlungen gegen Ex-Konzernchef Elmar Degenhart, ein ehemaliges Vorstandsmitglied der inzwischen von Conti abgespaltenen Sparte Powertrain sowie den langjährigen Finanzvorstand Wolfgang Schäfer, dessen Abgang der DAX-Konzern am Mittwochabend verkündet hatte.
Continental hatte die Trennung damit begründet, dass im Rahmen der Prüfung einer möglichen Mitverantwortung für das Entstehen von "Dieselgate" durch illegale Abschalt-Software "Defizite bei der andauernden Aufklärung" zutage getreten seien.
Ermittlungen dauern schon länger an
Die Strafverfolger hatten im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen seit längerem mehrfach Büros an Standorten von Conti durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt. "Im Rahmen der Auswertung der bisher beschlagnahmten Unterlagen stoßen wir immer wieder auf Hinweise und neue Erkenntnisse", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Bei den bisherigen Ermittlungen ging es darum, ob sich Mitarbeiter der Beihilfe zum Betrug und der mittelbaren Falschbeurkundung in den Jahren 2006 bis 2015 schuldig gemacht haben. Denn die in einem von VW für den Verkauf in Europa entwickelten 1,6 Liter-Dieselmotor verwendete Software stammte von Continental. Der Zulieferer argumentiert, dass solche Motorsteuerungen von der Kundschaft auf ihre jeweiligen Bedürfnisse programmiert würden und er selbst nicht an der Manipulation beteiligt gewesen sei.
Volkswagen hatte 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Abgaswerte von Dieselautos in großem Stil manipuliert zu haben. Die Wiedergutmachung hat den Wolfsburger Autobauer bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet - vor allem an Strafen und Schadensersatz in den USA. Dort mussten knapp eine halbe Million Autos zurückgerufen werden. Seitdem kam heraus, dass noch weitere Hersteller Abgaswerte manipulierten.