DAX und Wall Street im Minus Zinsängste an den Börsen dauern an
Die Hoffnungen der Anleger auf kleinere und bald endende Zinsschritte der Notenbanken sind erst einmal geplatzt. Die Wall Street muss einen neuen Rückschlag hinnehmen. Und auch der DAX schloss tiefer.
Die Aussicht auf einen langen Kampf der US-Notenbank gegen die Inflation mit höheren Zinsen als gedacht und der XXL-Schritt der Bank of England (BoE) haben die Börsen heute weiter absacken lassen. Die Hoffnung auf langsamere Zinserhöhungen ab Dezember, die die Märkte im Vorfeld des Fed-Entscheids noch in die Höhe getrieben hatte, blieb unerfüllt.
Nachdem die US-Börsen bereits zur Wochenmitte unter dem vierten kräftigten Zinsschritt in Folge und vor allem den Aussagen der Fed gelitten hatten, konnte sich die Wall Street heute nicht erholen. Auch ein überraschend schwacher Anstieg der Lohnstückkosten sowie der Produktivität im dritten Quartal konnten die Ängste der Anleger vor einer weiteren Straffung der Geldpolitik nicht merklich mildern.
Zudem fielen die Stimmungsdaten aus dem US-Dienstleistungssektor nach Handelsbeginn schlechter aus als erwartet. Der Leitindex Dow Jones verlor daher weitere 0,46 Prozent auf 32.001 Punkte. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 1,06 Prozent auf 3720 Zähler nach unten.
Den Technologieindex Nasdaq 100 erwischte es noch schlimmer, er büßte knapp zwei Prozent ein. Er nähert sich damit wieder seinem Jahrestief von Mitte Oktober. Dazu trug Apple bei, deren Aktien um mehr als vier Prozent nachgaben. Wachstumsstarke Technologiekonzerne leiden besonders unter dem Zinsanstieg.
Während die Investoren mit der gestrigen Anhebung des US-Leitzinses um weitere 0,75 Prozentpunkte gerechnet hatten, enttäuschten die Äußerungen des Fed-Chefs. Zwar öffneten die Währungshüter die Tür für eine Verlangsamung des Tempos. Powell bezeichnete es aber als "sehr verfrüht", über eine Pause nachzudenken und ließ keinen Zweifel daran, die Erhöhungen noch länger fortzusetzen. Damit habe er der "Hoffnungs-Rally" an den internationalen Aktienmärkten den Wind aus den Segeln genommen, schreiben die Autoren der Fuchs-Börsenbriefe in ihrer aktuellen Ausgabe.
Zudem dürften die Zinsen angesichts der Inflationsentwicklung und des robusten Arbeitsmarkts laut Powell insgesamt sogar auf einen höheren Wert steigen als geplant. "'Tempo raus: ja, Pause: nein' - mit dieser Botschaft der US-Notenbank hätten die Börsen womöglich noch ganz gut leben können", sagte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets. Dass die Spitze der US-Leitzinsen jedoch höher sein werde als bislang vermutet, habe der allgemeinen Marktstimmung einen deutlichen Dämpfer versetzt.
Heute folgte darüber hinaus der größte Zinsschritt der BoE seit 33 Jahren. Auch die britische Notenbank stellte weitere Zinserhöhungen in Aussicht - wenn auch geringere. "Wir denken, dass der Leitzins weniger stark steigen muss, als derzeit auf den Finanzmärkten eingepreist ist", sagte Notenbankchef Andrew Bailey.
Auch die Anleger am Frankfurter Aktienmarkt wurden durch die neuesten Zinssignale der Notenbanken vergrault. Somit ist der gute Lauf des DAX in der zweiten Oktoberhälfte vorerst vorbei. "Der Übergang von einem überraschend starken Börsenmonat Oktober in die saisonal starke Phase am Aktienmarkt verlief bis gestern 19:30 Uhr nahezu reibungslos", sagte Analyst Konstantin Oldenburger vom Online-Broker CMC Markets.
Nachdem der deutsche Leitindex bereits gestern seine siebentägige Gewinnserie beendet hatte, ging es auch heute nach unten. Das Börsenbarometer ging mit einem Minus von 0,95 Prozent bei 13.130 Punkten aus dem Handel.
Am Anleihemarkt stießen die Investoren die Papiere laufender Emissionen mit Blick auf weiter steigende Zinsen ab. Die Kurse sanken deutlich und knüpften damit an die Verluste vom Vorabend an. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) fiel zuletzt um 0,56 Prozent auf 110,00 Punkte, nachdem zum Handelsauftakt die Verluste noch größer waren. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen stieg im Gegenzug auf 4,13 Prozent.
Auch die Kurse deutscher Staatsanleihen gerieten heute unter Druck. So sank der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future um 0,68 Prozent auf 137,19 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg im Gegenzug auf 2,25 Prozent - nach 2,13 Prozent am Vortag.
Der Euro hat seinen Abwärtstrend heute fortgesetzt und ist unter die Marke von 0,98 US-Dollar gefallen. Im New Yorker Handel wurden zuletzt 0,9758 Dollar dafür bezahlt. Die Zinsängste und die daraus resultierenden Sorgen um die Konjunktur trieben den Preis der "Anti-Krisen-Währung" Dollar dagegen in die Höhe. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, gewann 1,4 Prozent auf 112,93 Punkte.
Zu den wichtigsten Währungen wertete außerdem das britische Pfund nach der Leitzinsentscheidung ab. Der Zinsschritt der Bank of England um um 0,75 Prozentpunkte war mehrheitlich erwartet worden. Allerdings dürften die Zinsen im kommenden Jahr weniger stark steigen, als es am Markt bisher erwartet wird, wie Notenbankchef Andrew Bailey sagte. Zudem schwor er die Briten auf eine schwere Rezession ein.
Auch die Ölpreise haben heute wegen der US-Notenbank deutlich nachgegeben. Marktbeobachter verwiesen darauf, dass die Fed für eine allgemein trübe Stimmung an den Finanzmärkten gesorgt habe. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent mit Lieferung im Januar kostete zuletzt 95,37 US-Dollar. Das waren 79 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) mit Lieferung im Dezember fiel um 1,13 Dollar auf 88,87 Dollar.
Die galoppierende Inflation in der Türkei hat unterdessen weiter an Tempo zugelegt. Im Oktober lagen die Verbraucherpreise 85,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das nationale Statistikamt mitteilte. Im Vormonat hatte die Teuerung 83,4 Prozent betragen. Seit etwa einem Jahr geht es mit den Verbraucherpreisen in dem Land stark nach oben. Ende 2021 hatte die Teuerung nur bei etwa 20 Prozent gelegen.
An der DAX-Spitze steht heute Zalando. Ein erneuter Kundenzustrom und die Einführung eines Mindestbestellwerts haben dem Online-Händler einen Ergebnissprung beschert. Das bereinigte operative Ergebnis stieg im dritten Quartal um fast 38 Prozent auf 13,5 Millionen Euro. Der Umsatz legte knapp drei Prozent auf 2,35 Milliarden Euro zu. Die Zahl der aktiven Kunden sei um acht Prozent gestiegen und habe erstmals die Schwelle von 50 Millionen überschritten. Nach frühen Schwankungen setzte sich die Aktie am Ende mit gut acht Prozent ins Plus ab.
Trotz guter Geschäfte steht BMW dagegen unten im DAX. Der Autobauer verdiente im dritten Quartal vor Zinsen und Steuern knapp 3,7 Milliarden Euro, fast 28 Prozent mehr als vor einem Jahr. In der Autosparte schnellte das operative Ergebnis um fast 64 Prozent auf 2,87 Milliarden Euro nach oben. Der Konzernumsatz legte im dritten Jahresviertel um gut 35 Prozent auf 37,2 Milliarden Euro zu. Unter dem Strich erzielte der Konzern einen Überschuss von 3,18 Milliarden Euro, nach 2,58 Milliarden vor einem Jahr. Die BMW-Titel büßten dennoch 4,7 Prozent ein. Lediglich bestätigte Jahresziele hatten Anleger offenbar nicht zufriedengestellt.
Der US-Biotechkonzern Moderna muss wegen Lieferengpässen und sinkender Nachfrage Abstriche bei den Umsatzzielen für seinen Covid-19-Impfstoff in diesem Jahr machen. Für 2022 werde nun mit Erlösen in Höhe von 18 bis 19 Milliarden Dollar statt von 21 Milliarden Dollar gerechnet, teilte das Unternehmen heute mit. Der Corona-Impfstoffumsatz von Moderna sank im dritten Quartal um 35 Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar.
Der weltgrößte Online-Versandhändler Amazon will seine Mitarbeiterzahl angesichts von Inflations- und Rezessionsrisiken vorerst nicht weiter erhöhen. Die Konzernführung habe wegen der ungewissen wirtschaftlichen Lage und der vielen in den vergangenen Jahren angeheuerten Beschäftigten eine Einstellungspause für die kommenden Monate beschlossen, verkündete Amazon-Managerin Beth Galetti heute im Firmenblog. Je nach Geschäftsbereichen und Bedarf würden aber - etwa bei Personalabgängen - weiter vereinzelt Beschäftigte eingestellt. Amazon hatte weltweit zuletzt rund 1,54 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Der US-Fahrdienstvermittler Lyft hat angesichts von Inflations- und Rezessionssorgen einen Job-Kahlschlag als Teil eines größeren Sparplans angekündigt. 13 Prozent der Beschäftigten - rund 683 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - sollen entlassen werden, wie der Uber-Rivale heute mitteilte. "Wir sind nicht immun gegen die Realitäten von Inflation und wirtschaftlichem Abschwung", schrieben die Firmengründer John Zimmer und Logan Green in einem Memo an die Beschäftigten. Lyft stelle sich auf eine Rezession im Laufe des kommenden Jahres ein. Das Unternehmen hatte im Sommer bereits einen Einstellungsstopp beschlossen.
Der kriselnde Fitnessgeräte-Anbieter Peloton hat Anleger mit einem schwachen Ausblick auf das Weihnachtsquartal verschreckt. Das Unternehmen stellte heute Erlöse zwischen 700 Millionen und 725 Millionen US-Dollar in Aussicht und blieb damit weit unter den Markterwartungen. Peloton hatte zu Beginn der Pandemie einen Boom erlebt, geriet dann aber in eine schwere Krise. Im abgelaufenen ersten Geschäftsquartal nahm der Nettoverlust der New Yorker Firma im Jahresvergleich um neun Prozent auf 408,5 Millionen Dollar zu.
Der neue Twitter-Besitzer Elon Musk plant nach der teuren Übernahme des Online-Dienstes offenbar einen großen Stellenabbau. So schrieben etwa die Nachrichtenagentur Bloomberg und die "Financial Times" unter Berufung auf informierte Personen, es gehe um etwa 3700 Jobs - rund die Hälfte der bisherigen Twitter-Belegschaft. Die Website Axios berichtete, Musk wolle ein Drittel der Arbeitsplätze oder mehr streichen. Der Abbau solle am Freitag bekannt gegeben werden.
Der vor der Verstaatlichung stehende Energiekonzern Uniper hat in den ersten neun Monaten einen Rekordverlust von 40 Milliarden Euro eingefahren. Zu erwartende Bewertungseffekte bei Derivaten sowie Rückstellungen im Zusammenhang mit den russischen Gaskürzungen summierten sich auf 31 Milliarden Euro. Hinzu kommen bereits realisierte Verluste in Höhe von zehn Milliarden Euro. Die vor gut einer Woche vorgelegten vorläufigen Zahlen des operativen Ergebnisses bestätigte der Konzern. Die Abstimmung mit der Bundesregierung für das Stabilisierungspaket sei in der finalen Phase.
Der Mobilfunk-Anbieter Freenet wird nach guten Geschäften bis Ende September erneut etwas optimistischer. So rechnet der MDAX-Konzern beim Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) jetzt mit dem Erreichen des oberen Endes der angepeilten Spanne zwischen 470 Millionen Euro und 480 Millionen Euro nach 447 Millionen Euro im Vorjahr. Freenet hatte erst im Sommer die Prognose leicht angehoben. In den ersten neun Monaten legte der operative Gewinn um knapp sieben Prozent auf 362 Millionen Euro zu. Der Umsatz stagnierte nahezu bei etwas weniger als 1,9 Milliarden Euro.
Der Umsatz von Hugo Boss stieg im dritten Quartal um 24 Prozent auf 933 Millionen Euro. Währungsbereinigt lag das Plus bei 18 Prozent. Alle Regionen und Vertriebskanäle konnten dabei zweistellige Zuwachsraten verzeichnen. Das Ebit nahm um acht Prozent auf 92 Millionen Euro zu. Dabei belasteten höhere Kosten die Bruttomarge leicht. Unter dem Strich verdiente das MDAX-Unternehmen mit 58 Millionen Euro zehn Prozent mehr als im Vorjahr.
Der US-Chipkonzern Qualcomm rechnet mit einem noch stärkeren Abschwung im Smartphone-Markt als bisher erwartet. Die Firma, von der die Hauptprozessoren vieler Android-Smartphones sowie die meisten 5G-Funkmodems kommen, prognostiziert für das Kalenderjahr 2022 nun ein Schrumpfen der Verkäufe im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Bisher stellte sich Qualcomm auf einen Absatzrückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich ein.
N26 wird sich nach eigenen Angaben in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Bislang ist die digitale Bank, eines der wertvollsten europäischen Start-ups, als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert. Mit der Firmierung als AG würden die Voraussetzungen geschaffen, um künftig die Umwandlung in eine europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) vollziehen zu können, erklärte N26. Die Änderung der Rechtsform dürfte die Spekulationen über einen möglichen Börsengang anheizen.
Der italienische Medienkonzern MFE Mediaforeurope hat seine Beteiligung an ProSiebenSat.1 eigenen Angaben zufolge weiter aufgestockt und weckt damit Spekulationen auf eine Übernahme des deutschen Konkurrenten. Die von der Familie des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beherrschte MFE (ehemals Mediaset) erklärte, sie habe sich über Derivate Zugriff auf weitere vier Prozent an ProSiebenSat.1 gesichert und könne damit auf bis zu 29 Prozent der Anteile und 29,9 Prozent der Stimmrechte kommen. Mit einem Überschreiten der Schwelle von 30 Prozent wäre ein Übernahmeangebot fällig.
Ebay hat im von Inflations- und Konjunktursorgen geprägten Sommerquartal einen weiteren Umsatzrückgang verzeichnet. In den drei Monaten bis Ende September sanken die Erlöse gegenüber dem Vorjahreswert um fünf Prozent auf 2,4 Milliarden US-Dollar. Der bereinigte Gewinn fiel um sieben Prozent auf 552 Millionen Dollar.